Durchbruch in Las Vegas
400 Studirenden-Teams aus aller Welt hatten sich beworben; nur ein Dutzend qualifizierte sich im vergangenen September für die «Not-A-Boring-Competition» in Las Vegas: dem Tunnelbau-Wettbewerb, den Unternehmer und Hyperloop-Förderer Elon Musk ins Leben gerufen hatte. Tagelang dauerten Inspektionen einer Fachjury am Bohrgerät «Groundhog Alpha» (siehe Infobox); dann war das Team «Swissloop Tunneling» der ETH Zürich und weiterer Hochschulen für das Finale qualifiziert: den Versuch, einen 30 Meter langen Tunnel mit einem halben Meter Durchmesser zu bohren. Ein Härtetest für Menschen und Material, wie Eugenio Valli und Lukas Heller vom Leitungsteam des Studentenvereins erzählen.
Während «Groundhog Alpha» noch auf dem Seeweg zurück nach Dübendorf ist, beginnt für das Team die Vorbereitung auf das kommende Jahr – mit etwa 30 Studierenden, die neu einsteigen. Ein Fokus wird auf den besonders wichtigen Teilen der Maschine liegen. Zum Beispiel auf dem «Liner»-Segment, das die Tunnelwand während des Vortriebs per 3D-Druck aus Polymeren herstellt, die wiederum reissfeste Glasfaser-Folien umhüllen. Diese neuartige Technologie wollen die Konstrukteure überarbeiten, damit sie zuverlässig funktioniert.
Hyperloop-Strecken erscheinen vielen Zeitgenossen als weit entfernte Zukunft oder gar Science Fiction, doch vielerorts wird längst daran gearbeitet – nicht nur an Hochschulen wie der ETH Zürich oder der EPFL. Firmen wie Virgin Hyperloop in den USA und andere investieren längst in diese Technologie, obwohl viele technische Fragen noch ungeklärt sind. Das wichtigste Argument ist der Umweltschutz: Schwebendes Fahren im Vakuum könnte Energieverbrauch und CO2-Emissionen drastisch senken.
«Groundhog Alpha»: Innovativer Tunnelbohrer
Der Prototyp der Bohrmaschine mit dem Schweizer Murmeltier im Namen entstand ab Sommer 2020 – für den Wettbewerb «Not-a-Boring-Competition». Die Anforderung: neue Lösungen, um den Tunnelbau für die Transportröhren zu beschleunigen. «Swissloop Tunneling» setzt sich das Ziel von einem Zentimeter pro Sekunde – dank neuer Ideen. Die Tunnelwand stellt die Maschine schon während des Bohrens mit einem eingebauten 3D-Drucker selber her: eine 15 Millimeter-Schicht aus zwei Polymeren, umgeben von schützenden Glasfaserlamellen. Um präzise zu navigieren und nötigenfalls Kurven graben zu können, steckt der Bohrkopf auf sechs beweglichen Hydraulik-Zylindern. Zudem macht eine geneigte «Startplattform» eine senkrechte Baugrube verzichtbar; das spart Zeit. Der Prototyp ist rund 7 Meter lang und wiegt 2,5 Tonnen. An seiner Entwicklung sind neben der ETH Zürich die Universität St. Gallen und Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) beteiligt.
Herr Valli, Herr Heller, zweiter Platz in Las Vegas – war das ein Sieg oder eine Niederlage?
Lukas Heller: Für uns war es ein riesiger Sieg! Obwohl wir mit unserer Bohrmaschine im Finale leider gar nicht in den Boden hineingraben konnten…
Woran lag das?
Heller: Es waren viele Faktoren. Ein Sturm in der Wüste hat die Bohrmaschine beschädigt: Es gab Schäden an verschiedenen Systemen, vor allem bei der Elektronik durch Blitze und Regen. Wir hatten auch Fehlermeldungen, die wir nicht rechtzeitig beheben konnten: Als wir kurz davor waren, starten zu können, war die Frist abgelaufen.
Eugenio Valli: Aber wir gehörten zu den einzigen beiden Teams, die überhaupt eine Starterlaubnis bekommen haben…
Heller: …und wir haben erreicht, was wir wollten. Wir wollten Innovation betreiben und haben den Preis für das innovativste System und für das beste Design gewonnen.
Es war der erste Wettkampf dieser Art. Was nehmen Sie für die Zukunft mit?
