Schweizer Solarboot tritt mit revolutionärem Design an
Das sieben Meter lange Swiss Solar Boat ist kein gewöhnliches Boot. Nicht nur, weil es mit Solarenergie betrieben wird, sondern auch, weil es ein komplexes Single-Outrigger-Design, eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Knoten und einen Piloten an Bord hat. Seine asymmetrische Seite hat ihm den Namen «Dahu» eingebracht. In diesem Jahr wird das EPFL-Team, das hinter dem Boot steht, seinen Entwurf in Originalgrösse bei der Monaco Solar & Energy Boat Challenge vom 6. bis 10. Juli gegen rund 40 andere Teilnehmende testen.
3D-Darstellung des Schweizer Solarboots, das wegen seiner asymmetrischen Seite «Dahu» genannt wird © 2021 EPFL
Die Geschichte begann im Jahr 2014 mit dem Wettbewerb HydroContest. Bei diesem Modellbootrennen, das sechs Jahre in Folge stattfand, testeten Studierendenteams aus der ganzen Welt Prototypen ihrer Bootsentwürfe, um das leistungsstärkste zu finden. «Als das Rennen 2019 abgesagt wurde, haben wir mit den Universitäten in Fribourg und Yverdon zusammengearbeitet, um den Wettbewerb HydroContest X zu veranstalten, damit die Studierenden ihre Projekte bis zum Ende durchziehen konnten. Mehrere Monate lang haben wir uns gefragt, wie wir unsere Initiative weiterführen können, bis wir von der Monaco Solar & Energy Boat Challenge erfuhren», sagt Robin Amacher, der Schweizer Solarboot-Projektkoordinator und ein erfahrener Segler.
Während des HydroContest X im Jahr 2019 kam ein Team von EPFL-Studierenden auf die Idee eines ferngesteuerten Bifoiler. Ihr Prototyp, der über einen Ausleger verfügte, diente als Inspiration für das Swiss Solar Boat. Das Swiss Solar Boat ist einem Proa nachempfunden, einem asymmetrischen, mehrrumpfigen polynesischen Kanu mit einem Ausleger auf einer Seite. Weil das Boot, das in Monaco antritt, aber doppelt so gross ist wie der Prototyp von 2019 und eine ganz andere Form hat, ist die Konstruktion viel komplizierter. Die 60 Studierenden, die am Swiss Solar Boat arbeiten, haben sich die Erfahrungen zunutze gemacht, die frühere EPFL-Teams im Laufe der Jahre gesammelt haben, müssen aber die gesamte Energiekette, von den Solarzellen bis zur Batterie, von Grund auf neu entwickeln.
Kleiner HydroContest Prao, der als Demonstrator für das Swiss Solar Boat diente © 2020 EPFL
Hand in Hand mit lokalen Unternehmen arbeiten
Lokale Unternehmen spielen eine wichtige Rolle im Swiss Solar Boat Projekt und geben Studierenden die Möglichkeit, in einem professionellen Umfeld zu arbeiten. Eines dieser Unternehmen ist Decision SA, das bereits beim Bau von Booten für grosse Rennteams wie Alinghi geholfen hat. Decision stellt den Studierenden seine Werkstätten und Ausrüstung für den Bau der grösseren Komponenten ihres Bootes zur Verfügung. Andere Partnerunternehmen sind: North Thin Ply Technology, ein Entwickler von Hightech-Materialien, der die Kohlefaser für das Boot zur Verfügung stellt, und CGN, die Schifffahrtsgesellschaft des Genfersees, die dem Team eine Operationsbasis am See sowie einen Kran zur Verfügung stellen, da das Swiss Solar Boat zu gross sein wird, um es in den Werkstätten der EPFL zusammenzubauen. Das Team arbeitet auch mit dem CSEM und dem PV-Labor der EPFL in Neuchâtel zusammen, um Solarzellen aus monokristallinem Silizium zu entwickeln.
«Wir schätzen, dass das Boot über zwei Jahre hinweg 200 000 CHF kosten wird, aber es ist schwer, eine genaue Zahl zu nennen. Wenn man den gesamten Zeitaufwand, die geliehenen Anlagen, die gegründeten Joint Ventures und die verwendeten Materialien mit einbezieht, würden die Gesamtkosten über eine Million Franken betragen», sagt Amacher.
Im Team arbeiten und von der Theorie wegkommen © 2021 Alain Herzog
Passionierte Studierende
Alle am Swiss Solar Boat beteiligten Studierenden sind sich der hervorragenden Bildungschance bewusst, die diese Art von Projekt bietet, und engagieren sich voll dafür, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen.
Sébastien Jaffaux, ein Masterstudent in Maschinenbau, nahm am HydroContest teil, als er 2017 an die EPFL kam. Heute ist er Vizepräsident und CTO des Vereins Swiss Solar Boat: «Was mich an dem Projekt gereizt hat, war die Herausforderung, in einem so grossen Team mit Leuten aus so vielen verschiedenen Perspektiven und mit so unterschiedlichen Hintergründen zu arbeiten – von der Elektrotechnik bis zum Mikroingenieurwesen», sagt er.
