Start-ups: Wo Design und Technologie aufeinandertreffen
Forschende sind oft die ersten, die das innovative Potenzial eines Geräts erkennen. Investorinnen, Nutzer und Endkundinnen werden jedoch nicht nur auf die Funktionalität, sondern auch auf die Ergonomie und Ästhetik achten. Laborprototypen erfüllen nur selten die letzten beiden Kriterien – das ist auch nicht ihr Zweck. Das Ziel eines Prototyps ist es, die Machbarkeit einer bestimmten Technologie zu bewerten, Tests durchzuführen und Daten zu sammeln. Wenn ein Gerät jedoch das Forschungslabor verlässt und in die Produktentwicklungsphase übergeht, muss seine Technologie nahtlos in ein intuitives Design übergehen, um für Benutzerinnen, Märkte und Investoren attraktiv zu sein. An dieser Stelle kommt Enabled by Design ins Spiel. Dieses Programm bringt Designschaffende mit technikorientierten Geschäftsleuten zusammen und bietet Schulungen und Coaching an, um Innovationen so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass einer der Stolpersteine für einen schnellen Markteeintritt die Art und Weise ist, wie die Technologie Investierende, Produkttestende und potenzieller Kundschaft präsentiert wird. Unser Programm umfasst daher Workshops, in denen Ingenieurinnen und Ingenieure über Design aufgeklärt werden», sagt Daphna Glaubert, Leiterin des Enabled by Design-Programms. «Sie können eine unglaubliche Erfindung mit fantastischem Potenzial haben, aber sie muss die Bedürfnisse der Kundscahft erfüllen und Menschen ausserhalb der Welt der Forschung und Entwicklung ansprechen. Der Mehrwert unseres Ansatzes wurde vom Startup Launchpad der EPFL erkannt, das die mit uns zusammenarbeitenden Start-ups finanziell unterstützt.»
Ein gemeinsames Programm der EPFL und der ECAL
Bei der Zusammenführung von Geschäftsleuten und Designschaffenden funktioniert Enabled by Design ein wenig wie eine Dating-App. Start-ups stellen potenzielle Designprojekte auf der Website ein, während Designschaffende ihre Portfolios hochladen. Und weil auch die «richtige Chemie» wichtig ist, trifft sich Glaubert persönlich mit den Geschäftsleuten und Designschaffenden, um sicherzustellen, dass sie gut zusammenpassen, wobei sie sowohl die Bedürfnisse des Start-ups als auch die Fähigkeiten des Designschaffenden im Auge behält. «Start-ups benötigen unterschiedliche Fähigkeiten, je nachdem, wo sie sich im Geschäftsentwicklungsprozess befinden», sagt sie. «Wenn ein Startup zum Beispiel andere Unternehmen ansprechen will, braucht es ein Video, einige visuelle Elemente und eine Website. Die Gestaltung der richtigen Marketingmaterialien ist von Anfang an entscheidend. Ist ein Start-up hingegen an einem Punkt, an dem es sich mehr auf das Benutzererlebnis konzentriert, wird der erste Schritt die Arbeit am Produkt selbst sein». Sobald eine Designerin oder ein Designer ausgewählt wurde, dauert das Projekt selbst in der Regel zwischen einigen Wochen und einigen Monaten. In einigen wenigen Fällen führt es sogar dazu, dass die Designschaffenden eingestellt oder als Mitgründende an Bord genommen werden.
Sven Viquerat, Designer, und Thibault Asselborn, CEO von School Rebound © 2021 Alain Herzog
School Rebound, eines der rund dreissig Start-ups, die die Dienste von Enabled by Design in Anspruch genommen haben, hat eine App namens Dynamico entwickelt, die Kindern beim Schreibenlernen hilft. Dynamico basiert auf einer Technologie, die am Chili Lab der EPFL entwickelt wurde, und misst verschiedene Parameter für jeden Benutzenden, wie den Druck des Stiftes auf dem Tablet, die Schreibgeschwindigkeit und die Art und Weise, wie die Buchstaben gezeichnet werden. Anschliessend schlägt es personalisierte Spiele vor, um die Schreibfähigkeiten des Kindes zu verbessern. In Zusammenarbeit mit einer Designerin oder einem Designer, die über Enabled by Design kontaktiert wurden, konnte das Unternehmen die Grafiken der App verbessern und sie sowohl für Kinder als auch für Therapierende angenehmer gestalten. Ein weiteres Start-up, Parithera, hat einen nicht-invasiven, schnellen und genauen Test zur Diagnose verschiedener Krebsarten entwickelt. Ziel ist es, einen Prototyp zu entwickeln, der potenziellen Investoren gezeigt und von Ärztinnen und Ärzten verwendet werden kann, die das System testen.
Als gemeinsames Programm der EPFL und der ECAL (Hochschule für Gestaltung und Kunst Lausanne) fördert Enabled by Design auch ein besseres Verständnis zwischen den Bereichen Technik und Design. Zudem stehen die Start-ups immer unter enormem Zeitdruck. «Manche bitten zu Beginn ‹nur›󠅒 um ein einfaches Design», sagt Glaubert. Aber es ist viel Arbeit nötig, um die Einfachheit eines attraktiven, ergonomischen Produkts zu erreichen. Dazu kann es gehören, zusätzliche Recherchen durchzuführen oder Zeit im Labor mit den Erfindenden eines Produkts zu verbringen, um das zugrunde liegende Konzept vollständig zu erfassen. Im Rahmen seiner Rolle als Vermittlerin hat Enabled by Design ein Glossar entwickelt, das es Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Designschaffenden ermöglicht, die gleiche Sprache zu sprechen. «Ein ‹Prototyp›󠅒 beispielsweise bedeutet für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge», erklärt Glaubert. «Designschaffende verstehen unter einem Prototyp ein Pappmodell, während Ingenieurinnen und Ingenieure etwas Funktionales erwarten. Und wenn diese von einem ‹Minimum Viable Product›󠅒 sprechen, starren Designschaffende sie nur mit glasigen Augen an.»
Schliesslich bietet Enabled by Design eine Reihe von Aktivitäten an, um die aus abgeschlossenen Projekten gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben. In diesem Jahr wird es auch eine Design-Challenge geben: Teams, deren Mitglieder sich nicht kennen – bestehend aus zwei Designschaffenden und technischen Projektleitenden – haben nur wenige Arbeitstage Zeit, um ein erstes Konzept zu entwickeln.