Vom Zellfett zum Zellschicksal
Wie «entscheidet» eine Zelle, welche Art von Zelle sie werden soll? Die Frage des «Zellschicksals» wird nun schon seit Jahrzehnten erforscht, insbesondere im Zusammenhang mit der Stammzellbiologie, aber es gibt immer noch Lücken in unserem Verständnis. So besteht beispielsweise jeder mehrzellige Organismus aus verschiedenen Zelltypen, die bestimmte Aufgaben erfüllen, während sie alle zusammenarbeiten, um den Organismus als Ganzes zu erhalten.
Zugleich können einige Zelltypen zwischen verschiedenen Funktionen wechseln. Ein gutes Beispiel sind die Fibroblasten der Haut, die die Dermis zwischen der oberen Schicht der Epidermis und der unteren Fettschicht bilden. Fibroblasten können verschiedene Spezialisierungen annehmen, um bei der Wundheilung zu helfen, die extrazelluläre Matrix umzubauen oder sogar Fibrose zu verursachen.
Dieses komplexe System des Zellschicksals ist Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten, die sich hauptsächlich auf externe Signale aus der Mikroumgebung der Zelle konzentrieren. Im Vergleich dazu wurden mögliche «interne» Prozesse innerhalb der Zelle, die zu ihrer Spezialisierung beitragen, bisher nur wenig erforscht.
Ein Team von Forschenden unter der Leitung der Professoren Gioele La Manno und Giovanni D'Angelo von der EPFL-Fakultät für Life Sciences hat nun zum ersten Mal festgestellt, dass einer der internen Faktoren, die das Schicksal einer Zelle bestimmen, ihre Produktion von Lipiden – Fettmolekülen – ist.
Bei ihrer Arbeit mit Hautfibroblasten kombinierten die Forschenden zwei Techniken, um die Zellen in Lipid-produzierende «Profile» einzuteilen: die hochauflösende Massenspektrometrie, die es ihnen ermöglichte, die Verteilung spezifischer Lipide in jeder Zelle sichtbar zu machen, und die Einzelzell-MRNA-Sequenzierung, die es ihnen erlaubte, das Genexpressionsprofil jedes Fibroblasten zu bestimmen – eine Art Ausweis dessen, was wir «Transkriptom» nennen – und jede Zelle einer Transkriptions-Subpopulation zuzuordnen.
Das erste, was die Studie ergab, war, dass dermale Fibroblasten mehrere Lipidgruppen oder «Lipidzusammensetzungszustände» aufweisen können, die die Forschenden als «Lipotypen» bezeichneten.
«Zellzustände sind Zwischenstufen im Prozess der Zelldifferenzierung, bei denen Zustandswechsel der endgültigen Festlegung vorausgehen», schreiben die Autorinnen und Autoren.
Aber es gab einen Hinweis: Es stellte sich heraus, dass jeder Lipotyp spezifischen Transkriptions-Subpopulationen in vitro und Fibroblasten aus verschiedenen Hautschichten der Haut in vivo entspricht.
Die Frage war nun, welche Marker wir verwenden könnten, um die verschiedenen Lipotypen zu identifizieren. Angesichts der Korrelation mit den Transkriptionsgruppen der Fibroblasten gingen die Forschenden dazu über, Stoffwechselwege zu isolieren, die für diese Verbindung verantwortlich sein könnten.
Sie fanden heraus, dass die wichtigsten Marker für die unterschiedlichen Lipidzusammensetzungen eine Familie von Fettmolekülen namens «Sphingolipide» sind. Die nach der mythischen Sphinx benannten Sphingolipide sind an der Kommunikation von Zelle zu Zelle beteiligt und schützen die äußere Oberfläche der Zelle, indem sie Barrieren auf ihrer Membran bilden.
An diesem Punkt machten die Forschenden eine entscheidende Entdeckung: Die verschiedenen Lipotypen beeinflussen die unterschiedlichen Reaktionen der Zellen auf äußere Reize aus ihrer Mikroumgebung, die sie in unterschiedliche Zellschicksale «drängen» – selbst wenn die beiden ursprünglichen Zellen identisch waren. Tatsächlich fanden die Forschenden heraus, dass es möglich ist, das Schicksal einer Zelle vollständig umzuprogrammieren, indem man einfach ihre Sphingolipidzusammensetzung manipuliert.
Im letzten Teil der Studie fand das Team heraus, dass die Lipidzusammensetzung und die Signalwege in sich selbst erhaltenden Schaltkreisen verdrahtet sind, und es sind diese Schaltkreise, die die Unterschiede zwischen Stoffwechsel und Gentranskription bei Fibroblasten erklären.
Das Schlüsselmolekül ist der Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF2), ein Signalprotein, das an vielen Prozessen beteiligt ist, z. B. an der Embryonalentwicklung, dem Zellwachstum, der Morphogenese, der Gewebereparatur und sogar an Tumorwachstum und -invasion. Im Rahmen dieser Studie wurde festgestellt, dass Sphingolipide die FGF2-Signalübertragung regulieren, indem zwei verschiedene Arten von Sphingolipiden als positive und negative Regulatoren eingesetzt werden.
«Wir haben eine unerwartete Beziehung zwischen Lipidomen und Transkriptomen in einzelnen Zellen aufgedeckt», schreiben die Autorinnen und Autoren und verweisen auf das vollständige Profil der Lipidproduktion einer Zelle: «Die Umgestaltung des Lipidoms könnte als früher Treiber bei der Festlegung der Zellidentität fungieren, und die Verfolgung der Lipid-Stoffwechselwege einzelner Zellen könnte das Potenzial haben, uns über Schlüsselmechanismen der Zellschicksalsentscheidung zu informieren. Diese Studie wirft somit neue Fragen zur Rolle der Lipide bei Entscheidungen über das Zellschicksal auf und fügt der Selbstorganisation multizellulärer Systeme eine neue regulatorische Komponente hinzu.»