Die Bedeutung von Flüssen für den globalen CO2-Kreislauf
Bis vor kurzem beschränkte sich unser Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs weitgehend auf die Ozeane und die terrestrischen Ökosysteme der Welt. Tom Battin, Leiter des Labors für Flussökosysteme (RIVER) der EPFL, hat nun ein neues Licht auf die Schlüsselrolle geworfen, die Flussnetzwerke in unserer sich verändernden Welt spielen. Diese Erkenntnisse werden in einem von Nature in Auftrag gegebenen Übersichtsartikel dargestellt.
Battin, ordentlicher Professor an der Fakultät für Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen (ENAC) der EPFL, konnte ein Dutzend Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet für die Mitarbeit gewinnen. Ihre Forschung kombiniert zum ersten Mal die neuesten Daten, um die entscheidende Bedeutung von Flussökosystemen für die globalen Kohlenstoffflüsse aufzuzeigen – unter Einbeziehung von Land, Atmosphäre und Ozeanen.
Ein Sensornetzwerk untersucht die Biogeochemie von Bächen in den Schweizer Alpen © Nicolas Deluigi
Berechnung der Kohlenstoffflüsse
In ihrem Artikel heben die Autorinnen und Autoren die Rolle des globalen Stoffwechsels von Flussökosystemen hervor: «Flussökosysteme haben einen viel komplexeren Stoffwechsel als der menschliche Körper», erklärt Battin, «sie produzieren sowohl Sauerstoff als auch CO2 durch die kombinierte Wirkung von mikrobieller Atmung und pflanzlicher Photosynthese.» Pierre Regnier, Professor an der Freien Universität Brüssel (ULB) und einer der Autoren der Studie, fügt hinzu: «Das Verständnis des Stoffwechsels von Flussökosystemen ist ein wichtiger erster Schritt zur besseren Messung des Kohlenstoffkreislaufs, da dieser Stoffwechsel den Austausch von Sauerstoff und Treibhausgasen mit der Luft bestimmt. Die Forschenden verfügen bereits über aktuelle Gesamtschätzungen für Seen, Küstengebiete und die offenen Ozeane. Unsere Forschung fügt das fehlende Puzzleteil hinzu und ebnet den Weg für ein umfassendes, integriertes, quantifiziertes Bild dieses Schlüsselprozesses für unseren ‹blauen Planeten›.» Die Forschenden gewannen ihre Ergebnisse durch die Zusammenstellung globaler Daten über die Atmung von Flussökosystemen und die Photosynthese von Pflanzen.
Ihre Ergebnisse weisen auf eine klare Verbindung zwischen dem Stoffwechsel von Flussökosystemen und dem globalen Kohlenstoffkreislauf hin. Bei der Weiterleitung von Wasser in die Ozeane verbraucht der Stoffwechsel der Flussökosysteme organischen Kohlenstoff aus terrestrischen Ökosystemen, wodurch CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. Organischer Restkohlenstoff, der nicht verstoffwechselt wird, gelangt zusammen mit CO2, das nicht in die Atmosphäre freigesetzt wird, in die Ozeane. Diese Kohlenstoffeinträge aus Flüssen können die Biogeochemie der Küstengewässer beeinflussen.
Battin und seine Kolleginnen und Kollegen erörtern auch, wie der globale Wandel, insbesondere der Klimawandel, die Verstädterung, die veränderte Landnutzung und die Abflussregulierung, einschliesslich Staudämmen, den Stoffwechsel von Flussökosystemen und die damit verbundenen Treibhausgasflüsse beeinflussen. Flüsse, die landwirtschaftliche Flächen entwässern, nehmen zum Beispiel grosse Mengen Stickstoff aus Düngemitteln auf. Erhöhte Stickstoffkonzentrationen können in Verbindung mit steigenden Temperaturen aufgrund der globalen Erwärmung zu Eutrophierung führen – ein Prozess, der zur Bildung von Algenblüten führt. Wenn diese Algen absterben, regen sie die Produktion von Methan und Distickstoffoxid an, Treibhausgase, die noch stärker wirken als CO2. Staudämme können die Eutrophierung verschärfen, was zu noch höheren Treibhausgasemissionen führen kann.
Tom Battin, Leiter des EPFL-River Ecosystems Laboratory (RIVER).© Alain Herzog
Ein neues Flussbeobachtungssystem
Die Autorinnen und Autoren schliessen ihren Artikel mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit eines globalen Flussbeobachtungssystems (RIOS), um die Rolle der Flüsse für den globalen Kohlenstoffkreislauf besser quantifizieren und vorhersagen zu können. RIOS wird Daten von Sensornetzwerken in den Flüssen und Satellitenbilder mit mathematischen Modellen integrieren, um Kohlenstoffflüsse im Zusammenhang mit dem Stoffwechsel von Flussökosystemen nahezu in Echtzeit zu generieren. «Dadurch würde RIOS als Diagnoseinstrument dienen, das es uns ermöglicht, den ‹Puls› von Flussökosystemen zu fühlen und auf menschliche Störungen zu reagieren», sagt Battin. «Flussnetzwerke sind vergleichbar mit unseren Gefässsystemen, die wir zu Gesundheitszwecken überwachen. Es ist jetzt an der Zeit, die Gesundheit der weltweiten Flussnetze zu überwachen.» Die Botschaft könnte nicht klarer sein.