Tropische Wälder brauchen zur natürlichen Regeneration fruchtfressende Vögel
In Kürze
- Fruchtfressende Vögel spielen eine wichtige Rolle in den Waldökosystemen, insbesondere im Atlantischen Regenwald in Brasilien.
- Wildlebende Vögel können das Kohlenstoffpotenzial in sich regenerierenden tropischen Wäldern um bis zu 38 Prozent erhöhen.
- Die Erhöhung der Waldbedeckung auf über 40 Prozent kann für den Erfolg von Wiederherstellungsinitiativen entscheidend sein.
Eine neue Studie des Crowther Lab der ETH Zürich zeigt, dass es ein entscheidendes Hindernis für die natürliche Regeneration von Tropenwäldern gibt: Die Modelle, die mit Beobachtungsdaten aus der Mata Atlântica, dem atlantischen Regenwald Brasiliens, erstellt wurden, zeigen, dass bei der Regeneration von Tropenwäldern bis zu 38 Prozent mehr Kohlenstoff gespeichert werden könnte, wenn sich wilde Vögel frei zwischen den Waldgebieten bewegen könnten.
Das Kohlenstoffpotenzial von Vogelsamen
Fruchtfressende Vögel wie der Türkisnaschvogel, die Palmentangare oder die Rotbauchdrossel spielen eine wichtige Rolle in Waldökosystemen, da sie auf ihrem Weg durch die Waldlandschaft Samen aufnehmen, ausscheiden und verbreiten. Zwischen 70 und 90 Prozent der Baumarten in tropischen Wäldern sind darauf angewiesen, dass Tiere ihre Samen verbreiten. Das ist nötig, damit Wälder wachsen und ihre Funktion erfüllen können.
Schon frühere Studien haben gezeigt, wie wichtig Vögel für die Biodiversität in Wäldern sind, aber die Forschenden des Crowther Lab verstehen nun auch quantitativ, wie Vögel zur Wiederherstellung von Wäldern beitragen.
Die neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen ist, belegt den wichtigen Beitrag von fruchtfressenden Wildvögeln zur Regeneration der Wälder. Die Forschenden verglichen das Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung von wenig fragmentierten Landschaften mit dem von stark zerstückelten Landschaften. Die Daten zeigen, dass stark fragmentierte Landschaften die Bewegung von Vögeln einschränken und dadurch bis zu 38 Prozent weniger Kohlenstoff gespeichert werden kann.
Im Gebiet der Mata Atlântica stellten die Forschenden fest, dass der Erhalt von mindestens 40 Prozent Waldbedeckung entscheidend ist. Ausserdem fanden sie heraus, dass der Abstand zwischen zwei Waldgebieten höchstens rund 130 Meter betragen darf, damit sich die Vögel weiterhin durch die Landschaft bewegen und für deren ökologische Erholung sorgen können.
Die Studie ergab weiter, dass verschiedene Vogelarten die Pflanzensamen unterschiedlich verbreiten. Kleinere Vögel verbreiten mehr Samen, können aber nur kleine Samen von Bäumen mit geringerem Kohlenstoffspeicherpotenzial aufnehmen. Grössere Vögel wie der Riesentukan oder der Krauskopf-Blaurabe verbreiten dagegen die Samen von Bäumen mit höherem Kohlenstoffspeicherpotenzial. Bei den grösseren Vögeln ist jedoch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie in stark zerstückelten Landschaften zwischen den einzelnen Waldgebieten umherfliegen.
«Dank dieser wichtigen Informationen können wir dort, wo die Waldbedeckung diesen Schwellenwert unterschreitet und Wiederherstellungsmassnahmen daher besonders dringend und effektiv sind, gezielt aktiv werden, etwa indem wir Bäume pflanzen», sagt Daisy Dent, Wissenschaftlerin am Crowther Lab der ETH Zürich.
Ökosystemleistungen wiederherstellen
«Damit sich Tropenwälder gut regenerieren, müssen sich grössere Fruchtfresser frei zwischen den Waldgebieten bewegen können», sagt Carolina Bello, Postdoktorandin am Crowther Lab der ETH Zürich und Hauptautorin der Studie. «Diese Studie zeigt, dass gerade in tropischen Ökosystemen die Samenverbreitung durch Vögel entscheidend dafür ist, welche Baumarten sich regenerieren können.»
Auf Basis der aktuellen Daten geht die Studie über die Ergebnisse früherer Untersuchungen hinaus, die die Autorinnen und Autoren in der Mata Atlântica vor Ort durchgeführt haben. Der Atlantische Regenwald ist eine der Regionen mit der grössten biologischen Vielfalt der Welt. Sie ist aber auch eine mit der stärksten Fragmentierung: Nur 12 Prozent des ursprünglichen Waldes sind noch vorhanden, verteilt auf kleine Gebiete. Ausserdem ist der Wald eine der wichtigsten Regionen der Erde, in der eine grossflächige ökologische Wiederherstellung geplant ist: Im Rahmen des Abkommens zur Wiederherstellung der Mata Atlântica soll der Wald auf einer Fläche von 12 Millionen Hektar wiederhergestellt werden oder sich auf natürliche Weise regenerieren.
Die Studie zeigt: Erhöht man die Waldbedeckung auf über 40 Prozent, erhält und fördert man damit nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch funktionierende Ökosystemleistungen wie Samenverbreitung und Kohlenstoffspeicherung. Dies soll der Wiederherstellungsinitiative in dieser Region zu grösstmöglichem Erfolg verhelfen.
«Wir haben schon immer gewusst, dass Vögel wichtig sind, aber das Ausmass dieser Effekte hat uns überrascht», sagt Thomas Crowther, Professor für Ökologie an der ETH Zürich und leitender Co-Autor der Studie. «Wenn wir die Komplexität des Lebens in diesen Wäldern wiederherstellen können, erhöht sich ihr Potenzial für die Speicherung von Kohlenstoff deutlich.»
Strategien zur Wiederherstellung von Tropenwäldern
Frühere Studien deuten darauf hin, dass die Wiederherstellung von Wäldern in der Mata Atlântica mehr als 2,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden könnte und dass die natürliche Regeneration um 77 Prozent kostengünstiger wäre als Baumpflanzungen.
In tropischen Gebieten, in denen eine passive Regeneration wahrscheinlicher ist, gibt es nach Ansicht der Forschenden verschiedene Strategien, um die Wanderung von Tieren zu fördern, zum Beispiel durch das Pflanzen von Fruchtbäumen und die Verhinderung von Wilderei. In stark fragmentierten Landschaften sind dagegen aktive Wiederherstellungsmassnahmen notwendig.
«Wenn wir wissen, ab welchem Waldbedeckungsgrad sich Samen in der umgebenden Landschaft ausbreiten können, wissen wir auch, wo eine natürliche Regeneration möglich ist und wo wir aktiv Bäume pflanzen müssen. So können wir die Wiederherstellung der Wälder so kostengünstig wie möglich gestalten», sagt Danielle Ramos, Mitautorin der Studie von der Universität Exeter in Großbritannien und der Universidade Estadual Paulista, Rio Claro, São Paulo, Brasilien.