Krebsüberwachung mit Licht
Medizinfachleute untersuchen zur Diagnostik Körperflüssigkeiten ihrer Patientinnen und Patienten wie Blut, Urin, Speichel oder Nasenabstriche. Denn Substanzen in solchen Bioflüssigkeiten können wichtige Informationen über den Gesundheitszustand liefern. Biosensoren sind neue Geräte, die solche Bioproben analysieren und nach Substanzen suchen können, die auf eine Krankheit hinweisen. COVID-19-Tests sind die aktuellsten Beispiele für Biosensoren. Sie können aus Körperflüssigkeiten verschiedene Substanzen nachweisen, z. B. die Biomoleküle auf der Oberfläche des Virus (Proteine), virales genetisches Material (RNA/DNA) oder auch die Immunantwort des Körpers auf das Virus (Antikörper). Diese biologischen Substanzen, die das Vorhandensein einer Krankheit markieren können, werden als Biomarker bezeichnet.
Die Zahl der Krebserkrankungen nimmt zu
In dieser Hinsicht sind Biosensoren für die Gesundheitsversorgung von entscheidender Bedeutung, da sie das Management von Infektionskrankheiten zur Verhinderung von Pandemien und die Diagnose von lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs unterstützen. Als zweithäufigste Todesursache weltweit ist Krebs für mehr als 9 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, und diese Zahl steigt weiter an. «Eine frühe Diagnose ist oft mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Heilung, einer vollständigen Genesung und einer höheren Lebensqualität für einen Krebspatienten verbunden. Daher ist der Zugang zu zuverlässigen Biosensoren für die Krebsfrüherkennung und die Überwachung der Behandlung extrem wichtig», sagt Hatice Altug, Leiterin des Bionanophotonic Systems Laboratory der Fakultät für Ingenieurwissenschaften.
Eine einzige Farbe des Lichts
Um einen signifikanten Einfluss auf die Gesellschaft zu haben, müssen Biosensoren schnell, kostengünstig, einfach zu bedienen, kompakt und autonom sein, damit sie bequem von medizinischem Personal sowie von Kranken selbst eingesetzt werden können. Optische Techniken sind leistungsstarke Ansätze, die für die Biosensorik ausserordentlich überzeugend sind: «Die meisten optischen Biosensoren benötigen eine grosse Bandbreite an Lichtfarben, wie einen Regenbogen, um zuverlässig zu funktionieren. Diese Tatsache erfordert die Implementierung von sperrigen, teuren und hochentwickelten Instrumenten wie Spektrometern, um die präzisesten Daten aus jeder Farbe des Lichtspektrums zu extrahieren, was den weit verbreiteten Einsatz von optischen Biosensoren einschränkt», sagt Doktorandin Yasaman Jahani. Um dieses Problem anzugehen, haben die EPFL-Wissenschaftlerinnen ein neuartiges Konzept vorgestellt, das es ermöglicht, mit einem einfachen bildgebenden Detektor nur eine einzige Farbe des Lichts zu verwenden. Dennoch liefert dieses System hochpräzise Informationen für die Biosensorik, als ob die Sensoren mit dem gesamten Regenbogen beleuchtet würden.
Nanophotonik und Datenwissenschaft
Die neue Methode nutzt zwei clevere Tricks: Nanophotonik und Data-Science-Techniken. Die für die Biosensorik verwendeten optischen Chips bestehen aus Nanostrukturen aus Silizium. Dieses Material, das die Mikroelektronikindustrie revolutioniert hat, spielt nun eine Schlüsselrolle in der Nanophotonik. Die nanostrukturierten Siliziumoberflächen mit Merkmalen in der Grössenordnung von 100 nm fangen das Licht an der Grenzfläche Bioprobe/Chip effizient ein: «Das macht den Biosensor sehr empfindlich für das Vorhandensein der Biomarker, was zu deutlichen Veränderungen der einfallenden Lichtmerkmale führt. Im Gerät ist dieses Merkmal die Veränderung der "Menge" des gesammelten Lichts, die als Lichtintensität bezeichnet wird», sagt Yasaman Jahani. Eine spezielle Kamera empfängt kontinuierlich das Licht, das den Biochip durchläuft, um Serien von Bildern des Biochips mit Intensitätsinformationen auf Millionen von Bildpunkten zu erfassen. «Wenn die Biomarker an die Biochip-Nanostrukturen binden, werden aus der induzierten Intensitätsänderung jedes Pixels Intensitätsänderungsbilder mit sehr hoher Auflösung erstellt», fügt die Professorin hinzu.
Das Licht des Regenbogens
In Anbetracht der Tatsache, dass das Signal eines einzelnen Pixels verrauscht und trügerisch sein kann, verwendeten die Forschenden eine Data-Science-Technik in Kombination mit einer vorab aufgezeichneten Performance Map, um die Intensitätsinformationen dieser grossen Anzahl von Pixeln intelligent zu verarbeiten, indem sie die Effizienz jedes einzelnen Pixels berücksichtigen und seinen Beitrag zur endgültigen Auslesung in einer kollektiven Weise anpassen. «Im täglichen Leben ist dieser Prozess so, als ob man eine solide Schlussfolgerung aus dem Input einer Gruppe von Fachleuten zieht, indem man ihr Wissen auf dem Gebiet sorgfältig abwägt, anstatt sich einfach auf sie zu verlassen. Dies hilft, die Schlussfolgerung zu verfeinern, indem so die Auswikungen von möglicherweise ungenauen Informationen einer Person minimiert werden», sagt Hatice Altug. Auf diese Weise waren die Forschenden in der Lage, ein einziges Farblicht zu verwenden und dennoch sehr robuste Biosensor-Ergebnisse zu erhalten, die denen eines Regenbogens ähneln, während sie gleichzeitig auf anspruchsvolle, sperrige und teure Instrumente verzichten konnten.
Überwachung von Krebs-Exosomen
Als Demonstration setzten die Wissenschaftlerinnen den neuen Biosensor für die Krebsdiagnostik ein, indem sie Tumorexosomen nachwiesen, die Biomarker für Krebs im Frühstadium sind. Tumorexosomen zirkulieren in Körperflüssigkeiten als winzige Bläschen mit einem Durchmesser von etwa hundert Nanometern. Sie werden von Krebszellen abgesondert und enthalten wichtige Informationen wie die Krebsart und das Krebsstadium. «Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass vom Tumor stammende Exosomen nicht nur Abfallprodukte von Krebszellen sind, sondern vom Tumor verwendet werden, um sein Wachstum an entfernten Stellen zu erleichtern, ein oft tödlicher Prozess, der als Metastasierung bezeichnet wird», sagt Michele De Palma, der an der Studie mitwirkte. Der bildgebungsbasierte Biosensor der EPFL kann die Exosomen von Brustkrebs in Echtzeit über einen weiten Erfassungsbereich überwachen, der sowohl für gesunde als auch für kranke Menschen klinisch relevant ist.
Die Forschenden glauben, dass ihre Methode einzigartige Möglichkeiten für hochzuverlässige, kompakte und kostengünstige Sensorgeräte in der Zukunft bietet, insbesondere wenn sie weiter mit künstlicher Intelligenz kombiniert werden. Es ist anzunehmen, dass solche Gesundheitsüberwachungsgeräte ein wesentlicher Bestandteil von Gesundheitsnetzwerken der nächsten Generation sein werden, um Wohlbefinden und Sicherheit zu verbessern.