Die ersten Klimastreiks hatten Einfluss auf die Schweizer Bevölkerung
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg machte im September 2019 Schlagzeilen mit ihren Fridays for Future-Klimastreiks, bei denen rund 4 Millionen Studierende in 150 Ländern protestierten, um Massnahmen gegen den Klimawandel zu fordern. Aus Frustration über die schleppende Reaktion der politischen Entscheidungsträger auf die globale Erwärmung brachten diese Studierenden mit friedlichen Protesten ihre Wut zum Ausdruck und machten auf den stetigen Anstieg der Treibhausgasemissionen aufmerksam. Bisher konzentrierten sich die meisten Presseberichte und Untersuchungen über die Fridays for Future auf die an der Bewegung beteiligten Personen, während nur wenige Studien die Auswirkungen der Bewegung auf die Gesellschaft als Ganzes untersucht haben.
Livia Fritz, eine EPFL-Forscherin, die sich mit den sozialen und politischen Aspekten des Klimawandels befasst, beschloss, die gesellschaftlichen Auswirkungen der «Fridays for Future» im Rahmen einer Studie zu untersuchen, die sie zusammen mit Kollegen des Laboratory on Human-Environment Relations in Urban Systems (HERUS) der EPFL School of Architecture, Civil and Environmental Engineering (ENAC) durchgeführt hat. Ihre Ergebnisse erscheinen in Sustainability Science.
«Wir haben uns speziell die Menschen in der Schweiz angeschaut, die nicht an den Protesten teilgenommen haben», sagt Fritz, «wir wollten sehen, ob die Bewegung zu konkreten Verhaltensänderungen geführt hat.» Für ihre Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Oktober und November 2019, also kurz nach dem Höhepunkt der Klimastreiks, eine Umfrage unter Schweizer Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Sie umfasste allgemeine Fragen zu den Umweltgewohnheiten der Befragten sowie spezifischere Fragen zu den Veränderungen nach den Streiks. Die Umfrage wurde online unter 1206 Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren durchgeführt, die in der Deutschschweiz oder der Romandie leben. Die Befragten waren in Bezug auf Geschlecht und Alter repräsentativ für die gesamte Schweizer Bevölkerung, wobei Personen mit einem höheren Bildungsniveau überrepräsentiert waren.
Verkehr, Einkaufsgewohnheiten und Recycling
«Wir haben die Antworten mit statistischen Methoden analysiert und qualitative Informationen durch offene Fragen gesammelt, bei denen die Teilnehmenden genau beschreiben konnten, wie sie ihr Verhalten geändert haben», sagt Fritz. Auf die Frage nach ihrer Meinung über Thunberg und Fridays for Future – auf einer Skala von «sehr negativ» bis «sehr positiv» – sagte die Mehrheit der Befragten, dass sie sowohl Thunberg als auch die Bewegung positiv sehen. Hat sich dies in konkreten Änderungen ihrer täglichen Gewohnheiten niedergeschlagen? Ja, nach Meinung von fast 30 % der Befragten.
«Unsere Studie untersuchte nur die Wahrnehmung der Menschen in Bezug auf ihr Verhalten – wir sind nicht losgezogen und haben ihre Aussagen überprüft», sagt Fritz, «aber unsere Ergebnisse zeigen, dass die Menschen sich bewusster geworden sind, wie sich ihr Verhalten auf die Umwelt auswirkt, und dass auf individueller Ebene erhebliche Veränderungen im Gange sind.»
Die meisten der wahrgenommenen Veränderungen betrafen drei Bereiche des täglichen Lebens der Befragten: Verkehr, Einkaufsgewohnheiten und Recycling. So gaben die Befragten beispielsweise an, dass sie jetzt eher nach Alternativen zum Autofahren zur Arbeit suchen, Urlaubsziele in der Nähe ihres Wohnortes wählen, um nicht fliegen zu müssen, regionale und biologische Produkte bevorzugen und mehr vegetarische Gerichte essen. Sie gaben auch an, dass sie sich bemühen, Abfall zu reduzieren – insbesondere Plastikmüll. Die meisten derjenigen, die angaben, ihr Verhalten geändert zu haben, waren bereits vor der Bewegung für Umweltfragen sensibilisiert und verfügten über ein höheres Bildungsniveau.
«Unsere Studie hat gezeigt, dass diese Art von bürgerschaftlichem Engagement durch kollektives Handeln direkte Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann, was bestätigt, dass ein solches Handeln gerechtfertigt ist», sagt Fritz, «Wir haben auch gesehen, dass Veränderungen auf individueller Ebene zu einem breiteren gesellschaftlichen Wandel führen können, wenn sie gleichzeitig durch politisches Handeln unterstützt werden. Beide Arten von Impulsen sind notwendig, wenn wir langfristige Ergebnisse in dem für die Eindämmung der globalen Erwärmung erforderlichen Zeitrahmen erzielen wollen.»