Eine Zusammenarbeit zur Erweiterung der kosmischen Kartierung
Vor etwa 13,8 Milliarden Jahren begann das Universum mit dem, was wir den Urknall nennen. Es dehnte sich explosionsartig aus, schneller als die Lichtgeschwindigkeit. Obwohl die Schwerkraft diesen Prozess sofort verlangsamte, entdeckten Physiker vor mehr als 100 Jahren, dass sich das Universum weiter ausdehnt. In jüngerer Zeit fanden sie heraus, dass eine geheimnisvolle Energieform – die so genannte dunkle Energie – die Expansion vor etwa 6 Milliarden Jahren wieder beschleunigte. Dieses Phänomen hält bis heute an und birgt noch viele unbeantwortete Fragen.
Das vom Fachbereich Astronomie der Tsinghua-Universität geleitete Projekt MUlti Spectroscopic Telescope (MUST) soll ein Meilenstein in der kosmologischen Forschung werden und Einblicke in das junge Universum mit noch nie dagewesenen Details ermöglichen. Zum ersten Mal werden die Wissenschaftlerinnen in der Lage sein, die filamentäre Struktur des Universums in den ersten 3 Milliarden Jahren anhand einer detaillierten Karte aus Dutzenden von Millionen von Messungen nachzuvollziehen.
Heute unterzeichneten Martin Vetterli, Präsident der EPFL, und Li Luming, Präsident der Tsinghua Universität, in Peking eine Vereinbarung zur Forschungszusammenarbeit, mit der die EPFL offiziell in das Projekt aufgenommen wird. «Mit einer 10- bis 20-fachen Steigerung der Durchmusterungskapazität im Vergleich zu den derzeitigen spektroskopischen Durchmusterungen wird MUST das Universum umfassender und in grösseren Entfernungen als je zuvor kartieren und unser Wissen über dunkle Energie und dunkle Materie vertiefen», erklärt Professor Jean-Paul Kneib, Leiter des Labors für Astrophysik (LASTRO) und EPFL-Leiter in diesem Projekt. «Dies ist sehr wichtig, denn die dunkle Energie und die dunkle Materie machen 70 % bzw. 26 % des Inhalts des Universums aus und sind entscheidende Elemente, die dessen Expansion und Struktur beeinflussen», so Kneib weiter.
Das Know-how der EPFL im MUST-Teleskop zum Anfassen
Die EPFL wird mit modernster Hochpräzisionstechnologie einen wichtigen Beitrag zum 6,5-Meter-Teleskop leisten. Die Forschenden der Astrobots-Gruppe werden ein modulares Roboter-System zur Positionierung der Glasfasern entwickeln, das eine neuartige mechanische Montage, Elektronik, Steuerung, Kalibrierung und Tests umfasst.
Makroansicht der Position der optischen Fasern (beleuchtete Faser oben) – wo das Himmelslicht in die Fasern eintritt, um zu den Spektrographen geleitet und analysiert zu werden. Foto: 2024 Alain Herzog / EPFL - CC-BY-SA 4.0
Die EPFL hat in den letzten Jahren mit Unterstützung von Innosuisse und in Zusammenarbeit mit den Unternehmen MPS Micro Precisions Systems aus der Schweiz und Orbray aus Japan ein grosses Know-how im Bereich der faserpositionierten Roboter für massive spektroskopische Durchmusterungen und deren Miniaturisierung aufgebaut. Die Roboter, die für MUST entwickelt werden, ermöglichen es dem Projekt, eine extrem dichte Kartierung der Galaxien im Universum durchzuführen.
Analyse und Ausblick
Durch MUST wird die EPFL auch Zugang zu einer spektroskopischen Durchmusterung der nächsten Generation haben, mit der Hunderte von Millionen entfernter Galaxien aufgedeckt werden können, und sie engagiert sich für die Entwicklung theoretischer Modelle, die bei der Analyse der erwarteten riesigen Datenmengen eine entscheidende Rolle spielen werden.
Die Open-Source-Philosophie des Projekts gewährleistet einen breiten Zugang zu Software- und Hardware-Innovationen. «Die Zusammenarbeit zwischen der EPFL und Tsinghua wird globale wissenschaftliche Partnerschaften entwickeln, die transformative Entdeckungen für unser Verständnis des Universums und der Grundlagenforschung versprechen, wobei auch die zahlreichen datenwissenschaftlichen Kompetenzen der EPFL genutzt werden», so Martin Vetterli.
«Der Beitritt zu MUST erhöht die Beteiligung der EPFL an grossen internationalen Astrophysik-Projekten wie DESI, Euclid und dem Square Kilometer Array Observatory (SKAO) und positioniert uns an der Spitze vieler spannender Entdeckungen», sagte Carolyn Crichton, EPFL MUST Projektmanagerin und Programmdirektorin von SKACH.
4 Module von 63 Robotern – im Zentrum die ersten 3 Roboter dieser Generation – hergestellt von MPS. Foto: 2024 Alain Herzog / EPFL - CC-BY-SA 4.0