Einsetzbare Elektroden für minimalinvasive Neurochirurgie
Stephanie Lacour hat sich auf die Entwicklung flexibler Elektroden spezialisiert, die sich dem bewegten Körper anpassen und eine zuverlässigere Verbindung zum Nervensystem herstellen. Ihre Arbeit ist von Natur aus interdisziplinär.
Als ein Neurochirurg Lacour und ihr Team bat, minimalinvasive Elektroden zu entwickeln, die durch den menschlichen Schädel eingeführt werden können, fanden sie eine elegante Lösung, die ihr Fachwissen über kompatible Elektroden voll ausschöpft und von Soft-Robotern inspiriert ist. Die Ergebnisse wurden in Science Robotics veröffentlicht.
Die Herausforderung? Ein grosses kortikales Elektrodenfeld durch ein kleines Loch im Schädel einzuführen und das Gerät in einem Raum von etwa 1 mm zwischen dem Schädel und der Hirnoberfläche anzubringen – ohne das Gehirn zu beschädigen.
«Minimalinvasive Neurotechnologien sind unerlässlich, um effiziente, auf den Patienten zugeschnittene Therapien anbieten zu können», sagt Stéphanie Lacour, Professorin am EPFL Neuro X Institute: «Wir mussten ein miniaturisiertes Elektrodenarray entwerfen, das sich falten, durch ein kleines Loch im Schädel führen und dann in einer flachen Oberfläche über der Hirnrinde entfalten kann. Wir haben dann Konzepte aus der weichen Bioelektronik und der weichen Robotik kombiniert.»
Von der Form der spiralförmigen Arme bis zur Entfaltung jedes Arms auf dem hochsensiblen Hirngewebe ist jeder Aspekt dieser neuartigen, entfaltbaren Elektrode eine ausgeklügelte Technik.
Der erste Prototyp besteht aus einer Elektrodenanordnung, die durch ein Loch mit einem Durchmesser von 2 cm passt, sich aber im entfalteten Zustand über eine Fläche mit einem Durchmesser von 4 cm erstreckt. Er hat 6 spiralförmige Arme, um die Oberfläche der Elektrodenanordnung und damit die Anzahl der Elektroden in Kontakt mit dem Kortex zu maximieren. Gerade Arme führen zu einer ungleichmässigen Verteilung der Elektroden und zu einer geringeren Kontaktfläche mit dem Gehirn.
Ähnlich wie ein spiralförmiger Schmetterling, der vor der Metamorphose kunstvoll in seinen Kokon gezwängt wird, ist die Elektrodenanordnung mit ihren spiralförmigen Armen in einem zylindrischen Rohr, dem Lader, ordentlich zusammengefaltet und kann durch das kleine Loch im Schädel eingesetzt werden.
Dank eines von der Soft-Robotik inspirierten Eversionsmechanismus wird jeder spiralförmige Arm sanft über dem empfindlichen Hirngewebe entfaltet. «Das Schöne an dem Eversionsmechanismus ist, dass wir eine beliebig grosse Elektrode mit einem konstanten und minimalen Druck auf das Gehirn entfalten können», sagt Suhko Song, Hauptautor der Studie. Die Soft-Robotik-Gemeinschaft hat sich sehr für diesen Eversionsmechanismus interessiert, weil er biologisch inspiriert ist. Dieser Eversionsmechanismus kann das Wachstum von Baumwurzeln imitieren und es gibt keine Beschränkungen, wie stark Baumwurzeln wachsen können.»
Die Elektrodenanordnung sieht eigentlich wie eine Art Gummihandschuh aus, mit flexiblen Elektroden auf einer Seite jedes spiralförmigen Fingers. Der Handschuh wird umgedreht und in das Innere des zylindrischen Ladegeräts gefaltet. Zur Entfaltung wird in jeden umgedrehten Finger eine Flüssigkeit eingefüllt, so dass sich der umgedrehte Finger auf der rechten Seite befindet, während er sich über dem Gehirn entfaltet.
Song untersuchte auch die Idee, den Arm der Elektrode aufzurollen, um sie zu entfalten. Doch je länger der Arm ist, desto dicker wird er, wenn er aufgerollt wird. Wenn die aufgerollte Elektrode zu dick wird, würde sie unweigerlich zu viel Platz zwischen Schädel und Gehirn einnehmen und gefährlichen Druck auf das Hirngewebe ausüben.
Das Elektrodenmuster wird durch Aufdampfen von flexiblem Gold auf sehr nachgiebige Elastomermaterialien hergestellt.
Bislang wurde die entfaltbare Elektrodenanordnung erfolgreich in einem Minischwein getestet. Die weiche Neurotechnologie wird nun von Neurosoft Bioelectronics, einem EPFL-Spin-off des Labors für weiche bioelektronische Grenzflächen, skaliert, das die klinische Umsetzung leiten wird. Das Spin-off wurde kürzlich von Innosuisse mit dem Swiss Accelerator in Höhe von 2,5 Millionen CHF unterstützt.