Zwei Jahrzehnte Förderung von Frauenthemen

Serie zum Internationalen Frauentag – Im Alter von 27 Jahren wurde Hélène Fueger von der Universität Freiburg als neue Frauenbeauftragte eingestellt. Dort begann sie, das heikle Thema der Geschlechtergleichstellung auf eigene Faust anzugehen. Im Jahr 2006 wurde sie ausgewählt, ein EU-Programm zur Förderung von Studentinnen und Postdocs zu leiten, und 2015 kam sie als Gleichstellungsbeauftragte zur EPFL.
© 2021 EPFL Alain Herzog / Hélène Fueger Beauftragte für Chancengleichheit

«Als Teenager fühlte ich mich von der feministischen Bewegung angezogen, aber ich trat keiner Aktivistengruppe bei. Die Herausforderungen, mit denen ich damals konfrontiert war, lagen weniger an meinem Geschlecht als an der bescheidenen Herkunft meiner Familie», sagt Fueger, «im Gymnasium litt ich unter dem Impostor-Syndrom – ich fühlte mich oft fehl am Platz. Der feministische Diskurs fand bei mir also Anklang. Er schien mein Recht zu bestätigen, die Karriere zu machen, die ich wollte. Das war sehr befreiend.»

Diese Bestätigung war es, die Fueger anspornte, sich in ihrer Schulzeit frei zu bewegen. In St. Gallen machte sie die Matura in Naturwissenschaften, wobei sie sich einen leichten schweizerdeutschen Akzent aneignete, bevor sie an der Universität Lausanne Politikwissenschaften studierte. 1996 begannen die Schweizer Universitäten auf zunehmenden politischen Druck hin, Massnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter zu ergreifen. Die Universität Freiburg stellte Fueger, die gerade ihr Studium beendet hatte, als Frauenbeauftragte ein.

Ein kleiner Schreibtisch mit einem überdimensionalen Posteingang

«Es war eine neue Position, die die Universität geschaffen hatte, um ein damals neues Problem anzugehen», sagt sie. «Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die Universität das Problem am liebsten einfach in meinem Büro eingeschlossen und den Schlüssel weggeworfen hätte – ein Gefühl, das durch die Tatsache bestätigt wurde, dass sich mein Büro fast im Keller befand! Aber ich hatte in meiner neuen Rolle eine Menge Dinge zu erledigen. Meine To-Do-Liste war riesig und erstreckte sich über die gesamte Organisation. Allerdings war es aus Budgetgründen nur eine Halbtagsstelle. Aber ich war jung – ich sagte mir, dass ich nicht fürs Jammern bezahlt werde, sondern fürs Arbeiten.»

So begann Fueger ihre «Erfahrungsjahre», wie sie es nennt, mit den Komplikationen einer grossen Organisation. Sie erkannte, dass Veränderungen nur langsam vonstatten gingen, doch dank ihrer Entschlossenheit und ihrer ruhigen Art gelang es ihr, schrittweise voranzukommen: «Ich glaube nicht, dass ich durch eine grosse Vision motiviert war, sondern eher durch eine unstillbare Neugier. Ich fand den Job sehr interessant, weil ich eine einzigartige Position innerhalb der Schule hatte – ich konnte sehen, wie die Organisation als Ganzes funktionierte und erkennen, wo Fortschritte nötig waren.»

EU-Mentoring-Programm

Fuegers Job entwickelte sich im Laufe der Jahre, sie bekam schliesslich einen kleinen Mitarbeitendenstab und konnte einige ihrer Ideen umsetzen. Obwohl sie von kleiner Statur ist, hat sie Mammutaufgaben bewältigt. Das reichte von der Einrichtung einer Kindertagesstätte an der Universität bis hin zum Grundstein für einen neuen Studiengang Gender Studies. Zwei ihrer Initiativen – das Programm «Women in Science and Technology» (WINS) und ein Mentoring-Programm, das sie im Jahr 2000 mit Unterstützung der EPFL ins Leben rief – sind noch heute aktiv. Fueger war auch an der Einstellung von Lehrkräften an zwei Departementen beteiligt.

2006 wurde Fueger als erste Person von der Universität Freiburg zur Koordinatorin eines EU-Programms ernannt: «Wir haben ein Netzwerk von europäischen Universitäten aufgebaut, um Mentoring-Möglichkeiten für junge Frauen zu schaffen, und zwei Bücher zu diesem Thema veröffentlicht.»

Sie verliess die Universität Freiburg 2015 nach 18 arbeitsreichen Jahren und mit der Genugtuung, dass die Fakultät zu 24 % aus Professorinnen bestand – gegenüber weniger als 4 %, als sie eingestellt wurde.

«An der EPFL hatte ich das Gefühl, dass die Leute die Dinge wirklich voranbringen wollten.»      Hélène Fueger

«Ich wurde von Farnaz Moser, der damaligen Leiterin des Gleichstellungsbüros der EPFL, auf die Stelle an der EPFL aufmerksam gemacht», sagt Fueger, «wir hatten bei verschiedenen regionalen Initiativen zusammengearbeitet, und ich hatte geholfen, das EPFL-Programm Internet für Mädchen nach Freiburg zu bringen.»

Als Fueger bei der EPFL anfing, war sie froh, dass sie «den Kampf nicht allein ausfechten musste»: Sie arbeitete unter Kristin Becker van Slooten, die den Lenkungsausschuss für Gleichstellung ins Leben gerufen hatte, und wurde von einer Assistentin, Chantal Mellier, unterstützt.

Neben der Freude, Teil eines Teams zu sein, genoss Fueger auch die Energie und den Enthusiasmus der Leute, mit denen sie zusammenarbeitete: «Vielleicht lag das daran, dass einige von ihnen das US-System durchlaufen hatten», sagt sie. «Auf jeden Fall traf ich viele hoch motivierte Professoren, sowohl Männer als auch Frauen. Ich lernte schnell alle Dekaninnen und Dekane kennen, einschliesslich Gisou van der Goot und Marilyne Andersen. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute wirklich an dem Thema interessiert waren und die Dinge voranbringen wollten. Das war beeindruckend.»

Dieser Enthusiasmus hat im Laufe der Jahre nicht nachgelassen – im Gegenteil. Seit 2015 arbeitet Fueger an der Entwicklung und Umsetzung einer EPFL-weiten Gleichstellungspolitik für die Einstellung von Professorinnen, zusammen mit Seminaren zur Gleichstellung bei der Einstellung, die auch Video-Testimonials zu impliziten Vorurteilen beinhalten. «Fast 40 % der EPFL-Professorinnen und Porfessoren haben das Seminar besucht. Das ist eine beeindruckende Zahl, zumal die Seminare ausser für die Leitenden der Einstellungskommissionen freiwillig sind», sagt sie.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der EPFL wurden Porträts von 50 prominenten Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen in Gebäuden auf dem Campus angebracht. Jetzt sind diese Porträts im Lausanner Geschichtsmuseum ausgestellt. «Ich bin ziemlich stolz darauf, zu einer solchen Initiative beigetragen zu haben», sagt Fueger in ihrer typischen Bescheidenheit.