So entstehen Fussballmoleküle im Weltall
«We are stardust, we are golden. We are billion-year-old carbon.» In ihrem Song Woodstock besangen Crosby, Stills, Nash & Young, woraus auch wir Menschen letztendlich zusammengesetzt sind: aus Sternenstaub. Wer sich in der Astronomie ein wenig auskennt, kann den Text der amerikanischen Kultband bestätigen – die Planeten und wir Menschen bestehen tatsächlich aus dem Staub ausgebrannter Supernovae und aus Milliarden Jahren alten Kohlenstoffverbindungen. Das Weltall ist ein riesiger Reaktor und wer diese Reaktionen versteht, versteht die Geburt und die Entwicklung des Universums – und woher wir kommen.
Ein Rätsel war bisher die Bildung von Fullerenen und deren Derivate im All. Das sind fussball-, schüssel- oder röhrchenförmige Moleküle aus Kohlenstoff, die erstmals in den 1980ern im Labor erzeugt wurden. 2010 fand das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer die C60-Fussballmoleküle, sogenannte Buckyballs, im planetarischen Nebel TC-1. Sie sind damit die grössten Moleküle, die bisher im Weltraum ausserhalb unseres Sonnensystems nachgewiesen wurden.
Aber wie entstehen sie dort? Ein Team von Forschenden aus Honolulu (USA), Miami (USA) und Tianjin (China) hat nun einen wichtigen Reaktionsschritt bei der Entstehung der Moleküle nachvollzogen – mit tatkräftiger Unterstützung des PSI und der Vakuum-Ultraviolett-Strahllinie der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS. «Das PSI bietet einzigartige Experimentiermöglichkeiten und deshalb haben wir uns für eine Kooperation mit Patrick Hemberger vom PSI entschieden», sagt Ralf Kaiser von der University von Hawaii in Honolulu, der international führende Forscher auf diesem Gebiet.
Ein Minireaktor für Fullerene
Patrick Hemberger, Wissenschaftler an der VUV-Strahllinie am PSI, hat einen Minireaktor aufgebaut, um die Bildung der Fullerene live beobachten zu können. In einem 1000 Grad Celsius heissen Reaktor wird ein Corannulenylradikal (C20H9) erzeugt. Dieses Molekül sieht aus wie eine Salatschale, in etwa so, als hätte man eine Schüssel vom C60-Fussballmolekül abgeschnitten. Dieses Radikal ist extrem reaktionsfreudig, wodurch es mit Vinylacetylen (C4H4) reagiert, welches am Rand der Schale eine Lage Kohlenstoff andockt. «Würde man diesen Prozess vielfach wiederholen, würde das Molekül zu einer Endkappe eines Nano-Röhrchens anwachsen, was wir durch Computersimulationen zeigen konnten», erklärt Alexander Mebel, Professor für Chemie an der Florida International University und einer der Autoren der Studie. Doch das war nicht das alleinige Ziel der Forschenden. «Wir wollten zeigen, dass diese Art der Reaktion überhaupt möglich ist», ergänzt Ralf Kaiser.
Bei der Reaktion entstehen verschiedene Isomere, das sind Moleküle, die alle die gleiche Masse haben, aber leicht unterschiedliche Strukturen. Mit der üblichen Massenspektrometrie liefern alle diese Varianten das gleiche Signal. Anders bei der Photoelektronen-Photoionen-Koinzidenz-Spektroskopie, die das Team hier verwendet hat. «Dort lässt die Struktur der Messkurve Rückschlüsse auf jedes einzelne Isomer zu», so Patrick Hemberger.
Dem Rätsel klassischer Fussballmoleküle auf der Spur
«Im Universum finden wir einen wilden Zoo aus Molekülen und chemischen Reaktionen – nicht alle lassen sich in den Signalen aus den Teleskopen eindeutig zuordnen», so Ralf Kaiser. Aus Modellen ist bekannt, dass es im All sowohl Corannulenyl als auch Vinylacetylen gibt. Nun konnte bestätigt werden, dass diese Moleküle tatsächlich Bausteine zu Fullerenen bilden. «Deshalb ist das Experiment am PSI so wertvoll für uns.»
Das ist aber mit der erfolgreichen Publikation in Nature Communications nicht abgeschlossen. In weiteren Experimenten wollen die Forschenden verstehen, wie sich im All die klassischen Buckyballs bilden, die fussballförmigen Fullerene mit 60 Kohlenstoffatomen sowie die röhrchenförmigen Nanotubes mit noch mehr Atomen.