Raum für die klinische Forschung
Brusttumore werden von winzigen Kanälen durchzogen. Sie sind Überbleibsel von früheren Blutgefässen und sind im Tumor dicht gefüllt mit Proteinfasern. Immunzellen bleiben an den Fasern hängen. Anstatt sich gegen die Tumorzellen zu richten, scheiden die Immunzellen in dieser Umgebung wachstumsfördernde Moleküle aus und helfen so den Krebszellen, sich zu vermehren. Das haben vor wenigen Monaten Forschende der Gruppe von ETH-Professorin Viola Vogel anhand von Versuchen an Mäusen herausgefunden. Ihre Erkenntnisse erlauben es, das Tumorwachstum besser zu verstehen und möglicherweise neue Diagnose- und Therapiemethoden zu entwickeln.
Eine wichtige Frage bleibt jedoch unbeantwortet: Inwiefern lassen sich die Resultate der Forschung mit Mäusen auf menschliche Patientinnen mit Brustkrebs übertragen? In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Kantonsspital Baden (KSB) soll nun überprüft werden, ob sich auch in Gewebeproben von Brustkrebserkrankten Spuren von umgewandelten Blutgefässen finden lassen. Das Beispiel aus Viola Vogels Forschung zeigt, wie wichtig die klinische Forschung ist, um Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung für die Gesellschaft nutzbar zu machen.
Zusammenarbeit in Forschung und Lehre
«Die Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baden ist ein Glücksfall für die ETH», freut sich Christian Wolfrum, Vizepräsident Forschung an der ETH Zürich. «Wir konnten in den letzten Jahren eine vertrauensvolle und innovative Kooperation aufbauen und so gemeinsam Projekte in vielen klinischen Bereichen umsetzen. Unsere gemeinsame Vision ist, dass Versorgung und Forschung Hand in Hand gehen, um die besten Ergebnisse für die Patientinnen und Patienten zu erzielen.» Folglich wird die Partnerschaft jetzt ausgebaut. Dazu beziehen zunächst drei Professuren im neu gebauten Partnerhaus II auf dem Campus des KSB Räumlichkeiten.
«Wir sind stolz, dass sich eine Institution wie die ETH für eine Zusammenarbeit mit einem Zentrumsspital aus dem Aargau entschieden hat», sagt KSB-CEO Adrian Schmitter. Diese Kooperation sei schweizweit einmalig. «Mit unserem Spitalbetrieb können wir den Forschenden ein praxisbezogenes Umfeld bieten. Das KSB wiederum profitiert von der Innovationskraft und vom Know-how der ETH. Zusätzlich wird damit auch die Attraktivität des Standortes Baden für Firmen und Start-ups aus dem Gesundheitswesen gestärkt.»
Begonnen hat die Kooperation 2017, als die ersten 100 Studierenden den neu geschaffenen Bachelorstudiengang Humanmedizin an der ETH in Angriff nahmen. Sie besuchten die Einführungswoche am KSB, wo die Studierenden zum ersten Mal Spitalluft schnuppern konnten. Es folgten erste gemeinsame Forschungsprojekte und 2018 bezog die ETH einige Büros im Partnerhaus auf dem Spitalcampus. Das Lehrangebot wurde derweil mit weiteren extracurriculären Veranstaltungen und Weiterbildungsangeboten ergänzt.
Expertise und Daten vom KSB, Rechenpower der ETH
Die Zusammenarbeit geht aber weit über die reine klinische Forschung und die Aus- und Weiterbildung hinaus. Gemeinsam will man auch die Digitalisierung von Gesundheitsdaten und deren Nutzung für die Forschung vorantreiben. Die ETH hat dazu eigens einen Datenarchitekten engagiert, der die Daten und Schnittstellen analysiert und eine entsprechende Architektur ausarbeitet. Dadurch wird es künftig einfacher möglich sein, die Daten auszuwerten und z.B. nach Mustern zu suchen, die Hinweise auf Komplikationen oder Krankheitsverläufe geben.
Auch die Technologie- und Service-Plattform dTIP der ETH wird in Baden vertreten sein. Das dTIP-Team setzt sich aus Fachleuten für klinische Studien, Datenmanagement und Regulierung zusammen und bietet den Forschenden ein «Rundum-Sorglos-Paket» für die klinische Forschung an – von der Planung über die Organisation bis zur Durchführung von Studien. «Wir wollen, dass unsere Grundlagenforschung und ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungen noch stärker als bisher den Menschen zugutekommen, in Form von Medikamenten, Therapien, Diagnoseverfahren oder medizinischen Geräten», sagt Christian Wolfrum. Die Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baden, den Universitätsspitälern und weiteren Partnern sowie die interdisziplinäre Forschung im neuen GLC-Gebäude und in den neuen Medizinalforschungslabors in Schlieren wird diesen Prozess beschleunigen.