Von Dübendorf zum Jupiter
Vibrationen, Vakuum, Strahlung und extreme Temperaturschwankungen: All dem müssen wissenschaftliche Messinstrumente für Raumsonden über Jahre hinweg standhalten können und dabei immer noch mit grösster Präzision und Zuverlässigkeit funktionieren. Kein Wunder, dass dabei jedes einzelne Bauteil höchsten Anforderungen genügen muss.
Hans Rudolf Elsener aus dem Empa-Labor für Fügetechnologie und Korrosion ist sich dieser Verantwortung bewusst. Seit rund 25 Jahren liefert er mit seinen Mitarbeitenden unterschiedliche Komponenten für Raumsonden in Zusammenarbeit mit der Universität Bern. Einige Missionen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) hatten bereits seine Komponenten an Bord, etwa die Kometensonde «Rosetta», die Merkursonde «BepiColombo» und das Weltraumteleskop «CHEOPS». Das nächste Ziel: Jupiter.
Am 13. April startet die ESA-Mission «Jupiter Icy Moons Explorer» («JUICE»). Sie soll den grössten Planeten unseres Sonnensystems, Jupiter, und seine Eismonde Ganymed, Kallisto und Europa auf- und untersuchen. Unter den elf wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde befindet sich auch ein Massenspektrometer, das an der Universität Bern entwickelt wurde. Das «Neutral Ion Mass Spectrometer» (NIM) misst die chemische Zusammensetzung der äussersten Schicht der Atmosphäre von Jupiter und seinen Monden. Im Herzen des nur 36 Zentimeter langen Instruments steckt ein Stück Empa.
Für die Forschenden der Universität Bern stellte Elseners Team an der Empa einige Komponenten für das hochpräzise Messinstrument her, darunter das sogenannte Reflektron. «Das kann man sich wie einen elektrischen Spiegel vorstellen», erklärt der Empa-Forscher. «Die eintreffenden Ionen werden durch das Anlegen eines elektrischen Feldes abgebremst und in die Gegenrichtung beschleunigt. Dadurch sind deutlich präzisere Messungen möglich.»
Auf den ersten Blick beeindruckt das Reflektron nicht sonderlich. Es besteht aus gestapelten Keramikzylindern, zwischen denen schmale Ringe aus Titan eingelassen sind. Doch der Teufel sitzt im Detail: Die Innenseiten der Keramikzylinder sind spiralförmig mit einer hochohmigen glashaltigen Metalloxidpaste beschichtet. Diese robuste Beschichtung ermöglicht das Anlegen eines starken elektrischen Feldes, das nur wenig des knappen Stroms an Bord der Raumsonde benötigt.
Präzision und Geduld
Die einzelnen Komponenten des Reflektrons wurden an der Empa zusammengelötet. Wer sich dabei einen gewöhnlichen Lötkolben vorstellt, irrt sich allerdings. Das Löten geschieht in einem Spezialofen unter Hochvakuum. Denn wäre Sauerstoff im Ofen, würde das Titan bei den hohen Temperaturen zu einem weissen Pulver oxidieren. Vor dem Löten beschichtet das Team die Komponenten, um das Lötverfahren zu optimieren.
Der gesamte Prozess wird sorgfältig dokumentiert, denn jedes Bauteil muss über sämtliche Produktionsschritte zurückverfolgbar sein – vom ersten Beschichtungsschritt bis hin zum Start der Ariane-V-Rakete von Französisch-Guyana, der für den 13. April geplant ist.
Weltraumforschung braucht auch Geduld: Die Bauteile für «JUICE» hat Elseners Team bereits 2019 fertiggestellt. Und bis dereinst die ersten Ionen aus der Jupiter-Atmosphäre durch das Reflektron sausen, dauert es noch länger: Die Umlaufbahn von Jupiter erreicht «JUICE» voraussichtlich erst im Sommer 2031 ...