Neues Eawag-Spin-off: Wertschöpfung aus organischem Abfall
Egal, ob verdorbene Früchte, Hühnermist, Biertreber, Restaurant-, Markt-, oder Schlachtabfälle – es gibt kaum einen organischen Abfall, den die Larven der schwarzen Waffenfliege (Hermetia illucens) nicht fressen. «Sie können sich sogar von Rasenschnitt ernähren», sagt Biologe Stefan Diener. «Dann dauert es einfach ein paar Tage länger, bis sie ihr Maximalgewicht erreichen.» Diener stiess 2005 zur Abteilung Siedlungshygiene und Wasser für Entwicklung (Sandec) der Eawag, um im Rahmen einer Doktorarbeit zu erforschen, wie man das Insekt am besten züchtet. «Wir von der Eawag gehörten weltweit zu den ersten, die zu diesem Thema forschten», erinnert er sich.
Hauptfokus war eigentlich, ein Abfallproblem zu lösen, das viele Länder des Globalen Südens haben: Während es für Abfallsorten wie Papier, Karton, Plastik oder Metall eine informelle Wertschöpfungskette gibt, landen organische Abfälle oftmals auf Deponien. Verfüttert man sie stattdessen an Larven der schwarzen Waffenfliege, können diese das Abfallvolumen um bis zu 70 Prozent reduzieren. Was übrig bleibt, kann ähnlich wie Kompost als organischer Dünger verwendet werden. Und nicht zuletzt können die Larven selbst im Alter von zwei bis drei Wochen geerntet, gereinigt, getrocknet und verkauft werden: Dank ihrem hohen Protein- und Fettanteil sind sie beispielsweise in der Fisch- oder Hühnerzucht ein wertvolles Futtermittel, das Fischmehl ersetzen kann.
Nachfrage nach Beratung
«Insektenzucht hat das Potenzial, organischen Abfällen einen Wert zu geben und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen», sagt Diener. Das Interesse am Thema ist gross: Die 2017 erstmals publizierte und 2021 überarbeitete Schritt-für-Schritt-Anleitung «Black Soldier Fly Biowaste Processing», die er mitverfasst hat, sei weltweit über 20’000 Mal heruntergeladen worden. Die Eawag erhalte ausserdem inzwischen jährlich fast hundert Anfragen aus zahlreichen Ländern – beispielsweise von Geldgebern, die wissen wollen, ob sich die Investition in eine bestimmte Anlage lohnt, von Fisch- oder Hühnerzuchten, die ihr eigenes Futter vor Ort produzieren möchten oder von Unternehmen, die grosse Mengen organischer Abfälle haben, die sie nutzen möchten.
«Solche Beratungen gehen über das Mandat der Eawag hinaus», sagt Diener. Um diese Dienstleistung erbringen zu können und sein Wissen in die Praxis einfliessen zu lassen, gründete er schliesslich im August 2021 das Spin-Off Eclose. Sein Geschäftspartner ist der Umweltnaturwissenschaftler Bram Dortmans, der eine Pilotanlage zur Abfallverwertung mit schwarzen Waffenfliegen in Indonesien aufbaute und während sechs Jahren betrieb und weiterentwickelte. Eclose bedeutet auf Englisch «schlüpfen» oder «sich entpuppen», erklärt Diener den Namen des Spin-offs: «Dies ist genau, was wir mit unserer Beratung erreichen möchten: Wir helfen dabei, dass sich Geschäftsideen zu ausgereiften Projekten entwickeln und schliesslich in die Tat umgesetzt werden.» Der Fokus liegt bei Low-Tech-Anlagen in Ländern des Globalen Südens, die täglich zwischen 10 und 50 Tonnen organische Abfälle verarbeiten.
«Um eine Anlage kommerziell zu betreiben, muss sie eine gewisse Grösse haben», erklärt Diener. Eine der grössten Herausforderungen beim Aufbau einer kommerziellen Zuchtanlage sei die Bereitstellung organischer Abfälle. «Die müssen konstant und in gleichbleibender Qualität vorhanden sein. Das wird oft unterschätzt.» Gerade in der Frucht- und Gemüseproduktion und -verarbeitung, wo teilweise grosse Mengen organischer Abfälle anfallen, seien die saisonalen Schwankungen gross.
Dunkelkammer und Liebeskäfig
Eine weitere Herausforderung laut Diener: «Unsere Forschungen an der Eawag haben gezeigt, dass wir die volle Kontrolle über den Zyklus der Fliegen übernehmen müssen.» Um zehn bis zwanzig Tonnen Abfall pro Tag zu behandeln, müssen täglich Dutzende Millionen von Fliegenlarven produziert werden. Und um diese dann gleichzeitig ernten zu können, müssen sie alle etwa gleich alt sein, wenn man sie auf ihr Futter setzt. Um das zu erreichen, braucht es laut Diener ein spezielles Licht-Schatten-Regime und einen klaren Arbeitsplan, an den sich alle Angestellten halten müssen. «Wir nutzen die Tatsache, dass sich schwarze Waffenfliegen nur bei Sonnenlicht paaren», erklärt der Biologe. Kisten mit verpuppten Fliegenlarven kommen in ein abgedunkeltes Netz. Erst, wenn die Mehrheit der Insekten geschlüpft ist, werden sie mit Licht in den sogenannten Liebeskäfig gelockt. «So können wir auf den Tag genau planen, wann sich die Fliegen paaren, wann sie ihre Eier ablegen und wann die jungen Larven schlüpfen, die zur Behandlung des Abfalls benötigt werden.»
Während der ersten zwei Jahre arbeitete Diener erst mit einem kleinen Pensum für das Spin-off. Auf Oktober wird er nun seine Stelle an der Eawag ganz aufgeben. Auch Bram Dortmans wird Ende Jahr Vollzeit zu Eclose stossen. Die beiden werden Investoren beraten, Anlagen neu planen und optimieren, Mitarbeitende dieser Anlagen schulen. Und falls es gut läuft, möchten sie eines Tages eine eigene Anlage aufbauen, auf der sie selbst wieder forschen, Neues ausprobieren und die Technologie noch weiterentwickeln können.