Einbahnstrasse für Schallwellen
In Kürze
- Schall und andere Wellen breiten sich normalerweise vorwärts wie rückwärts gleichermassen aus.
- Forschende haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Schallwellen am Rückwärtslaufen gehindert werden, ohne dass die Ausbreitung in der Vorwärtsrichtung beeinträchtigt ist.
- Die Methode könnte künftig auch auf elektromagnetische Wellen angewendet werden, zum Beispiel in der Radartechnik.
Ob es sich um Wasser, Licht oder Schall handelt: Wellen breiten sich für gewöhnlich vorwärts genauso aus wie rückwärts. Wenn wir also mit jemandem reden, der in einiger Entfernung von uns steht, so kann derjenige uns ebenso gut hören wie wir ihn. Bei einer Unterhaltung ist das praktisch, aber in manchen technischen Anwendungen hätte man es lieber, wenn die Wellen nur in eine Richtung wandern könnten – zum Beispiel, um ungewünschte Reflektionen von Licht- oder Mikrowellen zu verhindern.
Für Schallwellen gelang es Wissenschaftler:innen vor zehn Jahren, deren Ausbreitung in die Rückwärtsrichtung zu unterdrücken; allerdings wurden dadurch auch die vorwärts laufenden Wellen abgeschwächt. Ein Team von Forschenden der ETH Zürich um Nicolas Noiray, Professor für Verbrennung, Akustik und Strömungsphysik, hat nun in Zusammenarbeit mit Romain Fleury von der EPFL ein Verfahren entwickelt, mit dem Schallwellen am Rückwärtslaufen gehindert werden können, ohne dass die Ausbreitung in der Vorwärtsrichtung darunter leidet. Die Methode, die soeben im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde, könnte in Zukunft auch auf elektromagnetische Wellen angewendet werden.
Grundlage dieser Schallwellen-Einbahnstrasse sind Selbstoszillationen, bei denen ein dynamisches System sein Verhalten periodisch wiederholt. «Eigentlich habe ich einen Grossteil meiner Karriere darauf verwendet, solche Phänomene zu verhindern», sagt Noiray. Unter anderem untersucht er, wie in der Brennkammer eines Flugzeugtriebwerks durch das Wechselspiel zwischen Schallwellen und Flammen selbsterhaltende thermoakustische Oszillationen entstehen können, die zu gefährlichen Vibrationen führen. Im schlimmsten Fall können diese Vibrationen das Triebwerk zerstören.
Harmlose und nützliche Selbstoszillationen
Noiray hatte die Idee, harmlose selbsterhaltende aeroakustische Oszillationen dafür zu verwenden, Schwallwellen nur in eine Richtung und ohne Verluste durch einen so genannten Zirkulator passieren zu lassen. Dabei wird die unvermeidbare Abschwächung der Schallwellen dadurch kompensiert, dass die Selbstoszillationen im Zirkulator mit den einfallenden Wellen synchronisiert werden, welche dadurch Energie aus den Selbstoszillationen gewinnen können. Der Zirkulator sollte dabei aus einem scheibenförmigen Hohlraum bestehen, durch den von einer Seite aus durch eine Öffnung in der Mitte verwirbelte Luft geblasen wird. Bei einer bestimmten Kombination aus Blasgeschwindigkeit und Intensität der Verwirbelung wird dadurch im Hohlraum ein Pfeifton erzeugt. «Im Gegensatz zu normalen Pfeifen, bei denen der Ton durch eine stehende Welle im Hohlraum zustande kommt, entsteht er bei dieser neuen Pfeife durch eine rotierende Welle», erklärt Tiemo Pedergnana, ehemaliger Doktorand in Noirays Arbeitsgruppe und Erstautor der Studie.
Von der Idee bis zum Experiment dauerte es einige Zeit: Zunächst untersuchten Noiray und seine Mitarbeitenden die Fluidmechanik der Pfeife mit den rotierenden Wellen und fügten dann drei akustische Wellenleiter hinzu, die dreiecksförmig am Rand des Zirkulators angeordnet sind. Die durch den ersten Wellenleiter eingespeisten Schallwellen können den Zirkulator durch einen zweiten Wellenleiter verlassen. Eine durch den zweiten Wellenleiter eintretende Welle dagegen kann nicht rückwärts durch das erste Loch austreten, wohl aber durch den dritten Wellenleiter.
Schallwellen als Anschauungsmodell
Über mehrere Jahre entwickelten und modellierten die ETH-Forschenden theoretisch die verschiedenen Teile des Zirkulators; nun konnten sie im Experiment endlich zeigen, dass ihr verlustkompensierter Ansatz funktioniert. Durch den ersten Wellenleiter des Zirkulators schickten sie eine Schallwelle mit einer Frequenz von etwa 800 Hertz (in etwa das hohe g eines Soprans) und massen, wie gut diese zum zweiten und dritten Wellenleiter übertragen wurde. Wie erwartet, kam die Schallwelle am dritten Wellenleiter nicht an. Aus dem zweiten Wellenleiter (in der Vorwärtsrichtung) dagegen trat eine Schallwelle aus, die sogar stärker war als die ursprünglich eingespeiste.
«Dieses Konzept für verlustkompensierte nicht-reziproke Wellenausbreitung ist, aus unserer Sicht, ein wichtiges Ergebnis, das sich auch auf andere Systeme übertragen lässt», sagt Noiray. Er sieht seinen Schallwellen-Zirkulator hauptsächlich als starkes Anschauungsmodell für den generellen Ansatz der Wellenmanipulation mithilfe synchronisierter Selbstoszillationen, der beispielsweise auf Metamaterialien für elektromagnetische Wellen angewendet werden kann. Damit könnten dann etwa Mikrowellen in Radarsystemen besser geleitet und so genannte topologische Schaltkreise realisiert werden, mit denen in künftigen Kommunikationssystemen Signale geleitet werden können.