Rheon Medical revolutioniert chirurgische Behandlung des Glaukoms
Das Glaukom ist eine der häufigsten Erblindungsursachen und betrifft weltweit mehr als 75 Millionen Menschen: «Meistens ist es auf einen Anstieg des Augeninnendrucks (IOD) der Patienten zurückzuführen. Wenn dieser Druck zu hoch wird, kann der Sehnerv geschädigt werden, was unbehandelt zum Verlust des Sehvermögens führt», sagt Nikos Stergiopulos, Gründer und CEO von Rheon Medical und Leiter des Laboratory of Hemodynamics and Cardiovascular Technology der EPFL.
Stergiopulos' Vater litt an einem Glaukom, das zum Verlust eines Auges führte und die Sehkraft des anderen beeinträchtigte. «Ich fragte ihn nach den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten, und er erklärte mir, dass die Krankheit zunächst mit Augentropfen behandelt wird», sagt Stergiopulos, «aber irgendwann reichen die Tropfen nicht mehr aus, und man muss operieren, um den Augeninnendruck der oder des Kranken zu senken. Dies geschieht mit Glaukom-Drainagevorrichtungen, so genannten Kammerwasser-Shunts.»
Das Problem mit diesen Shunts ist, dass sie eine ziemlich hohe Rate an postoperativen Komplikationen aufweisen und oft zu einem Fehlschlag der Operation führen, wenn der IOD der Patientin nicht ausreichend kontrolliert wird. «Mein Doktorand erwähnte, dass es wirklich hilfreich wäre, den Flüssigkeitsfluss in den Glaukomdrainageröhren kontrollieren zu können. Ich habe ein ganzes Wochenende darüber nachgedacht und bin schliesslich auf eine mögliche Lösung gekommen», sagt Stergiopulos. «Da meine Fachgebiete Strömungsmechanik und medizinische Geräte sind, hatte ich die Idee, eine magnetische Scheibe in die Schläuche einzusetzen, die der Augenarzt nicht-invasiv drehen kann, um den Flüssigkeitswiderstand zu verändern. Das war das Einfachste, was ich mir vorstellen konnte.»
Ein grosser Durchbruch
Um seine Idee weiterzuentwickeln, reichte Stergiopulos eine Erfindungsmeldung beim Technologietransferbüro der EPFL ein, das diese Informationen nutzte, um ein Patent zu beantragen. Die ersten Prototypen wurden in seinem Labor entwickelt: «Wir waren in der Lage, ein winziges, gebogenes Gerät herzustellen, das nur 0,7 mm dick ist», sagt er. Er nannte sein Gerät eyeWatch.
Sobald ein eyeWatch implantiert ist, können Augenärztinnen den Augeninnendruck der Betroffenen leicht überwachen und korrigieren, indem sie bei Routineuntersuchungen einige einfache, nicht-invasive Anpassungen vornehmen. «Die Schlüsselkomponente unseres Geräts ist die rotierende Magnetplatte», sagt Stergiopulos. «Unser Gerät ist das weltweit erste nicht-invasive System zur Druckanpassung bei der Behandlung des Glaukoms.»
Rheon Medical wurde am 24. März 2010 gegründet, nachdem die präklinische Forschung erfolgreich verlaufen war. Das Unternehmen lizenzierte das Patent der EPFL – die Patente wurden inzwischen vom Europäischen Patentamt und von Ämtern in den USA, China und Japan erteilt –, um Mittel zu beschaffen und die für die Marktzulassung erforderlichen klinischen Versuche durchzuführen.
Über 250 Kranke erfolgreich behandelt
Seither hat sich Rheon Medical kontinuierlich einen Namen gemacht. Es erhielt 2019 das CE-Zeichen der Europäischen Union und wurde 2020 mit dem Swiss Medtech Award ausgezeichnet. Im Dezember 2020 schloss das Unternehmen eine Serie-C-Finanzierungsrunde in Höhe von 5,6 Mio. CHF ab; im Mai 2021 erteilte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) der eyeWatch die Breakthrough Device Designation: «Dies ist ein wichtiger Schritt in unserer Strategie, unser innovatives Glaukom-Drainagegerät auf den US-amerikanischen Markt zu bringen, der der grösste der Welt ist», sagt Stergiopulos.
Bis heute wurde eyeWatch bei mehr als 250 Patientinnen und Patienten in Europa erfolgreich eingesetzt, und die Zahl der Zentren, die das Gerät verwenden, steigt weiter an: «Zentren in Italien, Deutschland, Spanien und Grossbritannien haben vor kurzem damit begonnen, unsere Technologie zu verwenden, und wir haben Vertriebsvereinbarungen mit Firmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Griechenland, Israel und Hongkong abgeschlossen», so Stergiopulos. «Bis zum Jahresende planen wir, dass etwa 15 Zentren weltweit unsere Technologie verwenden, und wir gehen davon aus, dass wir Anfang 2022 mit klinischen Studien in den USA beginnen werden.»