Der subtile Tanz der Entwicklungsgene

Mit Hilfe der CRISPR-Technologie haben Forschende der EPFL und der Universität Genf den komplexen Tanz der an der Embryonalentwicklung beteiligten Gene aufgedeckt.
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Die rasanten wissenschaftlichen Fortschritte, die auf die Entschlüsselung des menschlichen Genoms folgten, haben gezeigt, wie unglaublich komplex die Welt der Genetik ist. Wir wissen heute, dass Proteine nicht nur die Produkte von Genen sind, sondern dass sie auch mit Genen interagieren und den Rhythmus ihrer Expression beeinflussen und regulieren. Ein typisches Beispiel hierfür sind Transkriptionsfaktoren, die die Abschrift von Genen von der DNA in mRNA einleiten – der erste Schritt zur Herstellung eines Proteins.

Aber woher wissen die Gene, wann sie sich einschalten, was sie herstellen und wann sie aufhören sollen? Wie arbeiten sie als Teil einer komplizierten molekularen Maschinerie, ohne mit anderen Genen in der Nähe verwechselt zu werden? Dies sind die Fragen, die einer neuen Studie von Professor Denis Duboule zugrunde liegen, der Forschungsgruppen an der EPFL und der Universität Genf leitet. Ihre Arbeit wurde jetzt in der Zeitschrift Genes & Development veröffentlicht.

Rita Amandio, Leo Beccari und ihre Kolleginnen und Kollegen aus diesem Labor interessierten sich für ein bestimmtes Zinkfingerprotein, das als CTCF bekannt und darum besonders ist, weil es ein Multifunktionsprotein ist, das je nach den Bedürfnissen der Zelle die Gentranskription einschalten oder unterdrücken kann.

«Die Vielfalt der entdeckten Aufgaben dieser CTCF-Stellen könnte ihre erstaunliche evolutionäre Erhaltung in den Hox-Clustern aller Wirbeltiere erklären.»      Denis Duboule & Team

Auf dem Genom gibt es bestimmte Stellen, an die CTCF binden kann und die eine wichtige Rolle bei der Verpackung der DNA im Zellkern als Chromatin spielen. Was die Forschenden jedoch interessierte, war, dass CTCF und seine Bindungsstellen auch die Kommunikation zwischen kurzen DNA-Sequenzen, den so genannten Genpromotoren und Genverstärkern, blockieren können. Enhancer sind Stellen, an denen Aktivatorproteine binden, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ein Gen transkribiert wird; Promotoren sind Stellen, an denen Transkriptionsfaktoren binden, um den Prozess in Gang zu setzen.

Die Forschenden verwendeten eine auf der CRISPR/Cas9-Technologie basierende Strategie zur Unterbrechung von fünf zusammenhängenden Stellen, an denen CTCFs im Genom binden, um die Aktivierung einer als HoxD-Cluster bekannten Genfamilie zu steuern. Diese Gene kodieren Proteine, die für die Organisation der Strukturen während der Entwicklung des Säugetierembryos wichtig sind. Die Transkriptionsfaktoren sind ausserdem hoch konserviert, was bedeutet, dass sie sich zwischen den Wirbeltierarten nicht wesentlich unterscheiden.

Die Studie zeigte, dass CTCF-Bindungsstellen innerhalb von Hox-Clustern notwendig sind, damit Enhancer die richtigen Untergruppen von Zielgenen auswählen können, insbesondere wenn diese Enhancer weit entfernt sind und sich nicht in der Nähe ihrer Zielgene befinden.

Angesichts der Doppelfunktion von CTCF fördern jedoch nicht alle seine Bindungsstellen die Genaktivierung, und einige haben eine hemmende Wirkung auf die Gentranskription, so das Ergebnis der Studie. Die beiden Funktionen scheinen von der Art des Gewebes abzuhängen, in dem die Gene aktiv sind, was bedeutet, dass einige CTCF-Bindungsstellen in verschiedenen Geweben entgegengesetzte Aktivitäten aufweisen können.

Die Studie ergab, dass CTCF-Stellen innerhalb des Hox-Clusters zwar mehrere Funktionen erfüllen, aber alle zusammen zur Bildung einer so genannten «TAD-Grenze» beitragen (TAD steht für «topologically associated domain»). Dabei handelt es sich um eine definierte Region im Genom, in der Gene miteinander interagieren können, was dazu beiträgt, die enorme Komplexität des «genetischen Tanzes» zu organisieren.

«Die Vielfalt der entdeckten Aufgaben dieser CTCF-Stellen könnte ihre erstaunliche evolutionäre Erhaltung in den Hox-Clustern aller Wirbeltiere erklären», schlussfolgern die Autorinnen und Autoren.