COP27: Klimafinanzierung braucht mehr Transparenz
Auf der 21. Weltklimakonferenz (COP21) in Paris 2015 einigten sich erstmals alle Staaten, den Klimawandel mit eigenen Reduktionszielen für Treibhausgase zu begrenzen. Davor mussten nur die Industrieländer Treibhausgase senken – Länder wie China, Indien oder Südkorea waren nicht dazu verpflichtet.
Um die Entwicklungs- und Schwellenländer für eigene Reduktionsziele zu gewinnen, hatten die Industrieländer bereits vor 2015 grosszügige und fortwährende finanzielle Mittel zugesichert: Die Unterstützung für Klimaschutz und Anpassung sollte ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar erreichen. Es war ein zentrales Versprechen, welches das Pariser Klimaabkommen möglich machte.
Auf der 27. Weltklimakonferenz (COP27) in Ägypten, die jetzt während zwei Wochen läuft, ist die Klimafinanzierung wieder ein dominierendes Thema. Was bereits im Vorfeld für angespannte Stimmung sorgte: So grosszügig wie einst versprochen fliessen die Gelder bis anhin nicht.
Laut OECD wurde 2020 mit 82 Milliarden US-Dollar der bisherige Höchststand erreicht.1 Dass die von den Geberländern rapportierten Zahlungen den Zielen deutlich hinterherhinken, wird schon länger von der Zivilgesellschaft moniert. Inzwischen zeigt sich aber immer klarer, wie stark Realität und Versprechen auseinanderklaffen.
Grosse Finanzierungslücken
Dazu muss man wissen, dass es aufwändig und schwierig ist, die internationale Klimafinanzierung zuverlässig zu erfassen: Zum einen ist der Begriff nicht klar definiert. Zum anderen bestimmen die Geberländer, was sie als klimarelevante Projekte ausweisen.
In einer kürzlich in Nature Climate Change veröffentlichten Studie habe ich mit zwei Kolleg:innen der ETH Zürich und der Universität St. Gallen die berichteten Klimafinanzflüsse der letzten 20 Jahre genauer untersucht.2 Mithilfe einer künstlichen Intelligenz haben wir 2,7 Millionen bilaterale Entwicklungsprojekte anhand ihrer Beschreibungstexte analysiert und nach ihrer Klimarelevanz klassifiziert.
Das Resultat: Für die Zeit nach Paris (2016-2019) identifizierten wir rund 40 Prozent weniger Klimafinanzierung als von den Industrieländern offiziell kommuniziert. Wir schliessen daraus, dass Geberländer nicht nur weniger zahlen als versprochen, sie weisen auch Projekte als klimarelevant aus, die wenig mit Klima zu tun haben – und umgekehrt: Projekte mit klarem Klimabezug werden nicht als solche gezählt.
Die Tendenz zu unerfüllten Versprechen ist problematisch: Für die Länder, die auf diese Unterstützung angewiesen sind; für die Konferenz, weil sich die Skepsis an der Sache direkt auf die Verhandlungen durchschlägt; und für uns alle, weil sich das Klima weiter erhitzt.
Gesucht: vertrauensfördernder Fahrplan
Ob die COP27 als die angekündigte «Konferenz der Umsetzung» in die Geschichtsbücher eingehen wird, hängt davon ab, ob sich die Staaten auf eine ambitionierte Finanzierungsagenda einigen können. Allerdings geht es dabei mittlerweile um weit mehr als das Versprechen von einst. Folgende Aspekte sind aus meiner Sicht zentral:
- Das «100 Milliarden Dollar Ziel» erfüllen
Kooperation kann nur gelingen, wenn man sich vertraut. Die Industrieländer müssen zeigen, dass sie ihr Versprechen halten. Das bedingt, dass sie die fehlenden Gelder bereitstellen und für ein gemeinsames Verständnis und Vertrauen sorgen. Hier setzt unser Analysetool Climate Finance BERT an: Indem es grundsätzlich allen Ländern erlaubt, Klimafinanzierung nach einheitlichen Kriterien zu überprüfen, schafft es Transparenz und erlaubt eine Diskussion auf Augenhöhe.2
- Die Basis für ein neues Finanzierungsziel legen
Ein gemeinsames Verständnis und mehr Vertrauen könnten auch bei den aktuell laufenden Expertendialogen für ein neues und höheres Finanzierungsziel ab 2025 helfen.3 An der COP27 wird darüber noch nicht verhandelt, aber es braucht ein klares Bekenntnis der Industrieländer führ mehr Unterstützung. Zudem sollte das Ziel Unterziele für Grants und Anpassungsfinanzierung beinhalten, damit ärmere Länder vermehrt von den Investitionen profitieren können.
- Bei der Bewältigung von Klimaschäden helfen
Entwicklungsländer fordern Unterstützung für vom Klimawandel verursachte Schäden.4 Bis anhin hatten sich Geberländer geweigert, explizit die Bewältigung von Klimaschäden zu finanzieren – unterstützt wurden nur die Emissionsreduktion und Anpassung (das «100 Milliarden Dollar Ziel»). Das könnte sich nun ändern.5 Zum ersten Mal signalisieren wichtige Geberländer wie die USA Unterstützung; und das Thema wurde in die Verhandlungen aufgenommen.
- Alle Länder müssen Emissionen senken
Bewegen sich die Industrieländer in den genannten Punkten, regen sich wahrscheinlich auch die Schwellenländer. Der Emissions Gap Report zeigt, dass China bereits doppelt so viel Treibhausgas ausstösst wie die USA.6 Realisierten alle Staaten ihre bisherigen Reduktionsziele, würden die globalen Emissionen bis 2030 um 5 bis 10 Prozent sinken. Nötig wären aber mindestens 30 Prozent. Ohne substanzielle Beiträge der Schwellenländer wird das nicht gelingen: Bis 2030 müssen sich die Investitionen in die Emissionsreduktion in Industrieländern mindestens vervierfachen und in Entwicklungsländern verdreifachen.
Wenn es an der COP27 gelingt, glaubwürdige Pfade für die Bereitstellung der notwendigen Investitionen aufzuzeigen, wäre das ein wichtiger vertrauensbildender Erfolg. Wir hoffen, dass unsere Forschung das Reporting der Klimafinanzierung transparenter macht – das käme auch den Verhandlungen über die Finanzierungssziele zugute.