Neues Blut zur Unterstützung des Herzens dank künstlicher Aorta
Im Januar dieses Jahres haben EPFL-Ingenieurinnen in der Zeitschrift «Advanced Science» ihr Konzept für ein neuartiges Herzunterstützungsgerät vorgestellt, das ohne starre Metallteile auskommt. Es besteht aus einem weichen, künstlichen Muskel, der um die Aorta gewickelt wird und das Gefäss verengen und erweitern kann, um so die natürliche Funktion der Aorta zu verbessern und das Herz beim Pumpen von Blut in den Rest des Körpers zu unterstützen.
Jetzt haben EPFL-Ingenieure unter der Leitung von Yves Perriard vom Labor für integrierte Aktuatoren in Zusammenarbeit mit der Universität Bern ihren ersten künstlichen Schlauchmuskel erfolgreich in vivo in ein Schwein implantiert. Während der vierstündigen Operation hielt ihr Herzunterstützungsgerät 24 000 Pulsationen aufrecht, von denen 1500 durch die vergrösserte Aorta künstlich aktiviert wurden.
Aufgrund dieser Leistung hat die Werner-Siemens-Stiftung weitere 8 von 12 Millionen CHF für die Entwicklung künstlicher Muskeln im Allgemeinen freigegeben. «Wir haben gerade eine Weltneuheit und einen Proof-of-Concept erreicht, indem wir unser Herzgerät erfolgreich in ein lebendes Schwein implantiert haben», erklärt Perriard. «Wir freuen uns sehr, dass wir dank der Unterstützung der Werner-Siemens-Stiftung die nächste Projektrunde angehen können.»
Ende 2017 wurde den Ingenieuren eine Spende der Werner Siemens Stiftung in Höhe von 12 Millionen CHF zugesagt, um ein Zentrum für künstliche Muskeln an der EPFL einzurichten, das auf wissenschaftlichen Fortschritten wie diesem jüngsten Proof-of-Concept basieren soll.
Die zusätzlichen Mittel werden für die nächsten Phasen des Projekts verwendet, zu denen die Entwicklung künstlicher Muskeln für andere menschliche Erkrankungen gehört, wie z. B. künstliche Schliessmuskeln in Zusammenarbeit mit der Universität Bern, die etwa Harninkontinenz beheben könnten, oder die Wiederherstellung der Kontrolle über die Mimik zusammen mit der Universität Zürich.
Kardiotechnik der nächsten Generation
Die derzeitige Herztechnologie erfordert den direkten Anschluss des Herzens an eine Pumpe, was eine invasive Herzoperation bedeutet. Darüber hinaus verwenden herkömmliche Pumpen starre mechanische Systeme mit einem Propeller, um das Blut zum Fliessen zu bringen, die aber auch die roten Blutkörperchen zerstören, was eine unhaltbare Lösung darstellt.
Das von den EPFL-Ingenieuren vorgeschlagene neuartige Herzgerät greift nicht direkt in das Herz, sondern in die Aorta ein. Das Konzept sieht vor, einen dielektrischen Elastomer-Aktuator (DEA) – ein Polymer, das elektrische Energie in mechanische Arbeit umwandelt – um die Aorta in der Nähe der Aortenklappe zu platzieren. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung an das Gerät verengt und erweitert der Aktuator die Aorta künstlich und wirkt so wie ein röhrenförmiger Muskel, der die natürliche Funktion der Aorta imitiert.
«Unsere künstliche Aorta ahmt die Art und Weise nach, wie sich Blutgefässe zusammenziehen und entspannen, um das Blut durch das Kreislaufsystem zu bewegen. Der Unterschied besteht darin, dass die natürliche Aktion der Aorta passiv durch den Blutdruck erfolgt, während unser Gerät durch eine externe Spannung gesteuert wird», erklärt Yoan Civet vom Laboratory of Integrated Actuators der EPFL: «Mit Hilfe unserer künstlichen Aorta verbraucht das Herz weniger Energie, um das gleiche Blutvolumen zu zirkulieren.»
Civet weiter: «Unsere DEA ist keine eigenständige Pumpe. Das Herz hält die Funktion der DEA aufrecht, indem es den arteriellen Druck bereitstellt, und im Gegenzug unterstützt die DEA das Herz, so dass es das Blut effizienter pumpen kann», erläutert Perriard und ergänzt: «Unser Gerät ist minimalinvasiv, da wir das Herz nicht direkt berühren. Ausserdem schont es, im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, die roten Blutkörperchen, da es keine starren Metallteile enthält.»
Viele Herausforderungen liegen noch vor uns
Perriard und sein Team freuen sich über den Erfolg ihrer neuesten kardiologischen Errungenschaft, sind sich aber auch der Vorbehalte bewusst. Zum Beispiel hat die aktuelle Version ihrer DEA, die an der Aorta platziert wird, zwar keine metallischen Komponenten, aber sie enthält immer noch starre Kunststoffkomponenten, die für die Verbindung des Geräts mit der Aorta verwendet werden.
Ausserdem sollte die DEA idealerweise um die Aorta herum platziert werden, was aber noch nicht erreicht wurde. Die Ingenieurinnen und Ingenieure weisen darauf hin, dass sie eine Lösung finden müssen, bei der die Aorta nicht aufgeschnitten werden muss, um ihr Gerät zu implantieren: «Vielleicht besteht die Lösung darin, einen Weg zu finden, die Aorta dazu zu bringen, an unserem Gerät zu haften», erklärt Perriard.