Heizen beim Rechnen
Ein Klick im Internet hinterlässt Spuren. Nicht nur im Netz selbst, sondern auch in Form eines grossen ökologischen Fussabdrucks. Denn auch wenn vermeintlich all unsere Daten in der Cloud schweben, sind zu deren Verarbeitung und Speicherung physische Rechenzentren nötig, die riesige Mengen an Energie verschlingen – ein wesentlicher Teil davon für die Kühlung der Anlagen. Die grossen Tech-Giganten sind sich ihrer Verantwortung mittlerweile durchaus bewusst, investieren grosszügig in erneuerbare Energien und suchen nach Möglichkeiten, die Energieeffizienz ihrer Serverfarmen zu optimieren. Einer dieser Wege führt etwa an den Polarkreis, wo mittlerweile einige der grössten Rechenzentren stehen. Die dortigen kalten Temperaturen helfen mit, den Energieaufwand für die Anlagenkühlung zu senken.
Mit den neuesten digitalen Trends wie Künstlicher Intelligenz (KI), «Augmented Reality» oder «Internet of Things» (IoT) kommen aber die nächsten Herausforderungen: Die zu verarbeitenden Datenmengen steigen ins Unermessliche, gleichzeitig werden Reaktionen in Echtzeit gefordert – ohne Latenz. Dazu muss der Verarbeitungsort der Daten wieder viel näher an den Entstehungsort derselben rücken. Zum Beispiel in Form eines Mikro-Rechenzentrums im Quartier. Im besten Fall dient dieses lokale Rechenzentrum aber nicht nur der Datenverarbeitung, sondern wird – angeschlossen an die Energieversorgung – auch gleich zum Heizen der Gebäude verwendet. Ein Feldtest mit Mikro-Rechenzentren im Forschungsgebäude NEST an der Empa und an zwei weiteren Standorten in der Türkei und den Niederlanden will das Potenzial dieser Idee ergründen.
Intelligent kühlen
Das Projekt mit dem Namen «ECO-Qube» wird durch das EU-Förderprogramm «Horizon 2020» unterstützt und bringt Forschungs- und Industriepartner aus der Schweiz, der Türkei, Spanien, Deutschland, den Niederlanden und Schweden zusammen. «Unser Ziel ist es, sowohl den Energiebedarf als auch die CO2-Emissionen von kleinen Rechenzentren um je einen Fünftel zu senken», sagt Çağatay Yılmaz, Innovation Manager beim türkischen IT-Lösungsanbieter Lande und Projektleiter von «ECO-Qube». Herkömmliche Rechenzentren arbeiten gemäss der Sustainable Digital Infrastructure Alliance, einer weiteren Projektpartnerin, häufig nur mit einer Auslastung von rund 15 Prozent. Trotzdem brauchen die Server ständig Strom und werden gekühlt. Um diesem Problem zu begegnen, wird die Kühlung der «ECO-Qube»-Rechenzentren intelligent gemacht: Die Sensordaten der einzelnen IT-Komponenten werden in Big-Data-Strukturen akkumuliert und tragen dazu bei, dass die Wärmeverteilung innerhalb der Anlage jederzeit genauestens erfasst wird. Künstliche Intelligenz kombiniert diese Daten mit Luftstromsimulationen, so dass die Kühlung sehr gezielt eingesetzt werden kann. Gleichzeitig werden die Rechenlasten in den drei Test-Rechenzentren in der Schweiz, der Türkei und den Niederlanden so verteilt, dass alle drei Anlagen so energieeffizient wie möglich betrieben werden können.
Abwärme nutzen
Die drei Rechenzentren werden direkt in die Energiesysteme der umliegenden Quartiere integriert und sollen möglichst mit erneuerbarer Energie gespeist werden. Im NEST kommt der Strom für den Betrieb des Rechenzentrums beispielsweise unter anderem von den Photovoltaikanlagen der NEST-Units und des Mobilitätsdemonstrators move. Die Abwärme des Rechenzentrums wird an das bestehende Mittel- oder Nieder-Temperaturnetz abgegeben. Im Winter speist sie so direkt die Gebäudeheizung und dient über das Jahr gleichzeitig als Quelle für eine Wärmepumpe, die das Brauchwarmwasser bereitstellt.
«Für uns ist es interessant, das Mikro-Rechenzentrum nicht nur als elektrischen Verbraucher zu betrachten, sondern als eine dynamische Komponente im Gesamtsystem, die wir so einsetzen können, dass Berechnungen dann stattfinden, wenn es ökologisch Sinn macht. Die Kopplung der elektrischen und thermischen Welt mit der IT-Infrastruktur und der Datenverarbeitung bietet ein grosses Optimierungspotenzial hin zu einem nachhaltigen Betrieb», sagt Philipp Heer, Leiter des «Energy Hub» (ehub) an der Empa.
Das Projekt dauert rund drei Jahre. Nach dem Abschluss will das Team Richtlinien für Planer und Gebäudebetreiber bereitstellen können, um sie bei einer energieeffizienten Integration von Rechenzentren in Gebäude und Quartiere zu unterstützen.