Wir können den Klimawandel eindämmen
Der Weltklimarat (IPCC) hat heute den dritten Teil des Sechsten Sachstandsberichts (AR6, siehe Kasten) veröffentlicht. Er befasst sich mit der Frage, wie man Emissionen senken und den Klimawandel begrenzen kann.1 Ich habe als koordinierender Hauptautor der Arbeitsgruppe III am AR6 mitgearbeitet, wie schon vor acht Jahren am Fünften Sachstandsbericht (AR5). Für mich ist der bedeutendste Befund des jüngsten Teilberichts, wie viel sich seit 2014 verändert hat – zum Besseren. Wir erzählen heute nicht mehr dieselbe alte Geschichte. Lassen Sie mich drei bemerkenswert positive Trends hervorheben.
Das Emissionsgeschehen hat sich verändert
Im AR5 blickten wir besorgt auf das rasche Wirtschaftswachstum vor allem in Asien, das in den Nullerjahren zu einem stärkeren Anstieg der globalen CO2-Emissionen als je zuvor geführt hatte. Ein Jahrzehnt später sehen wir eine neue Dynamik: Die absoluten Wachstumsraten der Emissionen sind in den meisten Sektoren gesunken. Im globalen Energiesektor etwa wuchsen die Emissionen in den Jahren 2000 bis 2009 um durchschnittlich 2,4 Prozent, von 2010 bis 2019 jedoch nur noch um ein Prozent.
Pandemiebedingt brachen die Emissionen 2020 kurzfristig ein und schnellten 2021 wieder hoch, lagen aber deutlich unter dem Höchststand von 2019. Es ist offen, ob sie diesen nochmals erreichen werden. Inzwischen gibt es mehr als 20 Länder, die seit mindestens einem Jahrzehnt sinkende Emissionen bei wachsender Wirtschaft verzeichnen.
Technologien bieten Win-Win-Möglichkeiten
Im AR5 sahen wir sinkende Kosten von CO2-freien Technologien wie Photovoltaik und Windkraft, aber es war unklar, ob dieser Trend anhalten wird. Jetzt stellen wir fest, dass dies der Fall ist. Solar- und Windenergie sind heute wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Brennstoffen, selbst wenn man die Kosten für die Energiespeicherung mit einbezieht.
Heute können Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen fossile Brennstoffe durch erneuerbaren Strom ersetzen. Auch die Energieeffizienz hat sich verbessert. Die Märkte reagieren darauf: In Europa, China und Nordamerika entfallen weniger als 20 Prozent der Neuinvestitionen im Energiesektor auf fossile Technologien.
Wir wissen, was funktioniert
Im AR5 beschrieben wir die klimapolitischen Massnahmen einiger Länder, aber wussten noch nicht, ob sie funktionieren. Heute wissen wir, dass sie es tun. Bis 2016 wurden mittels Förderung und Anreizstrukturen CO2-Emissionen von fast sechs Milliarden Tonnen pro Jahr vermieden. Wir haben gelernt, dass solche Politikmassnahmen am wirksamsten sind, wenn sie gebündelt werden. Und wir sehen auch, dass internationale Absprachen wie das Pariser Klimaabkommen die Länder zu ehrgeizigeren Emissionssenkungen bewegen.
Der IPCC im sechsten Bewertungszyklus
Der sechste Sachstandsbericht (AR6) des IPCC umfasst drei Teilberichte. Letztes Jahr beschrieb die Arbeitsgruppe I die bisherigen und künftigen Veränderungen des Klimas (siehe Blogbeitrag von Sonja Seneviratne). Im Februar bewertete die Arbeitsgruppe II die Folgen für die Menschheit und wie wir uns anpassen können (siehe Blogbeitrag von Thomas Bernauer). Der jetzt erschienene Teilbericht der Arbeitsgruppe III schliesst den Zyklus ab und zeigt auf, wie sich der Klimawandel eindämmen lässt.
Kurz: All dies macht es politisch und wirtschaftlich möglich, in den kommenden zwei Jahrzehnten vollständig auf CO2-freie Technologien umzusteigen, und zwar nicht nur in den wohlhabenden Ländern, sondern auch im globalen Süden. Auch für Entwicklungsländer ist es machbar, wirtschaftlich zu wachsen, die Lebenserwartung zu steigern und gleichzeitig Emissionen zu senken.
Jetzt ist der Zeitpunkt zu handeln
Der neue Bericht enthält weitere Botschaften: Er analysiert, wie sich unser Lebensstil auf den Klimawandel auswirkt, woher die Emissionen kommen und wie wir sie in Bereichen wie Energie, Landwirtschaft, Gebäude, Städte und Verkehr verringern können. Allein die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger:innen umfasst 40 Seiten2, der Report selbst über tausend. Wenn es ein übergreifendes Thema gibt, bei dem sich alle Autor:innen einig sind, dann ist es, dass jetzt die Zeit zum Handeln ist.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, weil das Klima es verlangt. Wenn die weltweiten Emissionen nicht rasch sinken, und zwar bis 2030 auf etwa die Hälfte der Werte von 1990, werden wir die Chance verpassen, die globale Erwärmung auf den kritischen Wert von 1,5°C zu begrenzen. Anders ausgedrückt: Die positiven Veränderungen, die wir bisher gesehen haben, reichen nicht aus.
Jetzt ist Zeit, weil die technologischen, wirtschaftlichen und auch politischen Hürden gefallen sind. Win-Win-Situationen, wie oben beschrieben, senken die gesamtwirtschaftlichen Kosten für das Erreichen von netto null Emissionen bis 2050 massiv. Die Kosten könnten sogar negativ sein, wenn wir Nebeneffekte wie etwa bessere Luftqualität berücksichtigen.
Um alle fossilen Energiesysteme bis 2050 vollständig zu ersetzen, müssen sich die jährlichen Investitionen in CO2-freie Technologien in wohlhabenden Ländern mehr als verdoppeln und in Entwicklungsländern mindestens vervierfachen. Dies erfordert investitionsfördernde Regierungspolitiken. Zwar gibt es einige Anstrengungen, aber auch sie sind begrenzt. Es klafft eine grosse Lücke zwischen dem, was die Länder bis 2030 erreichen wollen, und dem, was nötig ist.
Dran bleiben
Ob wir schnell genug handeln werden, kann der neuste Bericht der Arbeitsgruppe III nicht beantworten. Die Giganten des fossilen Zeitalters werden leiden oder sterben, und es gibt mächtige Interessen, die sich dagegen wehren. Politische Kursänderungen erfordern Zeit, Verhandlungen und Kompromisse. In meinen Augen ist es wichtig, dass gut informierte Menschen den Druck auf unsere Regierungen aufrechterhalten, damit sie so entschlossen wie möglich handeln. Es liegt noch ein langer Weg vor uns.