«Ich bin hier um zu lernen, um etwas zu bewegen»
«…um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen…», wie es im legendären Vorspann von Raumschiff Enterprise heisst. Das klingt gar nicht nach Schweizer Bodenständigkeit und Ingenieurskunst, das klingt nach unbegrenzten Möglichkeiten, nach grossen Ideen und Budgets, wie sie Thomas Zurbuchen als NASA-Forschungschef hatte.
An die ETH Zürich ist Zurbuchen gekommen, um dem Ende 2022 lancierten Bereich ETH I Space und den entsprechenden Aktivitäten an der ETH Zürich einen gehörigen Schub zu verpassen. Und das soll nicht zuletzt durch Netzwerkeffekte gelingen, im Austausch mit all den Departementen, die an der ETH Zürich diesbezüglich schon pionierhafte Forschung betreiben.
Pionierarbeit für die Zukunft der Weltraumforschung
Die Weltraumbranche erlebe einen beispiellosen Boom, meint Zurbuchen. «Wir haben 10% Wachstum pro Jahr». Er sehe da ein «unglaubliches Potenzial» für die Schweiz, denn im Weltraum seien speziell unsere technologischen Stärken, «Deep Tech», gefragt: Präzision, Forschungsgeist, Spitzentechnologie. In diesen Punkten sieht er die ETH Zürich sehr gut und breit aufgestellt: «Wir fangen nicht bei Null an, die Zukunft ist schon da, wir müssen sie nur skalieren.»
Tatsächlich beeindruckt die Liste von ETH Zürich-Projekten, die sich ins All aufmachen, sei es das «Large Interferometer for Exoplanets», ein von der ETH Zürich geleitetes Missionskonzept zur Erforschung von Exoplaneten, oder die Mitentwicklung eines der zentralen Instrumente des James Webb Space Telescope. Und auch was die Nutzung von Satellitendaten in der ökologischen Forschung angeht, nimmt die Hochschule eine Pionierrolle ein.
Zurbuchen will vorhandene Aktivitäten im neu gegründeten Bereich bündeln und ihnen dadurch zu mehr Wirkung verhelfen. Er weiss, wie man Akteure vernetzt und Wirkungsfelder in Austausch bringt, wobei er insbesondere Ausbildung, Forschung und Unternehmertum nennt. Kaum angekommen hat er ein Team aus vier Departementen und Rektorat auf die Beine gestellt, das im Sommer 2024 den ersten Schweizer Masterstudiengang in Weltraumwissenschaft und -technologie an der ETH Zürich startet.
Schweizer Unternehmergeist fördern
Man merkt: Die Dynamik des Unternehmertums liegt ihm am Herzen. Die aktuell beobachtete «Riesenwelle» habe ganz entscheidend damit zu tun, dass immer mehr kommerzielle Programme den Weltraum eroberten. Diesen Pioniergeist will er auch in der Schweiz stärken: Neues komme viel eher aus dem Unternehmens- als aus dem Regierungsumfeld. Man denke nur an Elon Musk und seine wagemutigen Raketenexperimente. Es brauche eben die Jungen, die auch mal etwas «verrücktere Lösungen» vorschlagen. Zurbuchen will versuchen, für solche hellen Köpfe, die den Weltraum erobern möchten, auch in der Schweiz einen Platz zu schaffen.
Das erinnert ein wenig an Luxemburg, das sich in den letzten Jahren erfolgreich als Explorationshotspot für Rohstoffe aus dem All positioniert hat. Dass ein kleines Land so gut dastehe, dass neue Märkte geschaffen werden, ja, daran könne sich die Schweiz durchaus ein Vorbild nehmen, meint Zurbuchen. Wobei er die Stärken hierzulande eher im Forschungsbereich sieht. Es werde darum gehen, mehr interessante Sensoren und gute Forschungsansätze in den Weltraum zu bringen.
Gemeinsame Grundsätze für die zivile Erforschung des Weltraums erforderlich
Wie sieht er denn die ethischen Rahmenbedingungen, gerade wenn immer mehr profitorientierte Akteure in den Weltraum, zur «Final frontier» aufbrechen? Zurbuchen erwähnt die Artemis Accords, welche die Erforschung und Nutzung des Mondes international regeln sollen. «Es sind gemeinsame Grundsätze für die zivile Erforschung und die Nutzung des Weltraums erforderlich», steht darin. Das unterstreicht auch Zurbuchen, die internationale Zusammenarbeit sei zentral. Das werde nicht unbedingt einfach, aber «wir gehen in die richtige Richtung». Und wer weiss, vielleicht wird die Schweiz ja auch da eine grössere Rolle spielen können, wir kennen uns schliesslich nicht nur mit Hightechsensoren aus, sondern auch mit internationalen Abkommen.
Wie genau diese Rakete für die Schweiz gestartet werden wird, «wie man hierzulande etwas bewegen kann», das gilt es noch herauszufinden, gibt Zurbuchen erfrischend offen zu. «Ich bin hier, um zu lernen.» Aber man glaubt ihm aufs Wort, dass er sein «Aussenseitertum» als Stärke, nicht als Manko betrachtet. Auch in den USA sei er erfolgreich gewesen, gerade weil er anders war, weil er die kulturellen Begebenheiten erst kennenlernen musste. Nun wiederholt sich die Geschichte, mit umgekehrten Vorzeichen.