Früherkennung von Arzneimittelresistenzen bei Krebspatienten
Medikamentenresistenz ist ein grosses Problem bei der Behandlung von Krebs. Einige Krebszellen zeigen gleich zu Beginn einer neuen Therapie Resistenzen, während andere diese erst im Laufe mehrerer Monate oder Jahre entwickeln. Dies stellt Onkologinnen und Onkologen vor grosse Herausforderungen, wenn sie eine möglichst wirksame Behandlung durchführen und gleichzeitig schädliche Nebenwirkungen vermeiden wollen. Hier kommt das System von Parithera ins Spiel. Es isoliert die in einer Blutprobe enthaltenen Krebszellen einzeln – selbst wenn nur eine Handvoll solcher Zellen zu finden ist – und analysiert ihre Boten-RNA mit unvergleichlicher Geschwindigkeit und Präzision. Das Unternehmen hat gerade seine ersten klinischen Versuche mit einem Krankenhaus gestartet, um das Gerät anhand von Patientenproben zu entwickeln.
Krebszellen können vor allem aus zwei Gründen gegen ein Medikament resistent werden: Entweder ist der Biomarker, auf den das Medikament abzielt, aufgrund einer Mutation in der DNA der Zellen verändert, oder es entstehen neue Signalwege, die die Wirkung des Medikaments umgehen. 90 % der Fälle führen zum Tod durch Therapieresistenz. «Leider gibt es keine Diagnosemethode, die eine genaue Erkennung ermöglicht», sagt Antoine Herzog, CEO von Parithera, «Biopsien beispielsweise erfordern invasive Eingriffe, die ihren Einsatz auf lange Sicht ausschliessen, und die Analyse der zirkulierenden Tumor-DNA liefert nur begrenzte Informationen.» Die von Parithera angewandte Methode hingegen liefert den Ärztinnen detaillierte Daten und ermöglicht es ihnen, Veränderungen in der Genexpression der Krebszellen direkt zu beobachten – und diese Genexpression wird genutzt, um die Therapien gezielter einzusetzen.
Automatisierte Sequenzierung einer Zelle nach der anderen
Das System von Parithera verwendet eine patentierte Technologie, die an der EPFL und der ETH Zürich entwickelt wurde, um einzelne Krebszellen zu isolieren und ihre mRNA zu sequenzieren: «Es ist wichtig, Zelle für Zelle vorzugehen, da Krebs sehr komplex ist und nicht alle Zellen in einer bestimmten Probe gleich sind», sagt Herzog. «Jede Zelle, die man analysiert, liefert andere Informationen.» Ausserdem ist das Aufspüren der Zielkrebszellen – der so genannten zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) – in einer Blutprobe mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen vergleichbar. Herzog erklärt: «Eine 1-mL-Blutprobe enthält im Durchschnitt nur 1-100 CTCs, im Vergleich zu Millionen von weissen Blutkörperchen und Milliarden von roten Blutkörperchen.» Um die CTCs mit nahezu 100-prozentiger Genauigkeit zu lokalisieren, verwendet das Gerät von Parithera ein mikro- und nanofluidisches System zusammen mit magnetischen Nanopartikeln, die sich an die CTCs anlagern und sie in einem mikrofluidischen System manipulieren, das sie mit einem molekularen Strichcode versieht. «Bei der derzeit in der Onkologie verwendeten Technologie werden die Nanopartikel von den weissen Blutkörperchen der Patientinnen ‹gefressen›, was die Reinheit der Proben verringert. Unser Designersystem überwindet dieses Problem und macht unseren Ansatz unter dem Gesichtspunkt der Kosten für das Gesundheitssystem realistisch. Letztlich könnte diese Analyse auch dazu dienen, sicherzustellen, dass keine Krebszellen mehr in einem Patienten vorhanden sind», so Herzog. Der gesamte Prozess ist automatisiert und an den klinischen Kontext angepasst.
Salomé Thüler, Xiaokang Li und Antoine Herzog © 2023 Alain Herzog
Im Rahmen eines Programms des EPFL-Vizepräsidiums für Innovation arbeitete das Unternehmen 2021 mit einem professionellen Designer zusammen, um sein Gerät zu entwerfen. Die Hoffnung ist, dass das System von Parithera zu einem der Standardtests der Onkologinnen und Onkologen wird. Das Unternehmen strebt eine Markteinführung in vier bis fünf Jahren an, aber es müssen noch klinische Studien durchgeführt werden, um festzustellen, für welche Krebsarten und in welchen Stadien das Gerät am besten geeignet ist. «Die Daten, die wir bisher gesammelt haben, stimmen uns sehr optimistisch, was das Potenzial unseres Systems angeht», sagt Herzog, «CTCs sind bei den meisten Krebsarten vorhanden, und es gibt Korrelationen zwischen dem Krebsstadium und der Anzahl der gefundenen Zellen. Um die Schnittstelle des Systems für das medizinische Personal so einfach wie möglich zu gestalten, arbeiten wir eng mit unseren Partnern im Krankenhaus zusammen und stehen in Kontakt mit grossen Diagnostikunternehmen.»
Parithera, das derzeit vier Mitarbeitende beschäftigt, hat eine Anschubfinanzierung von Innosuisse und Venture Kick erhalten. «Unsere Beraterinnen und Berater haben uns geraten, mit einer grösseren Finanzierungsrunde noch etwas zuzuwarten», sagt Herzog, «wir werden also erst einmal unsere Entwicklungsarbeit fortsetzen und uns auf die laufenden klinischen Studien konzentrieren.» Sie planen auch, am Investorentag der EPFL am 8. November teilzunehmen, um ihren Namen bei potenziellen Investorinnen bekannt zu machen.