Neue Immuntherapie-Methode wird gezielt im Tumor aktiviert
Immuntherapeutika sind vielversprechende neue Waffen im Kampf gegen Krebs, aber sie sind so stark, dass sie für den Rest des menschlichen Körpers giftig sein können. Die Grundidee der Immuntherapie ist einfach. Ärzte injizieren den Kranken spezielle Medikamente, vor allem Proteine wie Antikörper und Zytokine, die im Labor hergestellt oder modifiziert wurden, wo sie die Immunzellen der Patientin oder des Patienten – T-Zellen, NK-Zellen usw. – aktivieren und diese Zellen bei der Bekämpfung des Tumors unterstützen. Kurz gesagt, Immuntherapie-Medikamente wirken wie ein starker Cocktail, der das eigene Immunsystem der Kranken stärkt.
«Nachdem sie von der Ärztin verschrieben wurden, werden die Immuntherapeutika intravenös verabreicht», erklärt Li Tang, Leiter des Labors für Biomaterialien für Immunoengineering an der EPFL-Fakultät für Ingenieurwissenschaften, «sobald sie im Körper sind, verteilen sie sich überall – nicht nur dort, wo sich der Tumor oder eventuelle Metastasen befinden. Das Problem ist, dass die Proteine in den Medikamenten so stark sind, dass sie gesundes Gewebe schädigen» Viele der bereits existierenden Immuntherapien haben sich in präklinischen Studien als sehr wirksam gegen Krebs erwiesen. Aber sie können oft nicht zur Rettung von Menschen eingesetzt werden, weil sie für den Rest des Körpers zu giftig sind. «Die Behandlungen, die heute bei Kranken eingesetzt werden, wurden abgeschwächt, so dass sie weniger stark sind», sagt Tang. «Das macht sie sicherer, aber auch weniger wirksam bei der Zerstörung von Tumoren. Unser Ziel ist es, die ganze Potenz der Immuntherapie zu erhalten, denn sie wird eine wichtige Behandlungsoption für Krebspatientinnen und -patienten sein.»
Tang und sein Team haben daher eine Methode entwickelt, bei der die Proteine der Immuntherapie erst dann aktiviert werden, wenn sie in das Tumorgewebe gelangen. Das EPFL-Team gehört zu den Vorkämpfenden, die diese Art von Technologie mit einem universellen chemischen Ansatz entwickelt haben: «Wir konnten dies dank unseres interdisziplinären Ansatzes erreichen», sagt Tang, «unsere Methode stützt sich auf Techniken sowohl aus der Chemie als auch aus dem Immun-Engineering.» Die Forschungsergebnisse wurden soeben in Science Advances veröffentlicht.
Eine besondere Umgebung
Yu Zhao, Postdoc in Tangs Labor, nutzte zunächst die chemischen Eigenschaften in der Umgebung von Tumoren: «Die Mikroumgebung von Tumoren unterscheidet sich vom Rest des Körpers. Der pH-Wert ist niedriger, d. h. er ist saurer, und das Reduktionspotenzial ist hoch», sagt er. Zhao nutzte diese Fakten, die den Forschenden bereits bekannt waren, um eine Art Polymerschild für die Proteinmedikamente zu entwickeln, das sie unschädlich durch den Körper wandern lässt, bis sie den Tumor erreichen.
«Um den Schutzschild zu entwickeln, habe ich zunächst stimulierende chemische Bindungen entwickelt, die sich wie kleine Haken an die Oberfläche der Proteinmoleküle heften», sagt Zhao, «dann habe ich Polymere – lange Molekülketten – genommen und sie an die Bindungen der Proteinmoleküle 'gehängt'. Sobald die Polymere an der Proteinoberfläche befestigt sind, wickeln sie sich wie ein Schutzschild um sie herum.»
Chemisch maskierte Zytokine und Antikörper, die selektiv in Tumoren aktiv werden, als sicherere Krebsimmuntherapien. © Yu Zhao 2021 EPFL
Dieser Schutzschild ist so konzipiert, dass er zusammenbricht, wenn er der einzigartigen chemischen Umgebung im Tumorgewebe ausgesetzt wird. Tang erklärt: «Chemische Reaktionen in der Mikroumgebung des Tumors brechen die Bindungen an der Proteinoberfläche auf und entfernen so den Polymerschild. Die Proteinwirkstoffe sind dann frei, um die krebsbekämpfenden Lymphozyten des oder der Betroffenen selektiv im Tumorgewebe zu aktivieren».
Es kostete Zhao mehrere Jahre Forschung und unzählige Experimente, um die richtige chemische Kombination für die neue Methode zu finden. Und es wird wahrscheinlich noch einige Jahre dauern, bis die Methode klinisch zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden kann, ebenso wie eine beträchtliche finanzielle Unterstützung.