Die Stickstoffentfernung aus dem Abwasser optimieren
Viele Schweizer Gewässer sind nach wie vor überdüngt. Zu hohe Stickstoffmengen beinträchtigen nicht nur die Trinkwasserqualität und damit die menschliche Gesundheit, sondern wirken sich auch negativ auf die Artenvielfalt aus. Der grösste Teil der Stickstoffeinträge in die Gewässer stammt aus der Landwirtschaft, ein Teil aber auch aus Kläranlagen. Entsprechend den Vorgaben der Gewässerschutzverordnung entfernen Kläranlagen derzeit rund die Hälfte des Stickstoffs aus dem Abwasser. Um die Stickstoffeinträge in Gewässer zu reduzieren, sollen diese Vorgaben in den nächsten Jahren verschärft werden. Die Stickentfernung aus dem Faulwasser mit dem von der Eawag mitentwickelten Anammox-Verfahren könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um die strengeren Vorgaben zu erreichen.
Das Faulwasser entsteht bei der Behandlung des Schlamms, der sich während der Reinigung des Abwassers in den verschiedenen Klärbecken absetzt. Während der entwässerte Schlamm verbrannt wird, gelangt das Faulwasser, welches viel Stickstoff in Form von Ammonium enthält, wieder zurück in die Kläranlage. Wird das Ammonium aus dem Faulwasser entfernt, reduziert das auch die Stickstoffbelastung des gereinigten Abwassers.
Erst vor kurzem entdeckte Bakterien
In den letzten Jahren haben daher eine Reihe von Schweizer Kläranlagen das so genannte Anammox-Verfahren zur Behandlung des Faulwassers eingeführt. Anammox steht für anaerobe Ammoniumoxidation, das heisst die Umwandlung von Ammonium ohne Sauerstoff zu elementarem Stickstoff. Die Bakterien, die das können, wurden erst in den 1990er Jahren entdeckt.
Zuvor kannte man nur Bakterien, die für diesen Umwandlungsprozess Sauerstoff benötigen. Diese aeroben Bakterien bilden nach wie vor die Basis der Stickstoffentfernung in der biologischen Reinigungsstufe der Kläranlagen, indem sie das im Abwasser enthaltene Ammonium und Nitrat in gasförmigen, elementaren Stickstoff umwandeln, der unproblematisch ist und in die Luft entweicht (siehe Grafik unten links). Will man die Stickstoffentfernung mit Hilfe dieses Prozesses in einer Kläranlage verbessern, muss man in der Regel die Becken für die biologische Reinigung vergrössern. Aber nicht in allen Kläranlagen hat es dafür ausreichend Platz. Dann kann man alternativ beim Faulwasser ansetzen und es mit dem Anammox-Verfahren behandeln, um die Stickstofffracht zu reduzieren. Bei diesem Verfahren, das dank der neu entdeckten Bakterien entwickelt werden konnte, wird ebenfalls Ammonium in elementaren Stickstoff umgewandelt, allerdings im zweiten Schritt ohne Sauerstoff.
Geringerer Energie- und Ressourcenaufwand
Das Anammox-Verfahren bietet einige Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Verfahren zur Stickstoffentfernung. So muss weniger Sauerstoff eingeblasen werden, was den Energieaufwand deutlich reduziert. Ausserdem brauchen die Anammox-Bakterien keinen organischen Kohlenstoff zum Wachsen. Der im Abwasser enthaltene Kohlenstoff kann stattdessen zur Produktion von Biogas genutzt werden – auch das wirkt sich vorteilhaft auf die Energiebilanz der Kläranlage aus.
In den letzten 15 Jahren wurden daher mehrere Schweizer Kläranlagen mit dem Anammox-Verfahren für die Stickstoffentfernung aus Faulwasser ausgerüstet. Allerdings zeigte sich nach einiger Zeit, dass das Verfahren bei etwa einem Drittel der Anlagen noch nicht stabil und zuverlässig funktioniert und daher die gewünschte Leistung nicht erreicht. Woran das liegt, hat ein Team von Ingenieuren unter der Leitung von Adriano Joss, Gruppenleiter in der Abteilung Verfahrenstechnik der Eawag, nun eingehend untersucht und darauf aufbauend das Verfahren optimiert. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Aqua & Gas veröffentlicht.
Optimierung des Verfahrens durch Aufteilung in zwei Reaktoren
«Wir haben festgestellt, dass die Probleme mit der Grösse der Anlage zusammenhängen», erläutert Adriano Joss. Obwohl der erste Reaktionsschritt mit Sauerstoff, der zweite ohne Sauerstoff abläuft, wurden die bestehenden Anlagen als ein Reaktor konzipiert, in welchem beide Schritte ablaufen. «Das funktioniert, weil die anaeroben Anammox-Bakterien in grösseren Flocken wachsen», so Joss. «Selbst, wenn im Reaktor Sauerstoff vorhanden ist, können daher im Inneren der Flocken anaerobe Bedingungen herrschen und damit die Anammox-Bakterien arbeiten.» Je grösser der Reaktor, desto weniger gut lässt sich allerdings die Sauerstoffkonzentration überall homogen auf dem gewünschten Niveau halten. Ist stellenweise zu viel Sauerstoff im System, wachsen jedoch Bakterien, die das erwünschte Reaktionsprodukt Nitrit zu Nitrat oxidieren und damit den Anammox-Prozess blockieren. Ausschalten lassen sich diese Konkurrenten, wenn man die beiden Reaktionsschritte des Anammox-Prozesses auf zwei Reaktoren aufteilt. Im ersten Reaktor können dann die Bedingungen so optimiert werden, dass keine Nitrat-bildenden Konkurrenten wachsen können. «So wird zum Beispiel der sich bildende Bakerienschlamm häufig erneuert», erläutert Joss. Grund dafür ist, dass die unerwünschten Bakterien langsamer wachsen als die erwünschten und so in Schach gehalten werden können. Im zweiten Reaktor können dann die Bedingungen für den zweiten Reaktionsschritt optimiert werden: wenig Sauerstoff und – wegen der langsam wachsenden Anammox-Bakterien – ein möglichst seltenes Auswaschen des Bakterienschlammes.
Weniger Stickstoff im gereinigten Abwasser
In drei Kläranlagen sollen in nächster Zeit Anammox-Reaktoren mit dem optimierten Verfahren integriert werden. Damit lassen sich die Stickstoff-Austräge aus der Kläranlage um rund 10 Prozent reduzieren.
Adriano Joss und sein Team forschen ausserdem bereits am nächsten Schritt und untersuchen in Labor- und Pilotanlagen, ob sich das Anammox-Verfahren auch anstelle der heutigen biologischen Reinigung des Abwassers mit Sauerstoff einsetzen liesse. Falls der Stickstoffabbau auch dort ausreichend stabil funktioniert, könnten Kläranlagen dank niedrigerem Energieaufwand und gleichzeitig höherer Biogasproduktion energieautark werden.