Leichte, ultra-vernetzte Seecontainer

Die von AELER, einem Start-up-Unternehmen der EPFL, entwickelten Verbundstoffcontainer sind in allen Bereichen leistungsfähiger: Sie sind stärker, haben eine höhere Nutzlast, sind besser isoliert, ermöglichen eine bessere Verfolgung und können dazu beitragen, den Kohlendioxidausstoss zu verringern. Mehr als 60 dieser Container überqueren derzeit die Weltmeere, und das Unternehmen hofft, diese Zahl ab dem nächsten Jahr erheblich steigern zu können.
David Baur, Mitbegründer des Start-ups © 2022 Alain Herzog

Frachtschiffe mit Containern in den unterschiedlichsten Farben sind seit über 50 Jahren ein fester Bestandteil des Seeverkehrs. Diese Container bieten eine kostengünstige, standardisierte Möglichkeit für den Transport von Waren und sind ein Dreh- und Angelpunkt des globalen Handels – etwa 80 % der Produkte weltweit werden auf diese Weise transportiert. Und dank des Internets der Dinge (IoT) sind Schiffscontainer in den letzten Jahren zu Hightech geworden: IoT-Technologie hilft, die finanziellen Verluste durch gestohlene Waren, verlegte Artikel und verderbliche Lebensmittel zu verringern. AELER ist mit seinen revolutionären Unit One-Containern noch einen Schritt weiter gegangen. Während diese Einheiten immer noch die Industriestandardspezifikationen für die Grösse erfüllen, wurde ihre Struktur verbessert, um eine grössere Nutzlast, höhere Festigkeit und bessere Isolierung zu bieten. Das Design der Unit One umfasst ein glattes Äusseres und eingebettete Sensoren, die Daten direkt an eine Anwendung senden, so dass die Betreiber die Waren verfolgen, die Versandbedingungen überwachen und das Flottenmanagement optimieren können. Das Start-up hat in einer ersten Finanzierungsrunde 7,5 Millionen CHF erhalten und plant eine zweite Runde. Mit über 60 Unit One-Containern, die bereits auf hoher See unterwegs sind, sind die Aussichten für das junge Unternehmen gut, ab dem nächsten Jahr schnell zu wachsen.

David Baur mit Anastasios Vassilopoulos und Véronique Michaud, EPFL-Professor und -Professorin, mit denen er während seines Studiums an der Struktur des Containers gearbeitete hatte. © 2022 Alain Herzog

Stärkere und besser isolierte Wände

Der Mitbegründer des Start-ups, David Baur, ein Unternehmer mit Leib und Seele, ist seit langem davon überzeugt, dass sich herkömmliche Metallbehälter verbessern lassen. Während seiner Masterarbeit am Laboratory for Processing of Advanced Composites (LPAC) der EPFL, das von Véronique Michaud geleitet wird, begann Baur mit der Entwicklung und Erprobung eines Verbundwerkstoffgerüsts aus Glasfaser und Harz: «Als David mir zum ersten Mal von seiner Idee erzählte, bezweifelte ich, dass sie funktionieren könnte», sagt Michaud, «aber sein Enthusiasmus hat mich überzeugt. Es war nicht das erste Mal, dass ich einem Forschungsprojekt zugestimmt habe, das mir anfangs ein wenig verrückt erschien!» Baur verfeinerte dann die Struktur, was zu stärkeren und viel besser isolierten Containern führte. Bei herkömmlichen Metallcontainern ergibt sich die Wandstärke aus der zinnenartigen Struktur. Bei Baurs Modell hingegen kommt die Festigkeit aus dem Verbund von Glasfaser und Harz. Dadurch sind seine Container leichter und können mehr Güter transportieren; sie können 11 % mehr Ladung transportieren als ein normaler Kühlcontainer und 17 % mehr als Container für Flüssigkeiten. «Weil unsere Unit-One-Container eine so widerstandsfähige Struktur haben, beulen sie sich unter dem Druck von Flüssigkeiten nicht aus», sagt Baur. Prof. Michaud ist stolz auf ihre Arbeit: «Unsere langen Diskussionen über das richtige Material haben sich gelohnt! Es ist spannend zu sehen, was Baur und seine Unternehmerkollegen geschafft haben», sagt sie und tätschelt den riesigen Behälter.

«Feuchtigkeitsbedingte Schäden können in die Hunderttausende von Schweizer Franken gehen.»      David Baur, Mitbegründer von AELER

Wir denken nicht oft darüber nach, aber in Metallbehältern, die den ganzen Tag in der Sonne stehen, kann es sehr heiss werden. Und nachts kann die Temperatur schnell sinken. Diese Temperaturschwankungen können zu Kondenswasserbildung in der Ladung führen, was bei Gütern wie Lebensmitteln problematisch ist: «Die feuchtigkeitsbedingten Verluste können in die Hunderttausende von Schweizer Franken gehen», sagt Baur, «vor allem, wenn die Ladung pharmazeutische Produkte enthält.» Die Container von Unit One tragen mit ihrer passiven Isolierung viel zur Lösung dieses Problems bei.

Das Unternehmen schätzt, dass seine Container die Kohlendioxidemissionen des Seeverkehrs um 20 % reduzieren können, da sie eine grössere Nutzlast haben – d. h. es werden weniger Container benötigt, um eine bestimmte Ladungsmenge zu transportieren – und eine glatte, aerodynamische Form aufweisen. Wenn Unit One-Container auf Lastwagen eingesetzt werden, können sie den Kraftstoffbedarf um 4 % senken.

Ein Vorreiter in der Logtech-Branche

Die Technologie verändert seit einigen Jahren den Bereich der Logistik, was zu dem Portmanteau «logtech» geführt hat, und auch hier betritt das Unternehmen Neuland: «Unsere Technologie ist einzigartig in der Branche, weil ihre eingebetteten Geräte es den Betreibern ermöglichen, genau zu sehen, was im Inneren eines Containers vor sich geht», sagt Baur. Unit One eröffnet neue Möglichkeiten für Konnektivität, Automatisierung und Sicherheit. Die Programme der künstlichen Intelligenz des Systems können aus riesigen Datenmengen einen Sinn machen, so dass Reedereien schnellere und besser informierte Entscheidungen über die optimalen Routen für ihre Container treffen können. Dies bringt sowohl Kosteneinsparungen als auch Umweltvorteile mit sich. Das System von AELER umfasst auch eine Anwendung zur Verfolgung von Eingaben der in den Containern integrierten Sensoren sowie ein Flottenmanagementprogramm.
Das Verfahren zur Herstellung von Unit-One-Containern ist teurer als das von Standardmetallcontainern. Aber die Technologie bietet Vorteile für den Transport vieler Arten von Waren, von Medikamenten und Flüssigkeiten bis hin zu Luxusgütern und Körperpflegeprodukten. Das 2018 gegründete Startup ist auf dem besten Weg, sich einen bedeutenden Marktanteil zu sichern – Millionen von Behältern sind derzeit weltweit im Einsatz. Das Unternehmen plant bereits, in diesem Herbst an allen wichtigen Konferenzen der Seeverkehrsbranche teilzunehmen: «Dies ist der perfekte Zeitpunkt für Unit One, um auf den Markt zu kommen, denn die Branche ist reif für Veränderungen», sagt Baur.

Weitere Informationen

Links

AELER