Die Reibung zwischen den Seiten eines Buches modellieren
Alles begann mit einer wackeligen Waschmaschine. Pedro Reis, Leiter des Labors für flexible Strukturen an der EPFL-Fakultät für Ingenieurwissenschaft und Technologie, rollte ein Stück Stoff zusammen und legte es unter die Maschine, um sie an der Bewegung zu hindern. Nachdem er gesehen hatte, wie gut der aufgerollte Stoff als Schwingungsdämpfer funktionierte, kam er ins Grübeln. Er sprach mit Samuel Poincloux, einem Postdoc seines Labors, über seine Idee und sie erkannten bald, dass die Physik, die hinter der Verformung eines aufgerollten Stoffstücks steckt, nicht ganz trivial ist. Sie machten sich daran, den Prozess zu modellieren, aber angesichts all der verschiedenen beteiligten Variablen beschlossen sie, das Problem zunächst zu vereinfachen. Statt eines aufgerollten Stoffes nahmen sie ein geschichtetes Objekt mit ähnlicher Geometrie: ein Buch. «Für unsere Experimente haben wir flexible Kunststoffplatten verwendet, die wir wie die Seiten eines Buches übereinander stapelten, damit wir ihre kollektiven Eigenschaften einstellen und messen konnten», sagt Poincloux.
Biegen eines Buches
Die Ingenieure untersuchten vor allem zwei Faktoren: die Kraft, die nötig ist, um einen Plattenstapel zu biegen, und die beste Methode, um die Energie zu messen, die durch Reibung zwischen benachbarten Platten verloren geht. Um den ersten Faktor zu bewerten, entwickelten sie einen Versuchsaufbau, mit dem die gestapelten Platten gebogen und die benötigte Kraft gemessen werden konnte: «Wir dachten zunächst, dass die Kraft, die benötigt wird, um zwei Platten zu biegen, einfach doppelt so hoch ist wie die einer Platte», sagt Poincloux, «aber wir fanden heraus, dass die Gleichung bei mehreren gestapelten Platten aufgrund der Reibungswechselwirkung zwischen den Platten nicht mehr linear ist. Das bedeutet, dass der Widerstand gegen die Verformung schneller zunimmt als die Anzahl der Platten.»
Als Nächstes widmeten sie sich dem Thema Reibung: «Wir wussten, dass bei der Verformung der Platten Energie verloren geht, aber wir wollten genau messen und vorhersagen können, wie viel», sagt Poincloux. Er und Reis versuchten es zunächst mit Computermodellen, stellten aber fest, dass die meisten die Reibung in Konfigurationen mit vielen Schnittstellen nicht vollständig berücksichtigen: «Das Biegen eines Buches – oder in unserem Fall eines Stapels von Kunststoffplatten – erzeugt Reibungskräfte zwischen den einzelnen Platten. Diese Reibung kann nicht vernachlässigt werden», sagt Poincloux, «wir haben zwar einige Methoden zur Messung der Reibungsdissipation, aber kein existierendes mathematisches Modell, das wir verwenden könnten». Die EPFL-Ingenieure wandten sich daher an Basile Audoly, einen Forscher an der École Polytechnique, um auf seine Arbeit bei der Modellierung hochnachgiebiger Strukturen zurückzugreifen. Mit Hilfe einer neuen Theorie, die den Effekt der Reibung mit einbezieht, konnte das Forscherteam schliesslich die Ergebnisse ihrer Laborexperimente vorhersagen: «Unsere Arbeit könnte als Grundlage dienen, um das Verhalten von mehrschichtigen Materialien wie Graphen oder sogar von geologischen Schichten zu beschreiben», sagt Poincloux.
Die Ingenieure hoffen auch, dass ihre Entdeckung den Forschenden helfen kann, die Mechanismen der Stossdämpfung besser zu verstehen und effektivere Dämpfer, wie Matratzen und Matten, mit abstimmbarer Energiedissipation zu entwerfen.