Ein Mikroringresonator mit grossem Potenzial
Das Team des Labors für Photonische Systeme (PHOSL) der EPFL hat eine Laserquelle in Chipgrösse entwickelt, die die Leistung von Halbleiterlasern verbessert und gleichzeitig die Erzeugung kürzerer Wellenlängen ermöglicht. Diese Pionierarbeit unter der Leitung von Professorin Camille Brès und Postdoktorand Marco Clementi von der EPFL-Fakultät für Ingenieurwissenschaften stellt einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der Photonik dar und hat Auswirkungen auf die Telekommunikation, die Metrologie und andere hochpräzise Anwendungen.
Die Studie, die in der Zeitschrift Light: Science & Applications veröffentlicht wurde, zeigt, wie die PHOSL-Forschenden in Zusammenarbeit mit dem Laboratory of Photonics and Quantum Measurements erfolgreich Halbleiterlaser in photonische Schaltkreise aus Siliziumnitrid mit Mikroresonatoren integriert haben. Diese Integration führt zu einem hybriden Bauelement, das in der Lage ist, hochgradig gleichmässiges und präzises Licht sowohl im nahen Infrarot als auch im sichtbaren Bereich zu emittieren und damit eine technologische Lücke zu schliessen, die die Industrie lange Zeit herausgefordert hat.
«Halbleiterlaser sind in der modernen Technologie allgegenwärtig, von Smartphones bis hin zu faseroptischen Kommunikationsgeräten. Ihr Potenzial wurde jedoch durch mangelnde Kohärenz und die Unfähigkeit, sichtbares Licht effizient zu erzeugen, eingeschränkt», erklärt Professorin Brès. «Unsere Arbeit verbessert nicht nur die Kohärenz dieser Laser, sondern verlagert auch ihre Leistung in den sichtbaren Bereich, wodurch sich neue Möglichkeiten für ihre Nutzung eröffnen.»
Die Kohärenz bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Gleichmässigkeit der Phasen der vom Laser ausgesandten Lichtwellen. Eine hohe Kohärenz bedeutet, dass die Lichtwellen synchronisiert sind, was zu einem Strahl mit einer sehr präzisen Farbe oder Frequenz führt. Diese Eigenschaft ist von entscheidender Bedeutung für Anwendungen, bei denen es auf Präzision und Stabilität des Laserstrahls ankommt, wie z. B. bei der Zeitmessung und der Präzisionsabtastung.
Erhöhte Genauigkeit und verbesserte Funktionalität
Der Ansatz des Teams besteht darin, handelsübliche Halbleiterlaser mit einem Siliziumnitrid-Chip zu koppeln. Dieser winzige Chip wird mit der branchenüblichen, kosteneffizienten CMOS-Technologie hergestellt. Dank der aussergewöhnlich verlustarmen Eigenschaften des Materials wird wenig bis gar kein Licht absorbiert oder entweicht. Das Licht des Halbleiterlasers fliesst durch mikroskopisch kleine Wellenleiter in extrem kleine Hohlräume, in denen der Strahl eingefangen wird. Diese Hohlräume, die so genannten Mikroringresonatoren, sind so konstruiert, dass sie bei bestimmten Frequenzen mitschwingen und selektiv die gewünschten Wellenlängen verstärken, während sie andere abschwächen, wodurch eine verbesserte Kohärenz des emittierten Lichts erreicht wird.
Eine weitere wichtige Errungenschaft ist die Fähigkeit des Hybridsystems, die Frequenz des vom kommerziellen Halbleiterlaser ausgehenden Lichts zu verdoppeln, was eine Verschiebung vom nahen Infrarotspektrum in den Bereich des sichtbaren Lichts ermöglicht. Die Beziehung zwischen Frequenz und Wellenlänge ist umgekehrt proportional, d. h., wenn die Frequenz verdoppelt wird, verringert sich die Wellenlänge um die Hälfte. Während das nahe Infrarotspektrum für die Telekommunikation genutzt wird, sind höhere Frequenzen für den Bau kleinerer, effizienterer Geräte unerlässlich, für die kürzere Wellenlängen benötigt werden, wie z. B. bei Atomuhren und medizinischen Geräten.
Diese kürzeren Wellenlängen werden erreicht, wenn das in der Kavität eingefangene Licht einen Prozess durchläuft, der als «all-optical poling» bezeichnet wird und im Siliziumnitrid eine so genannte Nichtlinearität zweiter Ordnung erzeugt. Nichtlinearität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich das Verhalten des Lichts aufgrund der Wechselwirkung mit dem Material deutlich verschiebt, d. h. einen Sprung in der Grösse erfährt, der nicht direkt proportional zu seiner Frequenz ist. Bei Siliziumnitrid tritt dieser spezifische nichtlineare Effekt zweiter Ordnung normalerweise nicht auf, und das Team hat eine elegante technische Leistung vollbracht, um ihn hervorzurufen: Das System nutzt die Fähigkeit des Lichts, bei Resonanz im Hohlraum eine elektromagnetische Welle zu erzeugen, die die nichtlinearen Eigenschaften des Materials hervorruft.
Eine Grundlagentechnologie für künftige Anwendungen
«Wir verbessern nicht nur die bestehende Technologie, sondern verschieben auch die Grenzen dessen, was mit Halbleiterlasern möglich ist», sagt Marco Clementi, der an dem Projekt massgeblich beteiligt war. «Indem wir die Lücke zwischen der Telekommunikation und den sichtbaren Wellenlängen schliessen, öffnen wir die Tür zu neuen Anwendungen in Bereichen wie der biomedizinischen Bildgebung und der Präzisionszeitmessung.»
Professorin Camille Brès und Marco Clementi im Labor. © 2023 EPFL/Alain Herzog - CC-BY-SA 4.0
Eine der vielversprechendsten Anwendungen dieser Technologie ist die Metrologie, insbesondere die Entwicklung von kompakten Atomuhren. Die Geschichte des Fortschritts in der Navigation hängt von der Tragbarkeit präziser Uhren ab – von der Bestimmung des Längengrads auf See im 16. Jahrhundert bis hin zur genauen Navigation von Weltraummissionen und einer besseren Geolokalisierung in der heutigen Zeit. «Dieser bedeutende Fortschritt legt den Grundstein für künftige Technologien, von denen einige erst noch erdacht werden müssen», so Clementi.
Das tiefe Verständnis des Teams für Photonik und Materialwissenschaft wird möglicherweise zu kleineren und leichteren Geräten führen und den Energieverbrauch und die Produktionskosten von Lasern senken. Ihre Fähigkeit, ein grundlegendes wissenschaftliches Konzept mit Hilfe von Industriestandards in eine praktische Anwendung zu überführen, unterstreicht das Potenzial der Lösung komplexer technologischer Herausforderungen, die zu unvorhergesehenen Fortschritten führen können.