Duschwasser doppelt nutzen
Abwasser ist nicht einfach Dreck, den es möglichst diskret zu entsorgen gilt. «Es steckt voller Ressourcen, die sich nutzen lassen», sagt Bruno Hadengue, «deshalb werden Abwasserreinigungsanlagen immer mehr Teil einer Kreislaufwirtschaft.» Hadengue forscht an der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft der Eawag und hat soeben erfolgreich seine Doktorarbeit abgeschlossen. Im Rahmen dieser Dissertation hat er sich mit der Nutzung von Abwasser als Wärmequelle befasst. Aus gutem Grund: Rund 15 Prozent des gesamten Energieverbrauchs eines Gebäudes werden zur Produktion von Warmwasser aufgewendet – und landen schliesslich im Abwasser.
Abwasser als Wärmequelle immer wichtiger
In einigen Abwasserreinigungsanlagen (ARA) wird dem Schmutzwasser schon länger Wärme entzogen und in ein Fernwärmenetz eingespeist. Zum Beispiel in der ARA Werdhölzli der Stadt Zürich. Künftig soll die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle weiter an Bedeutung gewinnen: Der Verband Fernwärme Schweiz schätzt den Anteil von ARA am gesamten Potenzial erneuerbaren Fernwärmequellen auf 11 Prozent.
Nicht unter 10°C
In einer soeben in der Fachzeitschrift «Water Research» erschienen Studie gehen Bruno Hadengue und seine Koautorinnen und -autoren der Frage nach, wo dem Abwasser zwischen den Sanitäranlagen in Gebäuden und der ARA idealerweise Wärme entzogen wird. Die Frage ist von Bedeutung, weil sich allzu stark abgekühltes Wasser negativ auf die biologischen Abbauprozesse in der ARA auswirken kann. Darum ist die Wärmerückgewinnung aus Abwasser in der Schweiz nur zulässig, wenn es nicht auf unter 10°C abgekühlt wird. Eine Einschränkung, die naturgemäss im Winter zum Problem werden kann.
Messdaten aus Abwassernetz von Fehraltorf
Für seine Studie hat Bruno Hadengue eine Kette von Modellen entwickelt, mit der sich thermo-hydraulische Simulationen von Haushalten, privaten Hausanschlüssen und des öffentlichen Abwassernetzes durchführen lassen. Anhand von realen Daten aus dem Abwassernetz von Fehraltorf, die im Rahmen des Eawag-Projekts Urban Water Observatory (UWO) erhoben werden, haben die Forschenden anschliessend ein Referenzszenario erstellt. Mit diesem wurden die simulierten Szenarien verglichen. «Unser Ziel ist, die Konsequenzen von alternativen Energietechnologien auf das Abwassersystem zu bewerten», erklärt Bruno Hadengue, «längerfristig wollen wir aufzeigen, was genau im System an welcher Stelle passiert, wenn Wärme zurückgewonnen wird.»
Unwesentliche Auswirkungen
Die bereits jetzt vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind klar: Anwendungen, die im Hausinneren Wärme rückgewinnen, zum Beispiel aus einer Duschrinne (u.a. das kommerziell bereits erhältliche System Joulia), wirken sich nur unwesentlich auf die Temperatur des Abwassers aus. Direkt in Kanalisationsleitungen installierte Anlagen hingegen schon. Solche Installationen zur Wärmerückgewinnung kommen dort zum Einsatz, wo die Kanalisation in der Nähe eines Fernwärmenetzes verläuft. So lassen sich verlustreiche Transportwege vermeiden.
Verluste im privaten Abwassersystem verringern
Grund für das gute Abschneiden der Wärmerückgewinnung im Hausinnern sind die Hausanschlüsse, also der private Teil des Kanalisationsnetzes bis zu den grösseren Leitungen auf öffentlichem Grund. Auf diesen Abschnitten geht viel Energie verloren, denn hier ist das Abwasser noch warm und die Rohre haben zumeist ungünstige Dimensionen. Die Hausanschlüsse spielen daher im gesamten Abwassersystem eine grosse Rolle. Wird die Energie hingegen bereits im Haushalt zurückgewonnen, verlässt das Abwasser das Haus mit tieferen Temperaturen. Entsprechend kleiner sind die Energieverluste in den Hausanschlüssen.
Eawag Direktionsmitglied Tove Larsen hat die Studie zusammen mit Frank Blumensaat betreut und ist Koautorin. Sie betont die Relevanz der neuen Erkenntnisse für die Praxis: «Wir wissen nun, dass Energierückgewinnung aus Abwasser mit Vorteil direkt im Haushalt stattfinden sollte oder dann nach der Reinigung in der ARA. Dadurch werden mögliche negative Auswirkungen auf die Abwasserreinigungsanlage minimiert.»
Die Studie wurde im Rahmen des Kompetenzzentrums für Energieforschung (SCCER) unterstützt von InnoSuisse.