Intelligente Helme zur Vermeidung von Kopftraumata
Beim Eishockey sind Bodychecks Teil des Spiels. Die Spieler setzen oft Schulter, Hüfte oder Ellbogen ein, um einen Gegner in die Bande zu stossen, damit sie den Puck klauen können. Solche Aktionen sorgen zwar für viel Action und Spannung, können aber auch schwerwiegende Folgen haben. Der Schweizerische Eishockeyverband verzeichnete in der Saison 2016/2017 104 Gehirnerschütterungen in den beiden höchsten Ligen. Medizinische Versorgung und ein paar Tage Ruhe genügen in der Regel, damit sich die Spieler ohne wirkliche Folgen erholen. Aber in vielen Fällen wird die Schwere der Verletzung unterschätzt, weil die ersten Symptome leicht erscheinen. Und wiederholte Kopfstösse, die nicht richtig behandelt werden, können schwere Langzeitschäden am Gehirn verursachen. Die Hockeyverbände werden sich dieses Problems allmählich bewusst und suchen nach Lösungen, wie z. B. flexiblen Banden und besser gepolsterten Helmen.
Bearmind wurde von zwei ehemaligen Sportlern gegründet, die beschlossen, ihr technisches Know-how für die Verletzungsprävention einzusetzen. Ihr intelligenter Helm ist mit Sensoren ausgestattet, die mit einer Smartphone-App verbunden sind, die Spielern sowie Trainerinnen und Trainern Echtzeitinformationen über die Stärke, Häufigkeit und Schwere von Kopfstössen liefert. Ab der nächsten Saison werden die Sensoren in die Schaumstoffpolsterung der Helme integriert, um als Druckdetektoren zu dienen. Bearmind hat ehrgeizige Ziele: Das Unternehmen hofft, weitere Investoren für seine erste Finanzierungsrunde zu finden, die Anfang März bereits 1,3 Millionen Franken erreicht hatte, um seine Helme an US-Hockeyspieler zu liefern und Systeme für andere Sportarten zu entwickeln.
Verwandlung von Schaum in Druckdetektoren
Einige Spieler der beiden Westschweizer Eishockey-Nationalmannschaften – Lausanne und Ajoie Hockey Club – tragen derzeit Helme von Bearmind. Diese sehen genauso aus wie normale Helme, abgesehen von einer kleinen ovalen Vorrichtung, die an der Aussenseite angebracht ist, aber das wird sich nächste Saison ändern. Mathieu Falbriard, Mitbegründer und CEO von Bearmind, erklärt: «Wir arbeiten mit einem Helmhersteller zusammen, um unsere Sensoren in die Schaumstoffpolsterung einzubauen, die auf einer kürzlich von uns patentierten Technologie beruhen.» Diese Sensoren ermöglichen es der App, detaillierte Echtzeitinformationen über die Kraft und den Zeitpunkt von Kopfstössen zu übermitteln.
Die Technologie basiert auf Algorithmen, die Falbriard im Labor für Bewegungsanalyse und -messung der EPFL entwickelt hat. Sie sammeln Daten von allen Spielern, die den Helm tragen, so dass die von einem Athleten erlebten Stösse auch mit einem Durchschnitt verglichen werden können. Mit dem System von Bearmind wissen die Trainerinnen und Trainer, ob sie einen Spieler aus dem Spiel nehmen, sein Trainingsprogramm ändern oder zusätzliche Massnahmen ergreifen müssen, um Verletzungen zu vermeiden oder die Leistung zu verbessern. Tom Bertrand, Mitbegründer und COO von Bearmind, erklärt: «Unser Ziel ist es, dass Trainer den neurologischen Zustand von Sportlern überwachen können, so wie sie es bereits für den physischen und mentalen Zustand der Sportlerinnen und Sportler tun.»
Eine klinische Studie mit drei Eishockey-Nationalmannschaften
Eric Walsky, Trainer der U20-Hockeymannschaft von Genève-Servette, ist der Meinung, dass Kopfverletzungen «ein dem Spiel innewohnendes Risiko» sind. Er selbst erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, die seine sportliche Karriere beendete, aber seine Liebe zum Sport nicht schmälerte. Walskys Erfahrung machte ihm auch klar, dass Trainer und Spieler die Symptome einer Hirnverletzung, wie Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit, oft unterschätzen und dass die langfristigen Folgen dramatisch sein können. Wird eine Hirnverletzung nicht richtig behandelt oder erleidet ein Spieler weitere Kopfstösse, bevor die Verletzung vollständig ausgeheilt ist, kann er eine chronische traumatische Enzephalopathie entwickeln – eine neurodegenerative Erkrankung, die zu schweren und möglicherweise lebenslangen Verhaltens-, Stimmungs- und kognitiven Problemen führt. «Sportler beginnen oft zu früh nach einer Verletzung wieder zu trainieren und Wettkämpfe zu bestreiten, und manchmal werden sie von ihrem Umfeld dazu ermutigt», sagt Walsky. Intelligente Helme könnten dazu beitragen, dieser Tendenz entgegenzuwirken, indem sie kurz-, mittel- und langfristig objektive Daten liefern.
Bearmind testet derzeit im Rahmen einer von Innosuisse finanzierten klinischen Studie einen Prototyp des Helms am Universitätsspital Lausanne, um sein Potenzial als medizinisches Gerät zu bewerten: «Wir führen bei den Spielern, die unseren Helm tragen, regelmässige medizinische Untersuchungen durch, darunter ein funktionelles MRI zu Beginn und am Ende der Saison sowie im Falle eines Kopfaufpralls», sagt Falbriard, «ausserdem führen wir monatliche kognitive Auswertungen durch.» Die ersten Ergebnisse werden Ende dieses Jahres vorliegen.