Femtech – tabubrechende Innovationen
In der Schweiz gibt es 33 Start-ups, die an technologiebasierten Lösungen für die Gesundheit von Frauen arbeiten. Ein Unternehmen hat einen Urintest entwickelt, der sexuell übertragbare Infektionen (STIs) aufspürt. Ein anderes hat einen neuartigen Gebärmutterhalsstabilisator entwickelt, der Schmerzen und Blutungen lindert. Ein drittes Unternehmen hat ein intelligentes Armband entwickelt, das den Trägerinnen ihren Eisprung anzeigt, um sie bei der Empfängnis zu unterstützen. Alle diese Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie sind Teil der Femtech-Bewegung, die sich mit Themen wie Fruchtbarkeit, Verhütung, Fortpflanzung, Schwangerschaft und Geburt, Periode, Wechseljahre sowie sexuelle und psychische Gesundheit befasst. Die noch vor wenigen Jahren weitgehend unbekannte Femtech-Bewegung hat in Nordamerika und Grossbritannien einen Boom erlebt und ist auch in der Schweiz auf dem Vormarsch.
Voller Wachstumspotenzial
Einem aktuellen Bericht zufolge hatte der Femtech-Markt im Jahr 2020 einen Wert von 40,2 Mrd. USD und soll bis 2025 79,4 Mrd. USD erreichen. «Trotz des wachsenden Interesses in den letzten Jahren wird die Branche nach wie vor unterschätzt, obwohl sie vor Wachstumspotenzial nur so strotzt», sagt Maria Shmelova, Leiterin der in Grossbritannien ansässigen strategischen Analyseagentur FemTech Analytics. Der Wert dieses aufstrebenden Marktes in der Schweiz lässt sich nur schwer abschätzen, da sich die meisten Femtech-Firmen noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und einige ihre Produkte oder Anwendungen noch nicht auf den Markt gebracht haben. Einigen Schweizer Start-ups ist es jedoch gelungen, erhebliche Investitionen anzuziehen. ObsEva, das an neuen Therapien für Krankheiten wie Endometriose arbeitet, sicherte sich kürzlich eine Investition in Höhe von 75 Millionen Schweizer Franken. Das Unternehmen Anecova, das ein neues, auf Unfruchtbarkeit ausgerichtetes Gerät für den Transfer eines Embryos vom Labor in den Operationssaal zur In-vitro-Implantation entwickelt hat, erhielt 5 Millionen Franken. Aspivix, das Unternehmen, das den schmerzfreien Gebärmutterhalsstabilisator entwickelt, hat bisher 2,7 Millionen Franken erhalten.
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Kampf gegen Tabus
Die Schweizer Femtech-Branche hat es trotz klarer und aktueller Nachfrage schwer, sich zu entwickeln, denn die Hälfte der Bevölkerung ist von festgefahrenen Ansichten und Tabus in Bezug auf die Gesundheit von Frauen geprägt: «Gesundheit und Wohlbefinden wirken sich direkt auf die Arbeitsleistung von Frauen und damit auf die Produktivität der Unternehmen aus, die sie beschäftigen», sagt Lan Zuo Gillet, Leiterin von Tech4Eva, dem Femtech-Accelerator-Programm der EPFL. Da der Femtech-Sektor immer noch unter dem Radar fliegt, fällt es den Gründerinnen schwer, Aufmerksamkeit zu erregen, vor allem bei Männern: «Die Investoren sind allesamt Männer in den Fünfzigern», sagt Siew-Veena Sahi, CEO von Testmate Health, dem Unternehmen, das hinter dem Urintest für Geschlechtskrankheiten steht. «Fühlen sie sich wohl dabei, über sexuell übertragbare Infektionen und ihre persönlichen Erfahrungen mit Tests zu sprechen? Nein, natürlich nicht. Klea Wenger, Investmentmanagerin bei Swisscom Ventures, sieht das ähnlich: «Finanzen und Investitionen sind eine männlich dominierte Landschaft. Das ist ein Grund, warum die Femtech-Branche nicht so schnell wächst, wie sie sollte.» Auch bei der Werbung für ihre Produkte stossen Start-ups auf Hindernisse, vor allem in den sozialen Medien: «Diese Plattformen blockieren automatisch Nachrichten, Posts und andere Inhalte über die sexuelle Gesundheit von Frauen, weil die Moderatoren sie als unangemessen betrachten», erklärt Oriana Kraft, Gründerin des FemTechnology Summit in Zürich.
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