Röntgenmikroskopie mit 1000 Tomogrammen pro Sekunde
Die Computertomografie kennen die meisten Menschen aus der Medizin: Dabei wird ein Körperteil von allen Seiten mit Röntgenlicht durchleuchtet und eine Software errechnet daraus ein dreidimensionales Bild, aus dem sich beliebige Schnittbilder für die Diagnose erstellen lassen.
Auch für die Materialanalyse, die zerstörungsfreie Qualitätsprüfung oder bei der Entwicklung von neuen funktionalen Materialien ist diese Methode sehr nützlich. Um solche Materialien mit hoher räumlicher Auflösung und in kürzester Zeit zu untersuchen, ist allerdings das besonders intensive Röntgenlicht einer Synchrotronlichtquelle erforderlich. Im Synchrotronlicht lassen sich sogar schnelle Veränderungen und Prozesse in Materialproben abbilden, wenn es gelingt, dreidimensionale Bilder in sehr kurzer zeitlicher Abfolge aufzunehmen.
Daran arbeitet ein Team um Francisco García Moreno vom Helmholtz-Zentrum Berlin zusammen mit Forschenden an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am Paul Scherrer Institut PSI. Vor zwei Jahren schafften sie einen Rekordwert von 200 Tomogrammen pro Sekunde, die Methode der schnellen Bildgebung bezeichneten sie als Tomoskopie. Nun hat das Team einen neuen Weltrekord erreicht: Mit 1000 Tomogrammen pro Sekunde können sie jetzt noch schnellere Prozesse in Materialien oder bei ihrer Herstellung festhalten. Das gelingt ohne grosse Abstriche bei den sonstigen Parametern: Die räumliche Auflösung ist weiterhin sehr gut und liegt bei einigen Mikrometern, das Sichtfeld beträgt mehrere Quadratmillimeter und kontinuierliche Aufnahmezeiträume bis zu einigen Minuten sind möglich.
Spezialtisch schafft 500 Umdrehungen pro Sekunde
Für die Röntgenaufnahmen wird die Probe auf einem selbst entwickelten Hochgeschwindigkeits-Rotationstisch platziert, dessen Winkelgeschwindigkeit perfekt mit der Aufnahmegeschwindigkeit der Kamera synchronisiert werden kann. «Bei diesem Drehtisch haben wir besonders leichte Komponenten eingesetzt, sodass er sich 500 Mal pro Sekunde um die eigene Achse drehen kann und dabei trotzdem stabil bleibt», erläutert García Moreno.
Aus 40 Aufnahmen pro Millisekunde wird ein 3-D-Bild
An der auf zeitaufgelöste Röntgenbildgebung spezialisierten Tomcat-Strahllinie an der SLS hat der PSI-Physiker Christian Schlepütz eine neue Hochgeschwindigkeitskamera und eine besondere Optik eingesetzt. «Dadurch erhöht sich die Empfindlichkeit sehr deutlich, sodass wir in einer Millisekunde 40 2-D-Projektionen aufnehmen können, aus denen wir dann je ein Tomogramm erstellen», erklärt Schlepütz. Somit entsteht ein 3-D-Bild pro Millisekunde, also 1000 3-D-Bilder pro Sekunde. Mit dem geplanten SLS-2.0-Upgrade sollen ab dem Jahr 2025 sogar noch schnellere Messungen mit höherer räumlicher Auflösung möglich werden.
Die Leistungsfähigkeit der Tomoskopie demonstrierte das Team an verschiedenen Beispielen aus der Materialforschung: Die Aufnahmen zeigen die extrem schnellen Veränderungen beim Abbrennen einer Wunderkerze, die Bildung von Dendriten beim Erstarren von Gusslegierungen oder das Wachstum und das Verschmelzen von Blasen in einem flüssigen Metallschaum. Solche Metallschäume auf Basis von Aluminiumlegierungen werden als Leichtbaumaterialien untersucht, zum Beispiel für den Bau von Elektroautos. Auf Morphologie, Grösse und Vernetzung der Bläschen kommt es an, um die gewünschten mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit in grossen Bauteilen zu erreichen.
«Diese Methode öffnet eine Tür für die zerstörungsfreie Untersuchung von schnellen Prozessen in Materialien, darauf haben viele Forschungsgruppen und auch die Industrie gewartet», sagt García Moreno.
Text: Erstellt auf der Grundlage einer Medienmitteilung des Helmholtz-Zentrum Berlin mit Ergänzungen des Paul Scherrer Instituts