Schokoladenroboter zum Dessert?
Roboter und Lebensmittel waren lange Zeit weit voneinander entfernt: Roboter sind anorganisch, sperrig und nicht wegwerfbar; Lebensmittel sind organisch, weich und biologisch abbaubar. Dennoch hat die Forschung zur Entwicklung essbarer Roboter in letzter Zeit Fortschritte gemacht und verspricht positive Auswirkungen: Lebensmittelroboter könnten den Elektroschrott reduzieren, Menschen und Tiere in Not mit Nahrung und Medikamenten versorgen, die Gesundheit überwachen und sogar den Weg für neue gastronomische Erlebnisse ebnen. Aber wie weit sind wir davon entfernt, einen vollständig essbaren Roboter als Mittagessen oder Dessert zu haben? Und was sind die Herausforderungen? Forschende des RoboFood-Projekts, das an der EPFL angesiedelt ist, gehen diesen und anderen Fragen in einem neuen perspektivischen Artikel in der Zeitschrift Nature Reviews Materials nach.
«Roboter und Lebensmittel zusammenzubringen ist eine faszinierende Herausforderung», sagt Dario Floreano, Direktor des Labors für intelligente Systeme an der EPFL und Erstautor des Artikels. Im Jahr 2021 lancierte Floreano zusammen mit Remko Boom von der Universität Wageningen (Niederlande), Jonathan Rossiter von der Universität Bristol (Grossbritannien) und Mario Caironi vom Italian Institute of Technology das Projekt RoboFood, das von der EU mit 3,5 Millionen Euro für vier Jahre finanziert wird.
In dem perspektivischen Artikel analysieren die RoboFood-Autoren, welche essbaren Zutaten zur Herstellung von essbaren Roboterteilen und ganzen Robotern verwendet werden können, und erörtern die Herausforderungen bei der Herstellung: «Wir sind noch dabei herauszufinden, welche essbaren Materialien ähnlich funktionieren wie nicht essbare», sagt Floreano. Gelatine kann beispielsweise Gummi ersetzen, Reiskekse ähneln Schaumstoff, ein Schokoladenfilm kann Roboter in feuchten Umgebungen schützen, und eine Mischung aus Stärke und Tannin kann handelsübliche Klebstoffe imitieren.
Diese und andere essbare Materialien bilden die Bestandteile von Roboterkomponenten: «Es wird viel an einzelnen essbaren Komponenten wie Aktoren, Sensoren und Batterien geforscht», sagt Bokeon Kwak, ein Postdoc in der Gruppe von Floreano und einer der Autoren. Im Jahr 2017 haben EPFL-Wissenschaftlerinnen erfolgreich einen essbaren Greifer hergestellt, eine Struktur aus Gelatine, die einen Apfel anfassen und danach essen kann. Die EPFL, das IIT und die Universität Bristol haben kürzlich eine neue leitfähige Tinte entwickelt, die auf Lebensmittel gesprüht werden kann, um deren Wachstum zu messen. Die Tinte enthält Aktivkohle als Leiter, während Haribo-Gummibärchen als Bindemittel verwendet werden. Andere Sensoren können den pH-Wert, Licht und Biegung wahrnehmen. Im Jahr 2023 realisierten IIT-Forscher die erste wiederaufladbare, essbare Batterie mit Riboflavin (Vitamin B2) und Quercetin (in Mandeln und Kapern) in den Batteriepolen und fügten Aktivkohle hinzu, um den Elektronentransport zu erleichtern, sowie Nori-Algen, die zum Einwickeln von Sushi verwendet werden, um Kurzschlüsse zu verhindern. Die mit Bienenwachs verpackte, 4 cm breite essbare Batterie kann mit einer Spannung von 0,65 Volt betrieben werden, was im Falle des Verschluckens immer noch eine sichere Spannung darstellt; zwei in Reihe geschaltete essbare Batterien können eine Leuchtdiode etwa 10 Minuten lang mit Strom versorgen.
Sobald die Komponenten fertig sind, sollen vollständig essbare Roboter hergestellt werden. Bislang ist es den Forschenden gelungen, teilweise essbare Robotersysteme zusammenzubauen. Im Jahr 2022 entwarfen Forschende der EPFL und der Universität Wageningen eine Drohne mit Flügeln aus mit Gelatine verklebten Reiskeksen. Wissenschaftlerinnen und Wisssenschaftler der EPFL und des IIT haben auch einen teilweise essbaren Rollroboter entwickelt, der mit pneumatischen Gelatinebeinen und einem essbaren Neigungssensor ausgestattet ist.
Bevor sie das Rezept für vollständig essbare Roboter schreiben können, stehen die Forschenden vor mehreren Herausforderungen. Eine davon ist das mangelnde Verständnis dafür, wie Menschen und Tiere verarbeitete Lebensmittel mit reaktivem und autonomem Verhalten wahrnehmen. «Die grösste technische Herausforderung besteht darin, die Teile, die mit Elektrizität funktionieren, wie Batterien und Sensoren, mit den Teilen zu verbinden, die mit Flüssigkeiten und Druck arbeiten, wie Aktoren», sagt Kwak. Nach der Integration aller Komponenten müssen die Forschenden sie miniaturisieren, die Haltbarkeit der Roboterlebensmittel erhöhen und den Robotern einen angenehmen Geschmack verleihen.