Das doppelte «co-operate»
Rund 3'800 Kubikmeter Beton für Fundamente und Bodenplatten unter dem Gebäude, mehr als 2'450 Quadratmeter Fenster und fast 13'000 Meter Elektroleitungen: Informationen über den aktuellen Planungsstand des künftigen Empa-Forschungscampus, geliefert mit wenigen Mausklicks – mit Hilfe eines digitalen Modells. Die Keimzelle wiederum für einen komplett virtuellen «Zwilling», der die Detailplanung, Ausführung und später auch den Betrieb effizienter macht.
Diese Arbeitsweise basiert auf der BIM-Methode, die in den vergangenen Jahren immer stärkere Bedeutung bekam (siehe Infobox). Technische Vorschriften wie das Merkblatt 2051 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (sia) beschreiben mittlerweile exakt, wie dabei vorzugehen ist – zum Beispiel, wann welche Planer und Firmen wie mit welchen Daten arbeiten. Die Aufgabe ist schliesslich komplex: Der digitale Bau «wächst» mit – dank vielfältiger Informationen zu den Baustoffen, Leitungen und Einbauteilen, die wiederum mit Dutzenden «Attributen» verknüpft werden: von Daten zu Preisen über Liefertermine bis hin zu Anleitungen für den späteren Betrieb.
Neues Verfahren, neue Einsichten
Die Vorteile des Verfahrens: Der digitale Zwilling macht die Arbeit für alle Beteiligten transparenter – etwa beim Baufortschritt und den laufenden Kosten. Oder auch bei Änderungen, die bei grösseren Projekten fast unvermeidlich sind: Anhand des Modells lassen sich Widersprüche oder Unstimmigkeiten rasch auffinden. Der Aufwand dafür ist zunächst freilich höher als bei herkömmlichen Projekten, wie Stephan Mülhaupt von der Empa-Abteilung «Real Estate Management» berichtet, doch er wird mit fortschreitender Projektdauer geringer als mit der traditionellen Arbeitsweise.
Eine spannende Erfahrung, die ihre Tücken hat. «Wenn Bauteile beispielsweise zu detailliert in allen Einzelheiten erfasst werden, besteht irgendwann schon das Risiko, dass die Datenmengen zu gross werden», so Mülhaupt, «das ist auch für uns ein Lernprozess.» Begleitet werden die Empa-Fachleute dabei von Spezialisten des Fachbüros Cadmec AG, die Erfahrungen von zahlreichen Projekten mitbringen.
Was ist das Besondere am Campus-Projekt «co-operate»? «Es fliessen wirklich aussergewöhnlich viele Informationen aus den digitalen Modellen der Fachplaner in das Gesamtmodell», sagt der Projektverantwortliche André Wegener. «Die Planenden spüren, dass sie die Bauherren mit digitalen Kommunikationstools, die auf dem Modell basieren, viel besser abholen und einbinden können. Das führt zu schnelleren und transparenteren Entscheidungen.»
Aktuell enthalten die Abbilder des Laborbaus und des Multifunktionsgebäudes mit dem Parkhaus bereits Daten für Elektrotechnik, Lüftungsanlagen, Heizungstechnik und weitere Anlagen, ausserdem das Modell für die Erdwärmesonden. Als ICT-Koordinator sorgt Wegener dafür, dass der komplexe Datentransfer mit so vielen Beteiligten vom Entwurf bis zum fertigen Modell reibungslos funktioniert – eine der neuen Berufsrollen, die durch das digitalisierte Bauen entstanden sind.
Enden wird das Projekt mit der Fusion der Daten zu einem «As Built Modell»: einer exakten digitalen Abbildung der realen «co-operate»-Bauwerke – vom Fundamentbeton mit seiner Armierung bis zu den Deckenlampen mitsamt Elektroleitungen. Es soll nicht nur als Informationsquelle dienen, sondern auch für das Facility Management. Ein simples Beispiel: Fenster- und Bodenflächen der Gebäude lassen sich mit wenigen Mausklicks aus dem Modell generieren, um Reinigungszyklen effizient zu planen.
Daten als Hoffnungsträger
In Zukunft könnte die Digitalisierung freilich weit noch mehr Chancen bieten, zum Beispiel für nachhaltiges Bauen. BIM-Daten könnten dazu dienen, Gebäude oder ganze Areale optimal für die Besonnung oder Belüftung zu platzieren und so Energie zu sparen. Oder dazu, Stoffkreisläufe für Wasser und Energie im Betrieb zu optimieren. Und auch nach dem Ende der Lebensdauer von Bauwerken wäre das exakte Wissen über Materialien und Bauteile nützlich, um sie nach dem Abriss erneut in den Stoffkreislauf einzuspeisen.
Solche Perspektiven überzeugen Fachleute wie Stephan Mülhaupt, dass sich der Aufwand der Digitalisierung lohnt. «Heutzutage werden vor allem hochkomplexe Bauvorhaben mit digitalen Zwillingen realisiert», sagt er, «doch je mehr Erfahrungen die Branche sammelt, desto schneller kann sich diese Arbeitsweise durchsetzen.» Und irgendwann, so hofft er, werden die Vorteile dann auch bei kleineren Projekten wie Mehrfamilienhäusern zum Tragen kommen.
Wegweisende BIM-Projekte
Die BIM-Methode kam bislang vorrangig bei anspruchsvollen Bauvorhaben zum Einsatz. In Deutschland wurde der Neubau des Klinikums Frankfurt Höchst digital entworfen, um auch die komplexen Wege der Menschen und Transporte in diesem Grossbauwerk optimieren zu können. Zudem sollte BIM dabei helfen, den Passivhausstandard erfüllen. Auch die deutsche Bahn will das Verfahren in Zukunft stark nutzen und erprobte es bei der Planung des Tunnels Rastatt. In der Schweiz entstand das Felix Platter-Spital in Basel auf diese Weise: Architekten und Fachplaner, etwa für Haus- oder Medizintechnik, sowie der Totalunternehmer kooperierten mit digitalen Modellen. Die entstandenen Daten wurden schliesslich zu einem Modell fusioniert, um es für das Facility Management zu nutzen. Das innovative Projekt wurde mit dem «buildingSMART International Award 2016» ausgezeichnet.