Ein früher Prädiktor für den kognitiven Abbau bei der Parkinson-Krankheit

Laut den Neurowissenschaftlern der EPFL weisen frühe Halluzinationen auf ein höheres Risiko eines kognitiven Rückgangs hin, wenn eine Parkinson-Diagnose vorliegt.
Frühe Halluzinationen bei der Diagnose der Parkinson-Krankheit sind mit einem höheren Risiko für kognitiven Verfall verbunden. © iStock

Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass jemand hinter Ihnen steht, und zwar so stark, dass Sie sich umdrehen, nur um festzustellen, dass niemand da ist? Dies ist eine «Präsenzhalluzination». Anwesenheitshalluzinationen sind bei Parkinson-Patienten besonders häufig und können schon früh im Krankheitsverlauf auftreten, werden aber zu wenig beachtet. Manchmal werden sie von den Patientinnen oder den Ärzten ignoriert oder als einfache Nebenwirkung der Medikamente abgetan.

Nun haben EPFL-Forschende herausgefunden, dass Patientinnen und Patienten, bei denen die Parkinson-Krankheit erst kürzlich diagnostiziert wurde und die schon früh Halluzinationen haben, ein höheres Risiko für einen schnelleren kognitiven Abbau haben. Die Ergebnisse wurden in Nature Mental Health veröffentlicht.

«Wir wissen jetzt, dass frühe Halluzinationen bei der Parkinson-Krankheit ernst zu nehmen sind», sagt Olaf Blanke, Inhaber des Bertarelli-Lehrstuhls für kognitive Neuroprothetik und Leiter des Laboratory of Cognitive Neuroscience der EPFL. «Wenn Sie an der Parkinson-Krankheit leiden und Halluzinationen haben, auch wenn sie nur geringfügig sind, sollten Sie diese Information so schnell wie möglich Ihrem Arzt mitteilen», erklärt Fosco Bernasconi vom EPFL-Labor für kognitive Neurowissenschaften und Hauptautor der Studie. «Bisher haben wir nur für die Parkinson-Krankheit einen Zusammenhang zwischen kognitivem Abbau und frühen Halluzinationen nachgewiesen, aber das könnte auch für andere neurodegenerative Krankheiten gelten.»

Early hallucinations in Parkinson's disease are associated with a rapid frontal cognitive decline (illustrated by the triangles), and is anticipated by a specific frontal neural oscillation (Theta frequency band).


Frühe Halluzinationen bei der Parkinson-Krankheit gehen mit einem raschen Abbau der kognitiven Fähigkeiten im Frontalbereich einher (durch die Dreiecke veranschaulicht) und werden durch eine spezifische frontale neuronale Oszillation (Theta-Frequenzband) vorweggenommen. Bildrechte: EPFL / Bernasconi

Eine klinische Langzeitstudie

Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der EPFL und dem Krankenhaus Sant Pau in Barcelona sammelten die Forschenden Daten von 75 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 60 und 70 Jahren, bei denen die Parkinson-Krankheit diagnostiziert worden war. Ärztinnen und Forschende des Sant-Pau-Krankenhauses führten eine Reihe von neuropsychologischen Befragungen durch, um den kognitiven Status der Patientinnen und Patienten zu beurteilen, neuropsychiatrische Befragungen, um festzustellen, ob sie Halluzinationen hatten oder nicht, sowie Elektroenzephalographie (EEG)-Messungen der Gehirnaktivität in Ruhe.

Bei der Analyse der Daten stellten die Wissenschaftlerinnen fest, dass bei Parkinson-Erkrankten mit frühen Halluzinationen der kognitive Abbau der frontalen Exekutivfunktion in den folgenden fünf Jahren schneller voranschreitet. Das Ausmass des kognitiven Rückgangs in diesen fünf Jahren steht ausserdem in Zusammenhang mit der oszillatorischen Aktivität im frontalen Theta-Bereich (4-8 Hz), die im EEG beim ersten Besuch gemessen wurde, allerdings nur, wenn zu Beginn Halluzinationen auftraten. Bei klinisch und demografisch ähnlichen Patientinnen besteht der einzige Unterschied zu Beginn darin, dass die eine Gruppe frühe Halluzinationen hat und die andere nicht.

Früherkennung für frühzeitige Behandlung

Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson werden oft erst entdeckt, wenn es schon zu spät und die Krankheit zu weit fortgeschritten ist, was die Wirkung von Präventionsmassnahmen und krankheitsverändernden Therapien einschränkt. Bernasconi, Blanke und ihre Mitarbeitenden wollen das ändern, indem sie nach frühen Anzeichen – wie leichten Halluzinationen – und nach Möglichkeiten für ein frühzeitiges Eingreifen suchen, um das Fortschreiten der kognitiven und psychiatrischen Symptome der Krankheit zu verlangsamen.

Halluzinationen gehören zu den weniger bekannten Symptomen der Parkinson-Krankheit und sind im Frühstadium der Erkrankung sehr häufig, wobei jeder zweite Betroffene regelmässig Halluzinationen hat. Unter den verschiedenen Halluzinationen sind die frühen Halluzinationen in der Tat besorgniserregend, da sie bei einem Drittel der Parkinson-Patientinnen vor dem Auftreten motorischer Symptome wie Zittern auftreten. Die Parkinson-Krankheit wird traditionell als eine Bewegungsstörung mit den typischen motorischen Symptomen Ruhetremor, Steifheit und Bradykinesie definiert, führt aber auch zu einer Vielzahl von nicht-motorischen Symptomen, die schon früh im Krankheitsverlauf auftreten.

Halluzinationen lassen sich durch ein Kontinuum von Symptomen beschreiben, das von leichten Symptomen, die in der Regel früh im Krankheitsverlauf auftreten, wie z. B. Präsenzhalluzinationen, bis hin zu schwereren Symptomen wie visuellen Halluzinationen reicht, die erst später auftreten.

Es wurde auch bereits festgestellt, dass komplexe visuelle Halluzinationen, z. B. wenn man jemanden sieht, der nicht da ist, mit dem kognitiven Abbau und der Demenz bei der Parkinson-Krankheit und verwandten neurodegenerativen Erkrankungen wie der Demenz mit Lewy-Körperchen in Verbindung gebracht werden. Komplexe visuelle Halluzinationen treten jedoch in der Regel erst in einem späteren Stadium der Krankheit auf, so dass sie nur bedingt als Frühindikator für einen kognitiven Verfall dienen können.

«Die frühesten Anzeichen einer Demenz zu erkennen, bedeutet eine frühzeitige Behandlung der Krankheit, die es uns ermöglicht, verbesserte und personalisierte Therapien zu entwickeln, die versuchen, den Krankheitsverlauf zu verändern und die kognitiven Funktionen zu verbessern», so Blanke weiter.

«Unser Ziel ist es, einen frühen Marker zu haben, um Personen zu identifizieren, die ein Risiko für eine schwerere Form der Parkinson-Krankheit haben, die durch einen schnelleren kognitiven Verfall und Demenz gekennzeichnet ist, basierend auf der Neigung zu Halluzinationen. Und idealerweise können diese Personen identifiziert werden, noch bevor die Halluzinationen tatsächlich auftreten. Zu diesem Zweck entwickeln wir neurotechnologische Methoden und Verfahren», sagt Bernasconi.