Valli: Zu Beginn stellt man es sich fast zu leicht vor, einen Tunnel zu bohren. Aber je mehr Erfahrung man sammelt, desto klarer werden mögliche Probleme. Für dieses Jahr haben wir uns deshalb vorgenommen: Wir werden viel, viel, viel mehr testen!
Heller: Wir haben enorm viel gelernt. Unsere Motivation ist nun, dadurch auch einiges verbessern zu können.
Viele Aufgaben, die noch zu lösen sind. Sind schon echte Bohrtests geplant?
Heller: Wir hatten schon im Sommer vor dem Wettkampf überlegt, ob wir auf dem Baustellengelände der Empa in Dübendorf einen Test machen. Aber es hat dann stark geregnet; das war uns zu riskant. Aber im Frühjahr muss und wird das passieren; nur wo, ist noch nicht klar.
Laut Ihrer Webseite haben Sie nicht nur Hyperloop-Tunnel im Visier, sondern auch herkömmlichen Tunnelbau. Statt eines halben Meter Durchmesser weit grössere Massstäbe – eine mutige Vision…
Heller: Genau. Im Moment ist uns aber vor allem wichtig, dass wir Innovation betreiben. In Zukunft könnte man vielleicht mit Herstellern zusammenarbeiten, um zunächst einzelne Systeme unseres «Groundhog Alpha» für Maschinen hochskalieren, die es schon gibt.
Valli: Die Kosten und nötige Infrastruktur werden dann schliesslich auch viel grösser.
Aber sie bleiben bei diesem Ehrgeiz?
Heller: Definitiv! (Beide lachen)
Sie waren vor kürzlich auf der wichtigen Technologiemesse «Gitex» in Dubai, um ihr Konzept zu präsentieren. Wie waren die Reaktionen?
Valli: Viele Leute fasziniert die Hyperloop-Technologie, besonders die hohen Geschwindigkeiten von bis zu 1200 Stundenkilometer. Und eine Verbindung zwischen Dubai und Abu Dhabi: Da spürt man grosses Interesse.
Heller: In der Schweiz bewegt sich auch etwas. Die SBB kooperiert mit unserem neuen Partner Eurotube, der an der Entwicklung von Vakuumröhren forscht, für eine Teströhre in Collombey-Muraz im Wallis.
Mit Eurotube und Swissloop bilden Sie neuerdings eine Allianz, um Hyperloop schneller voranzubringen. Was planen Sie konkret?
Heller: Bei unserem «Lining»-System, also der Tunnelhülle mit 3D-Druck, wird Eurotube uns mit fachkundigen Beratern helfen, weil unsere Arbeit sich an diesem Punkt ja berührt. Eurotube hat unserem Team auch schon sehr mit der Materialauswahl für die Polymere für den Druck geholfen.
Sie bekommen auch Hilfe von Firmen. Wie viele Partner haben Sie mittlerweile?
Valli: Etwa 80. Manche helfen finanziell; andere steuern vor allem Kenntnisse bei. Oder stellen sogar Systeme für uns her, wie den einzigartigen Steuermechanismus von der Firma Hagenbuch in Ebikon. Sechs bewegliche Hydraulikzylinder, mit denen die Maschine vorne frei beweglich ist oder auch den Bohrkopf zurückziehen kann – zum Beispiel, wenn sie auf ein Hindernis im Boden trifft.
Hätten Sie das ohne Partner geschafft?
Valli: Nein, nicht in dieser kurzen Zeit. So etwas ist wirklich eine grosse Hilfe!
Heller: Und die Empa als Gründungspartner darf man nicht vergessen. Unser Arbeitsraum auf dem Gelände ist unbezahlbar, mit dem Kran in der Werkhalle. Die Bohrmaschine ist zweieinhalb Tonnen schwer – ohne das: keine Chance!
Valli: Die Empa ist Heimat für uns.
Und wie schauen Sie nach dem ersten Jahr in die Zukunft?
Heller: Wir haben zwei Ziele. Natürlich die spannende Vision, die Technik und die Innovation. Aber genauso am Herzen liegt uns, dass wir die brillanten Köpfe der ETH Zürich aus den Vorlesungen holen und ihnen einen Arbeitsplatz geben, damit sie sich auch mal die Hände schmutzig machen und etwas von A bis Z produzieren können.