Durchbrüche bei zentraler Zukunftsindustrie
Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS), das kreisrunde architektonische Wahrzeichen des PSI in Villigen, ist bekanntlich ein Mess- oder Lesegerät der Superlative. Mit diesem hochauflösenden Messgerät werden Kristallstrukturen oder andere kleinste Strukturen mittels Röntgenstrahlung sichtbar gemacht. Überraschend ist, dass man mit einem Synchrotron auch schreiben beziehungsweise gravieren kann.
Chipherstellung im Nanometerbereich
Mirko Holler (links im Bild), Forscher am Labor für Makromoleküle und Bioimaging, sagt: Die bei der Chipherstellung eingesetzte Fotolithografie sei im Prinzip nichts anderes als das klassische Druckverfahren mit Steinplatten, «einfach, dass der Stein reines Silizium ist». Einen gewaltigen Unterschied gibt es allerdings: Während im klassischen Druck spätestens bei vom Auge sichtbaren Grössenordnungen Schluss ist, tastet man sich bei der Chipherstellung längst in Dimensionen vor, die kaum noch vorstellbar und womöglich kaum noch herstellbar sind.
Denn Grössenordnungen im tiefen Nanometerbereich lassen sich mit sichtbarem Licht nicht zu Wege bringen, dafür sind dessen Wellenlängen zu gross. Und der Trend geht hin zu noch kürzeren Wellenlängen. Bei der Chipherstellung ist man in den letzten Jahren im extremen UV-Bereich (EUV) des Lichtspektrums angelangt, der schliesslich in die Röntgenstrahlung übergeht. Die Chipindustrie hat bereits
«Milliarden investiert» in EUV-Lithographie. Die sogenannten Scanners, die Chipmuster auf Silizium übertragen, können bis 13 Nanometer Auflösung erreichen. Die neueren Maschinen werden acht Nanometer erreichen.
Erweiterung der konventionellen EUV-Lithografie
Yasin Ekinci, Leiter des Labors für Röntgen-Nanowissenschaften und -Technologien, entwickelte mit seinem Team am PSI ein Verfahren, das mit EUV bis in physikalisch eigentlich «unmögliche» Grössenordnungen vorstösst. Dazu hat das Team die konventionelle EUV-Lithografie erweitert: Bei der EUV-Spiegelinterferenzlithografie (MIL) erzeugen zwei kohärente Strahlen ein Interferenzmuster, das strukturelle Auflösungen von fünf Nanometern erlaubt – und zwar mit einer einzigen Belichtung.
Für die Gravur der Leiterbahnen ist das Verfahren nicht praktikabel, es stösst aber dennoch auf grosses Interesse in der Industrie, beispielsweise für die Entwicklung von feinst auflösenden Fotolacken, die für die künftige Chipherstellung benötigt werden. «Moderne Chips brauchen 10 bis 15 Schreibprozesse, dazu kommen weitere Fertigungsschritte, insgesamt bis zu 100 Prozessschritte bis so ein Kleinstschaltkreis aufgebaut ist», erklärt Ekinci. Ekinci und Holler loben das PSI für die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und das technische Know-how. «Man kann nur schreiben, wenn man auch lesen kann, der Prozessfortschritt muss immer genaustens messend beobachtet und kontrolliert werden», sagt Ekinci.
Weltmeisterliche Messungen
Beim Messen sind die Villiger seit letztem Jahr sogar Weltmeister. Auf vier Nanometer genau hat bislang noch niemand einen Blick mit Röntgenstrahlen in einen Computerchip geworfen. Holler meint, ganz bescheiden, die SLS sei «letztlich ein grosses Mikroskop, und unsere Methode kommt ohne abbildende Optiken wie Linsen aus, die im klassischen Fall verwendet werden und die Auflösung im Bereich 100 Nanometer begrenzen». Stattdessen nutzt es die kohärente Röntgenstrahlung der SLS. Hier kann man mit Tricks weit bessere Auflösungen hinbekommen.
Schon 2014 ist Hollers Team in Dimensionen von 16 Nanometer in 3D vorgestossen. Computerchips boten sich als Objekte geradezu an. Diese untersuchte man bis dahin mit Elektronenmikroskopen, was allerdings mühsam ist, weil man die Chips Schicht für Schicht abhobeln muss, um ein dreidimensionales Bild der Chiparchitektur zu bekommen. Das geht mit Synchrotron-Strahlung viel besser, und die untersuchten Chips werden nicht zerstört.
Ein genialer Trick für eine bessere Auflösung
Der Trick, den sich die PSI-Forschenden für ihre «Röntgenbilder» zunutze machen, um die Auflösung nun auf vier Nanometer zu verbessern, ist so einfach wie genial. Sie versuchen nicht, etwaige Instabilitäten im Strahl zu eliminieren, sondern sie genau zu registrieren und mit einzuberechnen. Im Ergebnis funktioniert das so ähnlich wie ein Bildstabilisator in einer Handykamera. Praktisch ist das allerdings eine Herausforderung, denn, sagt Holler, «im Nanometerbereich wackelt so ziemlich alles.» Das Schöne an der am PSI entwickelten Softwarelösung: Der Algorithmus hat das Potenzial, auch bei anderen Synchrotron-Geräten für eine viel bessere Auflösung zu sorgen. Auf jeden Fall sei es eine der Methoden, die von der vielfach besseren Kohärenz profitieren können, die das aktuell stattfindende Upgrade SLS 2.0 bringen wird.
Mit der Dichte an High-Precision-Firmen sei die Schweiz in Sachen Chipindustrie eigentlich gut aufgestellt, ist Ekinci überzeugt. Sein forschungspolitisches Plädoyer: «Man muss nicht überall an vorderster Front dabei sein und natürlich können wir mit den aktuellen Chipinitiativen der USA und von China nicht mithalten.» Er wünsche sich jedoch für die Halbleiterforschung ähnlich viel Schub wie für KI oder grüne Energien. Denn schon jetzt sind Chips das drittwichtigste Handelsgut weltweit, nach Öl und Autos, und Ekincis Prognose, dass sie in zehn Jahren auf Rang eins sein werden, ist so verwegen nicht.