Quantenzustände von Molekülen mit Hilfe von Gold untersucht

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL haben herausgefunden, wie Quanteninterferenz und Symmetrie das Verhalten von Molekülen bei Zusammenstössen mit Goldoberflächen diktieren, was neue Einblicke in molekulare Wechselwirkungen ermöglicht. Die Erkenntnisse können wichtige Auswirkungen auf die Chemie und die Materialwissenschaften haben.
Die Vakuumkammer während eines Streuungsexperiments. Der Detektor (grau) und die Au(111)-Goldoberfläche (gelb). Die Linien zeigen den Weg des gestreuten Molekularstrahls. Kredit: C. Reilly (EPFL)

Wenn Moleküle mit Oberflächen zusammenstoßen, findet ein komplexer Energieaustausch zwischen dem Molekül und den Atomen, aus denen die Oberfläche besteht, statt. Doch hinter dieser schwindelerregenden Komplexität verbirgt sich die Quantenmechanik, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, und die den Prozess steuert.

Vor allem die Quanteninterferenz spielt eine Schlüsselrolle. Sie tritt auf, wenn sich verschiedene Wege, die ein Molekül einschlagen kann, überschneiden, was zu spezifischen Interaktionsmustern führt: Einige Wege verstärken sich gegenseitig, während andere sich völlig aufheben. Dieser «Wellentanz» beeinflusst, wie Moleküle Energie und Impuls mit Oberflächen austauschen und wie effizient sie letztlich reagieren.

Bislang war es jedoch nahezu unmöglich, Quanteninterferenzen bei Oberflächenkollisionen mit schwereren Molekülen wie Methan (CH4) zu beobachten, da das System auf dem Weg zu den verschiedenen Kollisionsergebnissen eine überwältigende Anzahl von Wegen einschlagen kann. Viele Forschende haben sich sogar gefragt, ob sich alle Quanteneffekte bei diesen Prozessen immer «auswaschen» würden, so dass die einfacheren Gesetze der klassischen Physik, die für alltägliche, «makroskopische» Objekte gelten, ausreichen könnten, um sie zu beschreiben.

Um die Quanteninterferenz bei Oberflächenkollisionen von Methan zu beobachten, haben Forschende der Gruppe von Rainer Beck an der EPFL zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und den Vereinigten Staaten eine Methode entwickelt, um die Komplexität zu durchbrechen. Sie stimmten Methanmoleküle auf bestimmte Quantenzustände ab, streuten sie von einer Goldoberfläche (Au) und massen ihre Zustände nach der Kollision.

Die Ergebnisse, die in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurden, zeigen klare Muster von Quanteninterferenzen, die Annahmen über das Verhalten von Molekülen in Frage stellen und neue Wege zur Untersuchung dieser Wechselwirkungen eröffnen.

Goldrausch

Das Team verwendete nicht irgendein Stück Gold als Streuoberfläche, sondern eine sorgfältig gezüchtete Goldprobe, die perfekt kristallin ist und dann entlang einer speziellen Richtung geschnitten wurde, um eine Oberfläche namens «Au(111)" zu erhalten, die atomar glatt und chemisch inert ist. Außerdem wurde die Oberfläche während der Experimente im Ultrahochvakuum gehalten, um eine Verunreinigung durch Gaspartikel zu verhindern, die unter normalen Umgebungsbedingungen vorhanden sind.

Die aussergewöhnliche Ebenheit und Sauberkeit der Au(111)-Oberfläche gewährleistete, dass das beobachtete Streuverhalten auf fundamentale Quantenwellenaspekte und nicht auf zufällige Oberflächenunregelmäßigkeiten oder Verunreinigungen zurückzuführen war, so dass sich das Team ausschließlich auf Interferenzeffekte konzentrieren konnte.

Laser-Fokus

Die Forschenden nutzten dann eine laserbasierte Technik, um die Quantenzustände der Methanmoleküle genau zu kontrollieren, bevor sie mit der Goldoberfläche zusammenstiessen, und die Quantenzustände zu messen, die die Moleküle nach dem Zusammenstoß einnahmen. Methanmoleküle existieren von Natur aus in einer Mischung aus verschiedenen Energiezuständen, was bedeutet, dass ihre internen Schwingungen und Rotationen variieren. Um sicherzustellen, dass sich alle Moleküle in demselben wohldefinierten Quantenzustand befinden, feuerten die Forschenden zunächst einen Pumplaser auf einen Strahl von Methanmolekülen und regten sie so in einen wohldefinierten Quantenzustand an.

Dann richteten sie den Strahl der Methanmoleküle auf eine unberührte Au(111)-Oberfläche, wo sie zusammenstiessen und gestreut wurden. Nach der Kollision beschoss das Team die gestreuten Moleküle mit einem auf bestimmte Energieniveaus abgestimmten Markierungslaser. Befand sich ein Molekül in einem passenden Quantenzustand, absorbierte es die Energie des Lasers, was zu einer winzigen Temperaturänderung der streuenden Moleküle führte, die die Forscher mit einem hochempfindlichen Detektor, dem Bolometer, messen konnten.

