Mit Pupillenfeedback Angst und Stress reduzieren
In Kürze
- Forschende der ETH Zürich zeigen, dass sich die Erregungszentren im Hirnstamm beeinflussen lassen, wenn wir Feedback zur Pupillengrösse erhalten.
- Dieses Biofeedback hilft uns dabei, wirksame Entspannungs- oder Aktivierungstechniken zu erlernen.
- So könnten stressbedingte Erkrankungen oder Angststörungen in Zukunft spielerisch mit einer VR-Brille behandelt werden.
Unsere Pupillen sind ein Spiegel unseres Erregungszustandes: Sie weiten sich, wenn wir angespannt, gestresst oder gar panisch sind, und verengen sich, wenn wir uns beruhigen. Verantwortlich dafür ist unter anderem ein etwa 15 Millimeter grosser Bereich im Gehirn: Der Hirnstammkern Locus caeruleus. Dieser tief im Gehirn sitzende Bereich reguliert über den Botenstoff Noradrenalin unseren Erregungszustand.
Bisher war unklar, ob sich Informationen über die Pupillengrösse auch nutzen lassen, um die Erregungszentren im Gehirn bewusst zu beeinflussen. Forschende der ETH Zürich zeigen nun in einer neuen Studie, dass dies tatsächlich möglich ist: «Mit dem richtigen Biofeedback können Menschen besser lernen, ihren Erregungszustand durch mentale Entspannungs- und Aktivierungstechniken zu kontrollieren», erklärt Nicole Wenderoth, Professorin für neuronale Bewegungskontrolle an der ETH Zürich.
Die Ergebnisse der Studie eröffnen neue Möglichkeiten in der Behandlung von stressbedingten Erkrankungen oder Angststörungen.
Pupillenfeedback ist entscheidend
Um den Zusammenhang zwischen Pupillengrösse und dem Erregungszustand des Gehirns zu untersuchen, brachten die Forschenden zunächst einer Gruppe von 27 Versuchspersonen bei, ihre Pupillengrösse willentlich zu kontrollieren. Mit Hilfe von mentalen Entspannungs- und Aktivierungstechniken, wie zum Beispiel der Konzentration auf die Atmung oder die Visualisierung anstrengender oder bedrohlicher Situationen, sollten die Probanden ihre Pupillen abwechselnd verengen und vergrössern. Dabei sassen sie vor einem Bildschirm mit einem Eye-Tracker, der aufzeichnete, wie gut ihnen das gelang.
Dieses Feedback zeigten die Forschenden einem Teil der Probanden in Form eines Kreises auf dem Bildschirm: Ein kleiner werdender Kreis wies die Probanden auf sich verengende Pupillen und damit auf eine Entspannung hin. Ein grösser werdender Kreis hingegen auf sich weitende Pupillen und steigende Erregung.
Die Forschenden fanden heraus, dass Personen, die ein Echtzeit-Feedback über ihre Pupillengrösse erhielten, besser in der Lage waren, ihren Erregungszustand und ihre Pupillengrösse zu kontrollieren. Das Pupillenfeedback ermöglichte den Probanden, die Entspannungs- und Aktivierungstechniken zu identifizieren, die bei ihnen am besten funktionierten. Im Gegensatz dazu erhielt die Kontrollgruppe entweder ein falsches Feedbacksignal, das nicht im Zusammenhang mit ihrer eigenen Pupillengrösse stand, oder wurde angewiesen, sich rein auf die Anwendung mentaler Strategien zu konzentrieren.
MRI zeigt Aktivität im Hirnstammkern
Anschliessend wiederholten die Forschenden das Experiment, nur dass sie die Hirnaktivität der Versuchspersonen nun mittels Magnetresonanztomographie aufzeichneten. «Wir erkannten, dass die bewusste Veränderung der Pupillengrösse tatsächlich mit Aktivitätsveränderungen in Hirnstammregionen einhergehen, die den Erregungszustand des Gehirns regulieren», erklärt Sarah Meissner, Postdoktorandin in der Forschungsgruppe von Nicole Wenderoth.
Dass die Veränderung der Pupillengrösse die Versuchspersonen auch körperlich entspannte oder aktivierte, belegte ein Blick auf deren Herzfrequenz. Der Puls der Probanden, die ihre Pupillen auf Grund des Feedbacks besser kontrollieren konnten, sank bzw. stieg am Ende des Trainings stärker als am Anfang des Trainings und auch stärker als der Puls der Kontrollgruppe.
Anwendung mittels VR-Brille
Das Verfahren der ETH-Forschenden lässt sich gut auf eine handelsübliche VR-Brille übertragen, die in Echtzeit Feedback zur Pupillengrösse liefert. «Unser Ziel ist, dass Menschen spielerisch lernen, ihre Pupillen zu kontrollieren und so herausfinden, welche Entspannungs- oder Aktivierungstechniken für sie am besten funktionieren», sagt ETH-Professorin Wenderoth. Mit Mindmetrix haben die Forschenden bereits ein ETH Spin-off gegründet, das die Technologie auf den Markt bringen soll.
«Hochschulmedizin Zürich» - Projekt Stress
Diese Studie ist ein Teil des Flagship-Projekts «Stress» der Forschungsinitiative «Hochschulmedizin Zürich». Zweck des Flagship-Projekts «Stress» ist es, die Auswirkungen von Stress auf die geistige und körperliche Gesundheit zu verstehen, zu diagnostizieren und zu behandeln. An der Forschungskooperation beteiligen sich Forschende der ETH, der Universität, der Psychiatrischen Universitätsklinik und des Universitätsspitals Zürich.
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