Millionenförderung für Forschung am PSI
Ein Materialforscher, ein Katalysespezialist und ein theoretischer Physiker können sich freuen: Ihre Forschungsprojekte am PSI erhalten über die nächsten fünf Jahre millionenschwere Unterstützung vom Schweizerischen Nationalfonds. Ein Wissenschaftler wird mit einem Advanced Grant über 2,14 Millionen Franken unterstützt, zwei weitere mit einem Starting Grant über 1,7 Millionen Franken. Insgesamt fliessen damit 5,5 Millionen Franken ans PSI.
John Provis: Betonforschung
Gebäude, Brücken, Parkplätze – Beton ist als Baumaterial allgegenwärtig. Und vermutlich deswegen unterbewertet, meint John Provis vom Zentrum für Nukleare Technologien und Wissenschaften am PSI: «Beton vergibt viel. Selbst wenn er falsch angerührt wird, entsteht noch ein Material, dass sich ganz gut verwenden lässt. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie kompliziert die Chemie hinter Beton eigentlich ist.»
Der Materialforscher interessiert sich vor allem für die unzähligen Grenzschichten, an denen die Oberflächen der Partikel aufeinandertreffen: darunter Zement, Sandkörner, Kieselsteine, Asche, Kalkstein, Ton − und natürlich Wassermoleküle. Die vielen Bestandteile ganz unterschiedlicher Grösse sorgen für ein komplexes Zusammenspiel, das weitgehend noch unverstanden ist.
«Wir wissen im Grunde nicht, warum Beton eigentlich hart wird. Und was dafür sorgt, dass er zusammenklebt.» John Provis plant daher buchstäblich, Beton beim Hartwerden zuzuschauen. Dazu wird er unter anderem die Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ nutzen. Denn Neutronenstrahlung kann in das Innere von Materialien blicken und auch Wassermoleküle sichtbar machen.
Provis’ obergeordnetes Ziel: Beton verbessern und gleichzeitig nachhaltiger machen. Denn wenn wir das Material besser verstehen, können wir auch leichter neue Arten entwerfen, die umweltfreundlicher sind. Da Zement zudem dazu benutzt wird, radioaktiven Abfall sicher zu verwahren, ist John Provis’ Team am Labor für Endlagersicherheit angesiedelt.
Für sein Projekt erhält John Provis einen SNF Advanced Grant über 2,14 Millionen Schweizer Franken über die nächsten fünf Jahre.
Aram Bugaev: Katalyseforschung
Dass wir viele chemische Reaktionen überhaupt industriell einsetzen können, ist Katalysatoren zu verdanken: Hilfsstoffen, die eine Reaktion beschleunigen, ohne selbst verbraucht zu werden. Unentbehrlich sind Katalysatoren beispielsweise bei der Herstellung von Medikamenten. Wie diese Reaktionen genau ablaufen, untersucht Aram Bugaev im Zentrum für Photonenforschung am PSI.
Der Wissenschaftler benutzt dafür Minireaktoren: Sie bestehen aus einem Netzwerk millimetergrosser Kanälchen, die in Glas oder Plastik geätzt oder gegossen sind. Die kleinen Röhrchen fassen nur winzige Mengen Flüssigkeit, die ständig durch die Apparatur gepumpt wird. «In diesem Miniaturreaktor können wir Reaktionen schneller und mit weniger Materialverbrauch untersuchen als im Glaskolben im Chemielabor», erklärt Aram Bugaev. «Wir können beispielsweise ruckzuck Flüssigkeiten miteinander mischen, die Temperatur erhöhen oder andere Bedingungen ändern – und das geht sogar automatisiert.»
Nach dem Mischen von Substanzen und Katalysatoren im Minireaktor schaut der Forscher mit Röntgenstrahlung in die Flüssigkeit hinein, um zu verstehen, was genau im Laufe der Reaktion passiert – und was zu verändern ist, damit beispielsweise mehr gewünschtes Produkt entsteht. «Wir wollen eine Plattform entwickeln, mit der sich beliebige Reaktionen in einer Flüssigkeit untersuchen und optimieren lassen.»
Der Forscher nutzt für seine Untersuchungen Synchrotonstrahlung, also besonders intensives Röntgenlicht. Der Forscher wartet daher sehnsüchtig darauf, dass die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI nach dem aktuellen Upgrade SLS 2.0 bald wieder in Betrieb geht. Sein Projekt beginnt daher auch erst im kommenden September. So lange hat er Zeit, sein Forschungsteam zusammenzustellen.
Aram Bugaev erhält einen SNF Starting Grant in Höhe von 1,7 Millionen Franken. Das Pharmaunternehmen Novartis ist als wissenschaftlicher Kooperationspartner mitbeteiligt am geförderten Projekt.
Jason Aebischer: Suche nach neuer Physik
Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt, wie die Welt funktioniert: woraus wir aufgebaut sind, wie diese winzigen Bestandteile miteinander wechselwirken und warum vieles eine Masse hat, darunter auch wir. Aber viele Phänomene erklärt diese Theorie nicht – unsere Vorstellung von der Welt hat also Lücken. «Wir verstehen beispielsweise nicht, was eigentlich dunkle Materie und dunkle Energie sind, die 95 Prozent unseres Universums ausmachen», sagt der theoretische Teilchenphysiker Jason Aebischer.
Physikerinnen und Physiker arbeiten daher an neuen Modellen, die auch die Phänomene erklären können, die bisher rätselhaft sind. «Wir nehmen an, dass das Standardmodell der Teilchenphysik durch neue Teilchen und neue Kräfte zu erweitern ist.» Forschende stellen dafür neue Modelle auf und testen sie in langwieriger Rechenarbeit.
Im Rahmen seines Projekts wird Jason Aebischer eine Software entwickeln, die dabei hilft, solche neuen Modelle zu prüfen. «Diese Software wird für alle Forschenden frei zugänglich sein. Sprich: Alle können damit Modelle testen und sich anschauen, welche Phänomene eine Theorie besser und oder schlechter beschreibt. Viele Modelle lassen sich so auch gleich ausschliessen.» Derzeit forscht Jason Aebischer noch am CERN in Genf. Im Oktober wird er in das Labor für Teilchenphysik in das Zentrum für Neutronen- und Myonenforschung wechseln, um dort mit einem SNF Starting Grant von 1,7 Millionen Franken seine eigene Forschungsgruppe aufzubauen.
Am PSI wird er seine Software dann auf konkrete Experimente anwenden, um seine Modelle mit der Wirklichkeit abzugleichen. Ein für Aebischer spannendes Experiment ist beispielsweise das geplante Mu3e-Experiment: Es sucht nach dem Zerfall eines bestimmten Teilchens, des Myons, in drei andere Teilchen, nämlich in ein Elektron und zwei Positronen. Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik ist dieser Zerfall sehr unwahrscheinlich – das PSI versucht ihn dennoch zu messen. Es ist eines von vielen Experimenten, die verdeutlichen werden, wo beim Standardmodell Korrekturbedarf besteht.