500 Freiwillige gesucht, um die Wasserqualität des Genfersees zu messen
Jeder See ist eine Welt für sich. Ein Ökosystem mit seiner eigenen Dynamik, die von äusseren Parametern beeinflusst wird, ein komplexes Milieu, das ständig auf der Suche nach einem empfindlichen Gleichgewicht ist. Doch wie geht es dem Genfersee? Selbst Forschende können keine zuverlässige Diagnose stellen, da die Bedrohungen so schwer vorhersehbar sind. Es fehlt an Daten. Das in seiner Art einzigartige Projekt Lémanscope involviert ab sofort und bis Herbst 2025 die Nutzerinnen und Nutzer des grössten Alpensees in die Messung seines Gesundheitszustands. Unter der Leitung der ETH Lausanne (EPFL) vereint das Projekt das Wasserforschungsinstitut Eawag, die Universität Lausanne und den Verein für die Rettung des Genfersees (Association pour la Sauvegarde du Léman).
Zwar geht es dem Genfersee heute besser als in den 1970er Jahren, als er an einer Eutrophierung aufgrund von Phosphaten erstickte. Dennoch ist seine Gesundheit immer noch fragil. Der Klimawandel, die Umweltverschmutzung und invasive Arten können die Wasserqualität beeinträchtigen. Welchen langfristigen Einfluss wird die Vermehrung der invasiven Quagga-Muscheln, die sich durch das Filtern des Wassers ernähren, auf die Gesundheit des Genfersees haben? Oder das lange Ausbleiben einer vollständigen Durchmischung – Tiefen- und Oberflächenwasser vermischen sich und transportieren dabei Sauerstoff nach unten und Nährstoffe nach oben – seit nunmehr 12 Jahren aufgrund des Klimawandels. In diesem Winter, Anfang Januar, glaubte man fast daran. Doch die Rückkehr von Temperaturen, die deutlich über dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre lagen, dämpfte die Hoffnungen. «Die Auswirkungen dieser unvollständigen und wiederholten Umwälzungen führen zu einer Verminderung des Sauerstoffs und einer schnellen Erwärmung des Tiefenwassers des Genfersees, aber es ist schwierig, die langfristigen Folgen vorherzusagen», bedauert Laurence Glass-Haller, Wissenschaftlerin am Zentrum für Limnologie der EPFL.
Transparenz und Farbe des Wassers
In einem solchen Klima der Unsicherheit suchen Forschende nach Anhaltspunkten, um zu messen, zu verstehen, vorauszusehen, zu prognostizieren und zu verhindern. Seit 2019 können sie dank der Forschungsplattform LéXPLORE vor dem Ufer von Pully physikalisch-chemische und optische Hochfrequenzdaten erfassen, um die ablaufenden Prozesse zu modellieren. «Moderne Umweltbeobachtungssatelliten ermöglichen es, die Wasserqualität durch optische Messungen der vom See reflektierten Strahlung zu bestimmen», erklärt der Eawag-Forscher Daniel Odermatt, der am Projekt beteiligt ist. «Diese Bestimmung ist jedoch mit grossen Unsicherheiten verbunden und Vergleichsmessungen, die während des Satellitenüberflugs durchgeführt werden, sind generell selten.» Hier kommt der Mensch ins Spiel, mit sehr einfachen Werkzeugen, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurden. Zur Beurteilung der Farbe des Wassers bietet die Forel-Ule-Skala eine Palette von 21 Farben, die von tiefem Blau über Grün bis hin zu Braun reichen. Die App EyeOnWater hilft dabei, natürliche Süss- und Salzwasser anhand ihrer Farbe nach der Forel-Ule-Skala zu klassifizieren. Um die Transparenz des Wassers zu messen, hat sich eine weisse Scheibe, die sogenannte Secchi-Scheibe, bewährt, die man ins Wasser sinken lässt, bis sie nicht mehr zu sehen ist.
Lémanscope sucht jetzt etwa 500 «Mitforscher» und «Mitforscherinnen», die ein – wenn auch leichtes – Boot besitzen, um mit einer einfachen Webanwendung und einer Secchi-Scheibe Daten zu sammeln. «Dank der Unterstützung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Lémanscope werden wir eine grosse Anzahl von Vergleichsmessungen erhalten und die Genauigkeit der Satellitendaten bewerten und verbessern können. Dies sollte eine bessere Nutzung der Archive mit mehrjährigen Satellitendaten ermöglichen, in denen sich langfristige Prozesse wie die globale Erwärmung oder die Invasion der Quagga-Muscheln abzeichnen», fasst Daniel Odermatt zusammen.
Eine Gemeinschaft aufbauen
Das Projekt wird durch die Agora-Fonds des Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Dieses Instrument fördert den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und ermöglicht direkte Begegnungen sowie eine breitere Einbindung von Freiwilligen. Dank des Projekts ist die Bevölkerung nicht nur an der Sammlung relevanter wissenschaftlicher Beobachtungen beteiligt, sondern kann ihre Eindrücke und Beobachtungen in Foren und interaktiven Konferenzen, die von Experten und Expertinnen des Genfersees geleitet werden, austauschen. Ziel ist es auch, durch die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Genfersees zu fördern und so konkrete Massnahmen für seine langfristige Erhaltung anzuregen.