Der Weg der Schweiz zum Netto-Null-Ziel
2050 soll Schluss sein: Dann möchte die Schweiz unterm Strich keine klimaschädlichen Treibhausgase wie CO2 mehr ausstossen – so hat es der Bundesrat beschlossen. Trotz dieses klar definierten Ziels bleiben viele Fragen offen, etwa welche Pfade zum Netto-Null-Ziel führen, wie man dafür gesellschaftliche Akzeptanz erreicht und welche technologischen Entwicklungen und rechtlichen Rahmenbedingungen es braucht, damit die Wirtschaft tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln kann. Klar ist hingegen, dass Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eng zusammenarbeiten müssen, um Synergien für die schnelle und starke Reduktion der Emissionen über alle Anwendungssektoren hinweg auszuschöpfen. Gleichzeitig müssen Technologien für Negativ-Emissionen weiterentwickelt werden, die schwer vermeidbare Restemissionen ausgleichen.
Hier setzt das Swiss Center of Excellence on Net-Zero Emissions, kurz SCENE, an. Es bündelt die Expertise von über 30 Forschungslaboren rund um das Thema der Netto-Null-Emissionen und bietet eine Plattform für die interdisziplinäre, institutsübergreifende Zusammenarbeit im ETH-Bereich. An der gemeinsamen Initiative sind alle Institutionen des ETH-Bereichs beteiligt: Das PSI als Leading House, die Empa, WSL, Eawag, ETH Zürich und EPFL. «Die Transformation von Energiesystem und Gesellschaft wird Jahrzehnte dauern – aber wir müssen jetzt schnell handeln und die richtigen Weichen stellen», sagt Thomas J. Schmidt, Leiter des Forschungsbereichs Energie und Umwelt am PSI und Co-Direktor von SCENE.
Forschung für die Klimaziele verzahnen
Die Forschung kann die verschiedenen Interessengruppen beim Weg zu Netto-Null unterstützen, dafür wird aber eine breite Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen benötigt. Wie genau SCENE dabei helfen kann, verdeutlicht der Co-Direktor des Konsortiums, Björn Niesen von der Empa: «Zum Beispiel findet Forschung zur energetischen Nutzung von Biomasse statt und parallel dazu wird der Einsatz von Holz als Baumaterial erforscht – aber beide Bereiche sind bislang nicht eng miteinander verzahnt.» Um die Potenziale der einheimischen Wälder besser zu nutzen, müssten solche Denksilos aufgebrochen werden, so Niesen: «Wir wollen Brücken bauen zwischen den Fachdisziplinen und Anwendungssektoren.» Beim oben genannten Beispiel könne dies mit einer Kaskadennutzung gelingen, wodurch das Holz zuerst im Bausektor verwendet werde und erst danach zur Produktion von Strom und Wärme.
Sechs strategische Arbeitspakete für Netto-Null
Um das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu erreichen, wurden sechs Handlungsbereiche mit höchster Priorität identifiziert: So wollen die Forschenden den Beitrag von Kohlenstoffkreisläufen mit Biomasse aus Holz untersuchen, technische Verfahren zur Abscheidung, Verwendung und Speicherung von Kohlenstoff entwickeln sowie Richtlinien für effiziente und geschlossene technische Stoffkreisläufe für Infrastrukturbauwerke erstellen. Weitere Arbeitspakete betreffen ein Energiesystem mit geringem CO2-Ausstoss und hoher sozialer Akzeptanz, sektorübergreifende Treibhausgas- und Klima-Modelle sowie Netto-Null-Pfade für die beteiligten Institutionen.
Ein ganzes Arbeitspaket beschäftigt sich mit der Kommunikation rund um das Netto-Null-Ziel und die Technologien, mit denen sich das erreichen lässt. Bewusstsein schaffen wollen die Partner vor allem bei jungen Menschen. Sie sind die Entscheidungsträger von morgen und die langfristig Leidtragenden des Klimawandels. In den kommenden drei Jahren wollen Mitarbeitende des Projekts mindestens 60 Schulen besuchen. Ausserdem ist ein enger Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik, den Behörden, der Wirtschaft und der Industrie geplant. «Wir wollen zu einer faktenbasierten Diskussion beitragen und Interessengruppen dabei unterstützen, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen treffen zu können», fasst Björn Niesen das Hauptziel bei diesem Dialog zusammen.
Mehr als 17 Millionen Franken für drei Jahre
SCENE ist im strategischen Schwerpunkt «Energie, Klima und ökologische Nachhaltigkeit» angesiedelt, einem der fünf strategischen Schwerpunkte, die der ETH-Rat für die Zeitspanne 2025–2028 definiert hat. Aufgrund der Dringlichkeit des Themas haben sechs Joint Initiatives in diesem Schwerpunkt bereits zwei Jahre früher, also 2023, ihre Arbeit aufgenommen. SCENE arbeitet eng mit den anderen Joint Initiatives zusammen, unter anderem mit den von ETH-Forschenden geleiteten thematisch verwandten Projekten "Speed2Zero" und "MainWood". Der ETH-Rat finanziert das Projekt zur Hälfte, die andere Hälfte steuern die sechs beteiligten Institutionen bei – insgesamt beträgt das Budget über die drei Jahre Projektlaufzeit 17,2 Millionen Schweizer Franken. 2025 soll aber nicht Schluss sein. Thomas J. Schmidt: «Wir wollen eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen und Sektoren etablieren, die weit in die Zukunft reicht.»