Zeit gewinnen im Kampf gegen die Quaggamuschel
Der kürzlich erschienene Bericht «Quaggamuschel: Monitoringkonzept und Empfehlungen zu Präventions- und Schutzmassnahmen» ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag und Fachpersonen des Cercle Exotique, einer Arbeitsgruppe der Konferenz der kantonalen Umweltämter (KVU). Durch die Kombination von Forschungsergebnissen und Praxiserfahrungen erhalten Behörden, Wasser-, Wärme- und Kälteversorgungen sowie andere Entscheidungsträgerinnen und -träger konkrete Vorschläge für den Umgang mit der Quaggamuschel in Schweizer Gewässern.
Rasch und flächendeckend handeln
«Für jeden See ist jedes Jahr, in dem die Quaggamuschel nicht gefunden wird, ein gewonnenes Jahr», betont der Biologe und Quaggamuschelexperte der Eawag Piet Spaak. Die gewonnene Zeit kann dazu genutzt werden, Infrastrukturanlagen mit Wasserleitungen, die Seewasser führen, dafür vorzubereiten, wenn sich die Quaggamuschel irgendwann doch in dem betreffenden See ausbreitet. Filter und Wärmetauscher etwa können die sensiblen Geräteteile vor sich festsetzenden Muscheln schützen und so irreversible Schäden an Gebäuden und Anlagen verhindern. Dafür sind teilweise sehr kostspielige Um- und Neubauten erforderlich, die von langer Hand geplant werden müssen. Spaak: «Wir reden hier von Kosten, die sich für die ganze Schweiz auf Hunderte von Millionen Franken belaufen dürften.»
Die Autorinnen und Autoren des Berichts liefern konkrete Empfehlungen, um die Verbreitung der Quaggamuschel einzudämmen. «Für die beste Wirkung sollten diese Massnahmen so rasch und flächendeckend wie möglich umgesetzt werden», erklärt Spaak.
Nicht befallene Seen sollten mindestens einmal pro Jahr mittels Umwelt-DNA-Analyse untersucht werden. Dadurch lässt sich eine eventuelle Quaggamuschel Besiedelung frühzeitig erkennen. Dies ermöglicht den zuständigen Behörden, schnell darauf zu reagieren und zudem zu überprüfen, ob die getroffenen Schutzmassnahmen ausreichend sind. Meldungen aus der Bevölkerung erachten die Autorinnen und Autoren als ein wichtiges zusätzliches Element.
Eindämmung zum Schutz der Gewässer
Der Bericht zeigt auf, dass sich die Quaggamuschel in der Schweiz hauptsächlich durch den Transport von Freizeitbooten verbreitet. Hier orten die Autorinnen und Autoren daher den grössten Hebel: Um zu verhindern, dass die Quaggamuschel in bisher nicht betroffenen Gewässern Fuss fasst, eignen sich am besten weitreichende Schutzmassnahmen, wie zum Beispiel eine Schiffsmelde- und -reinigungspflicht. Solche Vorgaben wurden bereits rund um den Vierwaldstättersee, im Kanton Bern und in ähnlicher Art und Weise im Kanton Aargau am Hallwilersee eingeführt. Die Kantone St. Gallen, Graubünden und Zürich haben sich per April 2025 angeschlossen; weitere Kantone, wie z.B. der Kanton Glarus werden folgen.
Eine Schiffsmelde- und -reinigungspflicht nützt ausserdem auch gegen die Einschleppung und Verbreitung anderer invasiver Arten, wie zum Beispiel des Schmalrohrs, einer schnellwüchsigen Unterwasserpflanze, und der Schwarzmundgrundel, einer invasiven Fischart. Die Autorinnen und Autoren identifizieren auch Wissenslücken bei der Durchführung der Schiffsreinigung: Detaillierte, praxisgetestete Reinigungsmethoden und -anleitungen, zusätzliche Reinigungsstellen sowie auf die Praxis zugeschnittene Forschung könnten hier hilfreich sein.
Forschung für klare Zukunftsszenarien
Um die langfristigen Folgen für die Ökosysteme zu verstehen, orientiert sich die Forschung derzeit an den Erfahrungen mit den nordamerikanischen Seen, wo die Quaggamuschel schon 20 Jahre früher als in Europa eingeschleppt wurde. Das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach einer spezifischen Folgenabschätzung für die Schweizer Gewässer ist jedoch gross. Dazu sind weitere Untersuchungen notwendig. Die Autorinnen und Autoren schlagen vor, die bereits betroffenen Seen einmal pro Jahr standardmässig zu untersuchen. Ausgewählte Seen, die in der Vergangenheit bereits detailliert von Forschungsinstituten untersucht wurden, sollten detaillierter überwacht werden, indem alle ein bis zwei Jahre Proben an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Tiefen genommen werden. Diese detaillierten Daten könnten dann in die Planung von Präventionsmassnahmen einfliessen.
Neue beratende Fachstelle
Eine neue Quaggamuschel-Fachstelle an der Eawag steht den Verantwortlichen seit 1. April 2025 als Ansprechpartnerin zur Seite. Sie wird vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) sowie von der Eawag finanziell unterstützt. Vorgesehen ist, dass sie Informationen und Know-how bereitstellt für Stakeholder aus Behörden und Fachpraxis. Angestrebt wird auch eine Zusammenarbeit mit den internationalen Kommissionen zum Schutz von Genfer-, Boden- und Luganersee sowie des Lago Maggiore.
Die Quaggamuschel (Dreissena rostriformis) ist eine invasive gebietsfremde Art: Ursprünglich stammt sie aus dem Schwarzmeerraum, doch ist sie mittlerweile in grossen Teilen Europas und Nordamerikas verbreitet. Sie kommt in Seen, langsam fliessenden Flüssen und Mündungsgebieten vor. Die invasive Muschel stellt vor allem in tiefen und nährstoffarmen Seen ein Problem dar.
Die Verbreitung erfolgt zum einen natürlicherweise, indem die Larven in der Strömung schweben und so stromabwärts getrieben werden. Im Bilgen-, Motorenkühl- oder Ballastwasser von grossen Transportschiffen, werden die Larven aber auch unbeabsichtigt durch den Menschen über grosse Distanzen verschleppt. Die erwachsenen Muscheln kleben sich zudem an Booten und anderen Gegenständen fest und werden so zum Beispiel durch in verschiedenen Gewässern verwendete Freizeitboote verbreitet.
Die Anwesenheit der Muschel verändert Ökosysteme grundlegend. Sie beeinflusst sowohl die Lichtverhältnisse im Wasser als auch das Nahrungsnetz, was unter anderem dazu führt, dass Fische weniger Nahrung finden. Zudem beeinträchtigt die Quaggamuschel die Nutzung der Gewässer durch die Menschen. Das grösste Problem ist dabei die Verstopfung der Rohre von Wasserversorgungen oder Kühlwassersystemen. Die Kosten für Wartung und Erneuerung sind massiv.
Wenn sich die Quaggamuschel einmal in einem Gewässer etabliert hat, ist sie nicht mehr loszuwerden. In betroffenen Schweizer Seen dürfte die Biomasse der Quaggamuschel pro Quadratmeter in den nächsten 20 bis 30 Jahren um den Faktor 9 bis 20 anwachsen. Es gibt zurzeit keine für die Schweiz praktikablen Bekämpfungsmassnahmen.