Quanteninterferenz aufgedeckt

Die Wissenschaftlerinnen nutzten diese Methode, um herauszufinden, welche Quantenzustände die Methanmoleküle nach dem Zusammenstoss mit der Goldoberfläche einnahmen. Als sie ihre Ergebnisse mit der Quantentheorie verglichen, stellten sie fest, dass die Symmetrie vorgibt, welche Übergänge erlaubt und welche verboten sind.

Vereinfacht ausgedrückt, beschreibt Symmetrie, wie etwas gleich bleibt, wenn es gespiegelt, gedreht oder umgedreht wird. In der Quantenwelt hat jeder Zustand eines Moleküls eine bestimmte Symmetrie, und die Übergänge zwischen den Zuständen müssen strengen Symmetrievorschriften folgen.

Hätten zwei Zustände eines Methanmoleküls eine unvereinbare Symmetrie, dann würden sich die unterschiedlichen Wege zwischen diesen beiden Zuständen gegenseitig aufheben. In diesem Fall fand der Übergang einfach nicht statt – wie der Versuch, durch eine Tür zu gehen, die zu einer Mauer führt. Wenn die Zustände jedoch eine kompatible Symmetrie aufwiesen, verstärkten sich die Wege gegenseitig und die Übergänge waren stark und deutlich sichtbar – wie Türen, die sich zwischen Räumen ausrichten und eine reibungslose Bewegung ermöglichen. Dies bestätigte, dass Quanteninterferenz nicht nur ein abstraktes Konzept ist, sondern das molekulare Verhalten an Oberflächen aktiv steuert.

Die Doppelspaltverbindung

In ihrer Arbeit ziehen die Autoren eine elegante Analogie zum berühmten Doppelspaltexperiment, bei dem Teilchen wie Elektronen Interferenzmuster erzeugen, wenn sie durch zwei Schlitze hindurchgehen und sich wie Wellen verhalten, so wie hier Methanmoleküle Interferenz zeigten (siehe Bild).

Die Studie deckt insbesondere eine neue Form der Quanteninterferenz bei der Molekülstreuung auf. Im Gegensatz zu der bekannteren «diffraktiven» Interferenz, die sich auf die Streuwinkel auswirkt (wie beim Doppelspaltexperiment), beeinflusste die Interferenz hier die Rotations- und Vibrationszustände der Methanmoleküle, wobei einige Übergänge unterdrückt und andere verstärkt wurden.

Die Forschungsarbeiten zeigen – 100 Jahre nach dem Aufkommen der Quantenmechanik – eines der deutlichsten Beispiele für Quantenwelleneffekte bei Molekül-Oberflächen-Wechselwirkungen und ebnen den Weg für Fortschritte in der Oberflächenchemie, für sauberere Energiekatalysatoren und effiziente industrielle Prozesse. Sie bieten auch einen neuen Rahmen für die Erforschung molekularer Wechselwirkungen sowohl in den Grundlagen als auch in den angewandten Wissenschaften.

Almost 100 years after physicists Clint Davisson and Lester Germer at Western Electric first announced their observation of interference effects associated with the wave nature of the electron (1927), a new study shows a novel form of interference in the scattering of methane molecules from a metal surface. Whereas in Davisson and Germer’s experiment the effects of interference appear in the form of preferred angles of scattering, the interference effects observed in this study, which relate to the methane molecules’ rotational and vibrational motion, appear in the form of preferred absorption of specific wavelengths of light by the scattered molecules. Credit: Christopher Reilly (EPFL)

Fast 100 Jahre nachdem die Physiker Clint Davisson und Lester Germer von Western Electric erstmals ihre Beobachtung von Interferenzeffekten im Zusammenhang mit der Wellennatur des Elektrons (1927) bekannt gaben, zeigt eine neue Studie eine neue Form der Interferenz bei der Streuung von Methanmolekülen an einer Metalloberfläche. Während im Experiment von Davisson und Germer die Interferenzeffekte in Form von bevorzugten Streuwinkeln auftreten, zeigen sich die in dieser Studie beobachteten Interferenzeffekte, die mit der Rotations- und Vibrationsbewegung der Methanmoleküle zusammenhängen, in Form einer bevorzugten Absorption bestimmter Wellenlängen des Lichts durch die gestreuten Moleküle. Kredit: Christopher Reilly (EPFL).

Weitere Informationen

Weitere Mitwirkende

  • Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Wissenschaften
  • Universität von New Mexico

Finanzierung

  • Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF)
  • U.S. Nationale Wissenschaftsstiftung

Referenzen

Reilly, C. S., Auerbach, D. J., Zhang, L., Guo, H., & Beck, R. D. (2025), Quantum interference observed in state-resolved molecule-surface scattering, Science 28 February 2025