Doktoratsschule nimmt Fahrt auf
Die Idee für eine neue Doctoral School trug Lucio Isa, Professor für weiche Materialien und Grenzflächen an der ETH Zürich, schon länger mit sich herum. Sein ursprünglicher Plan war, ein Doktoratsprogramm auf Stufe des Departements Materialwissenschaft zu schaffen. Doch dann brachte das Kompetenzzentrum für Materialien und Prozesse (MaP) einen neuen Dreh in sein Vorhaben: eine disziplinenübergreifende Doktorierendenschule, die sich mit Materialien und Prozessen in einem umfassenderen Sinn beschäftigt. Und die schliesslich im Januar 2021 als «MaP Doctoral School» gegründet wurde.
Sie ist die dritte Doktoratsschule der ETH. Gegen 140 Doktorandinnen und Doktoranden aus sieben Departementen haben sich bisher eingeschrieben, und es werden laufend mehr. Die Pilotphase läuft bis 2025. Dann soll der Vollbestand von 400 bis 600 Doktorierenden erreicht sein; danach sollen pro Jahr 50 bis 100 neue dazukommen beziehungsweise abschliessen, um den Bestand, ausgehend von den aktuell dem MaP angehörigen Doktorierenden, zu halten.
Sämtliche aktuellen und zukünftigen Doktorierenden von MaP-Gruppen können am Programm teilnehmen. Seit Januar 2022 sind alle am Departement Materialwissenschaft zugelassenen Doktorierenden Teil der Schule, und voraussichtlich werden viele weitere folgen.
Erklärtes Ziel des MaP-Doktoratsprogramms ist es, Doktorierende auszubilden, die sich den grossen Herausforderungen der Gesellschaft stellen und über die Entwicklung von neuartigen Materialien und Fertigungsprozessen Lösungen beitragen, etwa im Bereich des Klimawandels, der Nachhaltigkeit oder auch bei der personalisierten Medizin. «Wir möchten mit unserer Doctoral School solche Abgängerinnen und Abgänger – die <future ready graduates> – hervorbringen, die vom ersten Tag an im Beruf und in Teams zukunftsfähige Lösungen entwickeln können», sagt Lucio Isa, der der MaP Doctoral School als Direktor vorsteht.
Breite und Tiefe in der Ausbildung
Erreichen will dies die MaP Doctoral School, indem Doktorierende mit unterschiedlichsten Expertisen und fachlichen Hintergründen – von der Architektur bis zur Biologie – am Programm teilnehmen und sich Transdisziplinarität in ihren Projekten zu eigen machen. Das fördert die Vernetzung und den Austausch von Ideen und Ansätzen. «Die Vielfalt der Expertisen, welche verschiedene Fachleute in das Programm einbringen, ist das Fundament des Doktoratsprogramms», betont Larissa Schefer, Koordinatorin der MaP Doctoral School.
Schon heute vernetzt das Kompetenzzentrum MaP Wissenschaft mit Praxis. «Dieses Ausbildungsprogramm verstärkt die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit und die Weitergabe des Wissens aus der Grundlagenforschung», ist Schefer überzeugt. Die Schulleitung würdigt denn auch ausdrücklich die Vernetzung der Forschenden zwischen den ETH-Departementen, mit den Institutionen des ETH-Bereichs und mit der Material- und Fertigungsindustrie sowie verschiedene Bottom-up-Initiativen und neue Formate als kompetitive Stärke des MaP. Zu diesen neuen Formaten gehören namentlich die MaP Doctoral School, die 3D-Drucktechnik-Plattform «additivETH» sowie der CAS Advanced Materials and Processes.
Die Doktorierenden erhalten neben der breiten, transdisziplinären Ausbildung aber auch weiterhin eine vertiefte, gründliche Ausbildung in ihrem angestammten Fachgebiet durch ihre Anbindung an eine thematische Vertiefung.
Auch Professuren profitieren
Von der inter- respektive transdisziplinären Ausrichtung der Schule werden nicht nur die Doktorierenden profitieren, sondern auch die beteiligten Professuren, betont Schefer: «Durch die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls unter den Doktorierenden entstehen neue Möglichkeiten des Austauschs und der Zusammenarbeit über verschiedene Disziplinen hinweg, die als Schwungrad für neue Initiativen dienen.»
Fünf thematische Vertiefungen bilden das Gerüst der Doktoratsschule: Moderne Fertigungstechnologien, Festigkeit und Lebensdauer von Materialien, Wissenschaft und Technologie auf allerkleinsten Skalen, nachhaltige und bioinspirierte sowie weiche Materialien.
Gleichzeitig durchlaufen die Doktorierenden eine praktische Ausbildung. Sie erlernen in Workshops, Seminaren oder praxisbezogenen Kursen die für ihre Arbeit nötigen Werkzeuge kennen; auch werden sie in datengetriebenen Materialien und Prozessen, der guten wissenschaftlichen Praxis sowie in Nachhaltigkeit ausgebildet.
Weitere Schwerpunkte sind zudem übergreifende transdisziplinäre Themen und das Bemühen, das Gemeinschaftsgefühl unter den Doktorierenden durch zielgerichtete und interaktive Formate zu stärken.
Zwischenbilanz trotz Pandemie positiv
Wegen der Pandemie mussten viele Dinge verschoben werden oder verzögerten sich. Die Startphase, in welcher der persönliche Austausch unerlässlich ist, hat daher später stattgefunden als die Initianten und Initiantinnen der MaP Doctoral School gehofft hatten. «Aber jetzt, ein Jahr, nachdem die Schulleitung die Initiative bewilligt und finanziert hat, sind wir durchgestartet», freut sich Lucio Isa.
Startschuss war «The Big Bang», ein Anlass, bei dem sich der erste Jahrgang von Doktorierenden der MaP Doctoral School in Workshops begegnete und Ideen für transdisziplinäre Initiativen erarbeitete, als Unterstützung für den Doktoratsalltag.
«Wir haben bereits einige tolle Konzepte gesehen», freut sich Schefer, unter anderem das wissenschaftliche Skills-Speed-Dating. Dabei sollen sich die Doktorierenden regelmässig treffen, um offene Fragen zu ihren Forschungsprojekten zu präsentieren, die zu Lösungsansätzen ihrer Kommilitonen passen. «So etwas kann nur gelingen, wenn Studierende nicht allein vor sich hinbrüten, sondern den gegenseitigen Austausch kultivieren», betont die Koordinatorin der MaP Doctoral School.
«The Big Bang war für viele neue Doktorierende die erste Begegnung mit Kollegen ausserhalb ihrer Forschungsgruppen, und ihre Begeisterung und ihr Engagement waren für alle spürbar. Dies machte den Anlass zu einem bleibenden Erlebnis. Wir blicken optimistisch in die Zukunft!» meint Isa abschliessend.