Symbionten fördern Biodiversität
Symbiotische Beziehungen sind gar nicht so selten, wie wir manchmal meinen. In der Natur ist die Symbiose weit verbreitet, zum Beispiel bei Blattläusen. Man bezeichnet damit das enge Zusammenleben von zwei Arten, die teilweise voneinander profitieren. So beherbergt etwa die schwarze Bohnenblattlaus (Aphis fabae) das Bakterium Hamiltonella defensa in ihrem Körper. Diese Bakterien, welche Prof. Christoph Vorburger vom Wasserforschungsinstitut Eawag untersucht, profitieren von der Blattlaus als Lebensraum. Weil sie innerhalb des Wirtsorganismus leben, nennt man sie auch Endosymbioten (griech. «endon»: innen). «Als Gegenleistung bieten sie der Blattlaus eine Art zusätzlichen Abwehrmechanismus zum Schutz gegen Parasiten», sagt Vorburger, Leiter der Abteilung Aquatische Ökologie und Titularprofessor an der ETH Zürich.
Diverse Einflüsse auf die Biodiversität
In einem Review im renommierten entomologischen Fachblatt «Annual Review of Entomology» zeigt er, wie die von den Bakterien produzierten Toxine vermutlich die Eier der winzigen Schlupfwespe Lysiphlebus fabarum töten. Dies rettet der Blattlaus das Leben, denn aus den Eiern würden sonst Larven schlüpfen, welche die Blattläuse von innen auffressen. Für die Blattläuse ist dieser zusätzliche Verteidigungsmechanismus so wichtig, dass die Mutter die Bakterien sogar an ihre eigenen Kinder weitervererben kann. Vorburger bezeichnet die Endosymbionten daher als eine Art zusätzliche Ebene von Biodiversität.
Vorburger erforscht die Beziehung zwischen Blattläusen und Schlupfwespen schon lange. Seine Forschung reiht sich ein in die Tradition von Wirt-Parasiten-Forschung an der Eawag, die auch Wasserschnecken und Wasserflöhe umfasst. Bisher zu wenig beachtet worden sei jedoch der Aspekt des Dritten im Bunde: der Endosymbionten. «Und insbesondere ihr Einfluss auf die Biodiversität», so Vorburger. Endosymbionten würden nicht nur selber eine Form der Biodiversität darstellen, sondern zusätzlich auch die Entstehung biologischer Vielfalt bei den Schlupfwespen fördern.
Evolutionäres Wettrüsten
Um dies zu untersuchen, haben Forschende seines Teams die Evolution in einfacher Form im Labor abgebildet. Das nennt man experimentelle Evolution. Dazu haben sie zwei Gruppen von Blattläusen gebildet, die je mit einem anderen Stamm des Bakteriums Hamiltonella defensa infiziert waren. Über viele Generationen hinweg wurden die Blattläuse zusammen mit Schlupfwespen gehalten, welche versuchten, die Läuse zu parasitieren. Zunächst mit mässigem Erfolg: Dank der Bakterien-Toxine waren die Blattläuse sicher geschützt. «Die meisten Wespen starben – jedoch nicht alle», so Vorburger. Und die Zahl der überlebenden Wespen stieg von Generation zu Generation an. «Das Experiment hat jene Wespen selektioniert, welche rein zufällig am besten mit dem Toxin zurechtkamen. Diese haben diese Fähigkeit dann an ihre Nachfahren weitergegeben, so dass wir am Ende eine Wespenpopulation hatten, welche sehr gut an das Toxin angepasst war», erklärt der Biologe.
Interessanterweise galt dies jedoch nur für den bestimmten Bakterien-Stamm, dem sie ausgesetzt waren. Die beiden Wespenpopulationen waren daher nur an «ihr» Toxin angepasst. Als die Forscher sie vertauschten, nutzte ihnen die Anpassung nichts und sie hatten keine Chance gegen das Toxin des anderen Stammes. «Wir kennen dieses evolutionäre Wettrüsten zwischen Wirt und Parasit, bei dem sich beide immer weiter entwickeln, schon lange», so Vorburger. «Neu ist jedoch, dass sich der Parasit hier gar nicht an den eigentlichen Wirt, also die Blattlaus, anpasst, sondern an dessen Endosymbionten, und dass diese Anpassung zu einer Spezialisierung der Parasiten führt.» Endosymbionten können also als eine Kraft verstanden werden, welche die Evolution antreibt und damit die genetische Vielfalt bei den natürlichen Feinden der Blattläuse, den Schlupfwespen erhöht.
Nützlinge im biologischen Lebensmittelanbau
Dies könnte auch ganz praktische Auswirkungen haben. Die von Vorburger untersuchten Blattläuse sind bekannte Schädlinge im Lebensmittelanbau, insbesondere in Gewächshäusern, und gehören zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Schädlingen weltweit. Die parasitierenden Schlupfwespen werden daher in der Schädlingsbekämpfung schon seit längerer Zeit als Alternative zu Insektiziden eingesetzt. «Wir beobachten dabei aber immer wieder Fälle, wo die Bekämpfung via Wespen überraschend schlecht funktioniert», so Vorburger. Es sei daher gut möglich, dass in diesem Fall die Blattläuse einen Bakterien-Stamm beherbergen würden, an den die Wespen nicht angepasst sind. Künftig werde man überlegen müssen, ob man speziell dafür angepasste Wespen züchten könnte.
Symbiotische Beziehungen als Schutz vor Parasiten und als treibende Kraft für die Evolution: Dieser beschriebene Mechanismus dürfte nicht nur bei Insekten eine Rolle spielen, sondern in der Natur weiter verbreitet sein, als man meint.