Lukanaël Kopf, ebenfalls Masterstudent des Maschinenbaus, reizte die Möglichkeit, die im Unterricht gelernte Theorie anzuwenden: «Ich musste von meinen Seminararbeiten und Berechnungen Abstand nehmen und einen praktischen Ansatz wählen, um zu sehen, wie das Wissen für etwas Konkretes genutzt werden kann», sagt er.
Studierende, die neu in das Projekt einsteigen, wissen, dass sie beim Einarbeiten von den erfahreneren Mitgliedern beraten werden. Tatiana Cogne, Bachelor-Studentin für Kommunikationssysteme, kam vor acht Monaten zum Swiss Solar Boat Team: «Ich habe mich angemeldet, weil ich sonst die meiste Zeit vor dem Computer verbringen würde. Ich wollte etwas anderes erleben und mich an einem interdisziplinären Projekt beteiligen, bei dem ich sowohl mit Bachelor- als auch mit Masterstudierenden aus anderen Bereichen zusammenarbeiten kann», sagt sie.
Cogne ist gerade dabei, ihren Segelschein zu machen und wird eine der Ersatzpilotinnen für das Rennen sein. Der Hauptpilot ist Adrien Peltier, ein Masterstudent des Maschinenbaus. Er wird das 7 m lange und 2,4 m breite Boot steuern, das eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Knoten und eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Knoten oder 60 km/h haben wird. «Ich muss mich daran gewöhnen, wie es funktioniert und reagiert, und es an seine Grenzen bringen, ohne die Systeme zu überlasten», sagt Peltier.
Die Teilnehmenden der Monaco Solar & Energy Boat Challenge müssen sich an strenge Sicherheitsregeln halten. Die Batterien der Boote dürfen nur durch Solarenergie aufgeladen werden und eine maximale Speicherkapazität von 1500 kWh haben. Das elektrische System des Bootes darf eine maximale Spannung von 52 V haben. Die Batterie muss mindestens einen Meter vom Piloten entfernt sein, der einen orangefarbenen Helm tragen und in der Lage sein muss, das Boot innerhalb von fünf Sekunden ohne jegliche Hilfe von aussen zu verlassen.
Adrien Peltier im Swiss Solar Boat beim ersten Start © 2021 EPFL SSB
Eine Weltneuheit
Es ist das erste Mal, dass ein Team in Monaco mit einem Proa-basierten Hydrofoil-Design antritt – und das ist ein gewagtes Unterfangen: «Ich bin stolz darauf, mit einem innovativen Design anzutreten, das nicht nur eine Kopie anderer Rennboote ist», sagt Amacher, «und ich denke, das ist wichtig für eine Ingenieurschule. Wir gehen Risiken ein und nehmen die Konsequenzen in Kauf. Aber auch wenn nicht alles nach Plan läuft, werden die Studierenden gewinnen. Sie gewinnen an Reife und Erfahrung, erwerben neue Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen, verbessern ihre Team- und Kommunikationsfähigkeiten und lernen von den Studierenden anderer Fakultäten.
Unterstützung durch EPFL
Das Swiss Solar Boat ist eines der grossen Projekte, die im Rahmen der MAKE-Initiative der EPFL durchgeführt werden, bei der die Studierenden wertvolle Unterstützung sowohl von der EPFL als auch von lokalen Unternehmen erhalten. «Wir wollen, dass die MAKE-Studierenden auf das gesamte Ökosystem unserer Schule zurückgreifen können», sagt Julien Delisle, MAKE-Projektkoordinator, «das stärkt unsere Beziehungen zu den Partnerunternehmen und macht unsere Studierenden besser vermittelbar. Unser Ziel ist es, die Lernerfahrung der Studierenden zu verbessern und sie mit verschiedenen Disziplinen vertraut zu machen, damit sie bessere Ingenieurinnen und Ingenieure werden.»
Die MAKE-Projekte werden in den Discovery Learning Labs (DLLs) der EPFL durchgeführt, die Teil des Discovery Learning Programms sind. Pascal Vuilliomenet, der Leiter des Programms, erklärt: «Die DLLs sind Teil des MAKE-Lernmikrokosmos. In diesen Labs führen die Studierenden praktische Projektarbeit durch, für die sie Credits erhalten, sie bekommen Input von ihren Professorinnen und Professoren und werden von Coaches unterstützt, die eine eher pragmatische, betriebsbezogene Perspektive vermitteln. Zu den Einrichtungen der Labore gehören Bereiche zum Entwickeln, Testen und Montieren von Prototypen. Die Studierenden können sich auch an die professionellen Werkstätten der EPFL wenden, um Hilfe beim Bau der komplizierten Teile zu erhalten, die sie selbst entworfen haben.»