Tumore mithilfe einer Kamera lokalisieren
Vor einigen Jahren stellte Edoardo Charbon, EPFL-Professor und Leiter des Advanced Quantum Architecture Laboratory, eine neue Ultra-Hochleistungskamera namens SwissSPAD2 vor. Sein Gerät war das erste, das die kleinste Form von Lichtteilchen, das Photon, erfassen und zählen konnte. Sie kann auch 3D-Bilder erzeugen und die Tiefenschärfe berechnen, indem sie die Zeit misst, die ein Photon braucht, um von der Kamera zu einem Objekt zu gelangen.
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Seitdem hat Charbon seine Erfindung noch weiter verbessert. Er schickte sie an einen Kollegen am Dartmouth College in New Hampshire, damit sie gemeinsam an der Technologie arbeiten konnten. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Tumore in menschlichem Gewebe zu fotografieren, zu identifizieren und zu lokalisieren.
Claudio Bruschini und Edoardo Charbon © Alain Herzog 2021 EPFL
Um dies zu erreichen, projizierten die Forschenden ein rotes Laserlicht zur gleichen Zeit, als die Kamera das Bild aufnahm. «Diese Farbe ermöglicht es uns, tief in das Gewebe einzudringen», erklärt Edoardo Charbon. Zusätzlich injizierten sie ein fluoreszierendes Kontrastmittel, das nur am Tumorgewebe haftet.
Eine Verzögerung von weniger als einer Nanosekunde
Wenn die roten Lichtteilchen einen Tumor erreichen, verhalten sie sich etwas anders, als wenn sie gesundes Gewebe durchdringen. Genauer gesagt, brauchen sie länger, um zu dem Punkt zurückzukehren, von dem aus sie ausgesandt wurden. Dieser Zeitunterschied liefert den Forschenden die Informationen, die sie benötigen, um den Tumor zu rekonstruieren: «Die Verzögerung beträgt weniger als eine Nanosekunde, aber sie reicht aus, um ein 2D- oder 3D-Bild zu erzeugen», erklärt Charbon. Dank dieses Ansatzes kann ihr neues System die Form eines Tumors, einschliesslich seiner Dicke, genau erkennen und ihn im Körper einer Patientin oder eines Patienten lokalisieren. Die Zeitverzögerung ist darauf zurückzuführen, dass rotes Licht, wenn es mit einem Tumor in Berührung kommt, einen Teil seiner Energie verliert: «Je tiefer das Licht in einen Tumor vordringt, desto mehr Zeit benötigt es, um zurückzukehren. Das ermöglicht es uns, ein dreidimensionales Bild zu erstellen», sagt Charbon. Bislang mussten sich die Forschenden entscheiden, ob sie die Tiefe oder die Lage eines Tumors bestimmen wollten. Aber mit dieser neuen Technologie können sie beides haben.
Heute können Chirurginnen und Chirurgen mit Hilfe der MRT einen Tumor lokalisieren – aber sobald sie im Operationssaal sind, wird die Aufgabe viel schwieriger. Charbons Technologie soll ihnen bei der heiklen Aufgabe der Tumorentfernung helfen: «Mit den von unserem System erzeugten Bildern können sie sicherstellen, dass sie das gesamte Krebsgewebe entfernt haben und keine kleinen Stücke zurückbleiben», sagt Claudio Bruschini, ein Wissenschaftler in Charbons Labor. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Optica veröffentlicht und könnten auch in der medizinischen Bildgebung, Mikroskopie und Metrologie eingesetzt werden.