Wie ein Bakterium zum dauerhaften Untermieter in einem Pilz wird
In Kürze
- ETH-Forschende untersuchten den Beginn einer Endosymbiose, des Zusammenlebens eines Bakteriums in einem Pilz. Dazu injizierten sie Bakterien in Zellen eines Pilzes.
- Sie beobachteten, dass sich die so implantierten Bakterien in den Wirtszellen vermehren können und an die nächste Generation weitervererbt werden.
- Die zusammenlebenden Partner passten sich aneinander an und profitierten beide.
Die Endosymbiose ist ein faszinierendes biologisches Phänomen, bei dem ein Organismus in einem anderen Organismus lebt. Eine solch ungewöhnliche Beziehung ist häufig für beide Parteien von Vorteil. Sogar in unserem Körper finden sich Überbleibsel eines solchen Zusammenlebens: Mitochondrien, die Kraftwerke in unseren Zellen, entstanden während der Evolution aus einer Endosymbiose. Vor Urzeiten gelangten Bakterien in andere Zellen. Dieses Zusammenleben legte den Grundstein für die Mitochondrien und damit die Zellen von Pflanzen, Tieren und Pilzen.
Nach wie vor schlecht verstanden ist hingegen, wie sich eine Endosymbiose als Lebensgemeinschaft überhaupt bildet. Denn ein Bakterium, das mehr oder weniger zufällig in einer ganz anderen Wirtzelle landet, hat es in der Regel schwer. Es muss überleben, sich vermehren und an die kommende Generation weitergegeben werden. Ansonsten stirbt es mit seinem Wirt aus. Und um den Wirt nicht zu schädigen, darf es nicht zu viele Nährstoffe für sich beanspruchen und nicht zu schnell wachsen. Anders gesagt: Können sich Wirt und Untermieter nicht aufeinander einlassen, endet die Beziehung.
Um den Anfang dieser speziellen Beziehung von zwei Organismen zu studieren, hat ein Team von Forschenden um Julia Vorholt, Professorin für Mikrobiologie an der ETH Zürich, eine solche Lebensgemeinschaft im Labor initiiert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachteten dabei, was genau zu Beginn einer möglichen Endosymbiose passiert. Sie veröffentlichten die Studie soeben in der Fachzeitschrift Nature.
Wohngemeinschaft erzwingen
Für diese Arbeit entwickelte Gabriel Giger, Doktorand in Vorholts Labor, zuerst ein Verfahren, um Bakterien in Zellen des Pilzes Rhizopus microsporus zu injizieren, ohne sie zu zerstören. Er verwendete dazu einerseits E. coli-Bakterien und andererseits Bakterien der Gattung Mycetohabitans. Letztere sind natürlicherweise Endosymbionten eines anderen Rhizopus-Pilzes. Für das Experiment verwendeten die Forschenden hingegen einen Stamm, der in der Natur keine Endosymbiose eingeht. Danach beobachtete Giger unter dem Mikroskop, was mit der erzwungenen Wohngemeinschaft geschah.
Nach der Injektion der Coli-Bakterien wuchsen sowohl der Pilz als auch die Bakterien weiter, letztere schliesslich so schnell, dass der Pilz eine Immunreaktion gegen die Bakterien auslöste. Der Pilz schütze sich vor den Coli-Bakterien, indem er sie einkapselte. So verhinderte er, dass die Bakterien an die nächste Pilzgeneration weitergeben wurden.
Bakterien gelangen in die Sporen
Anders bei den injizierten Mycetohabitans-Bakterien: Während der Pilz Sporen bildete, schafften es einzelne der Bakterien, in diese zu gelangen und so in die nächste Generation übertragen zu werden. «Dass die Bakterien tatsächlich über die Sporen an die nächste Pilzgeneration weitervererbt werden, war ein Durchbruch unserer Forschung», sagt Giger.
Der Doktorand liess die Sporen mit den Untermietern keimen. Dabei stellte er fest, dass sie weniger oft keimten und die Jungpilze langsamer wuchsen als bei den Sporen ohne Bakterien. «Die Endosymbiose senkte zunächst die allgemeine Fitness der betroffenen Pilze», erklärt er. Giger setzte das Experiment über mehrere Pilzgenerationen fort und wählte dabei jeweils gezielt diejenigen Pilze aus, in deren Sporen Bakterien zu finden waren. So schaffte er es, dass sich der Pilz erholte und mehr lebensfähige Sporen mit Bakterien produzierte. Wie die Forschenden mit genetischen Analysen zeigen konnten, hat sich der Pilz während dieses Experiments verändert und sich an seinen Untermieter angepasst.
Die Forschenden fanden zudem heraus, dass der Gast zusammen mit seinem Wirt biologisch aktive Moleküle produzierte, die den Wirt bei der Beschaffung von Nährstoffen und bei der Abwehr von Fressfeinden wie Fadenwürmern oder Amöben unterstützen könnten. «Aus dem anfänglichen Nachteil kann so ein Vorteil werden», betont Vorholt.
Fragile Systeme
In ihrer Studie zeigen die Forschenden auf, wie fragil frühe endosymbiotische Systeme sind. «Dass die Fitness des Wirts zunächst sinkt, könnte unter natürlichen Bedingungen das frühzeitige Aus für ein solches System bedeuten», sagt Giger. «Damit neue Endosymbiosen entstehen und sich stabilisieren, braucht es einen Vorteil für das Zusammenleben», sagt Vorholt. Voraussetzung dafür ist, dass der Gast Eigenschaften mitbringt, die die Endosymbiose begünstigen. Für den Wirt ist es eine Chance, sich auf einen Schlag durch das Einverleiben eines anderen Organismus neue Merkmale anzueignen, auch wenn es Anpassungen braucht. «In der Evolution haben Endosymbiosen gezeigt, wie erfolgreich sie letztendlich werden können», betont die ETH-Professorin.