Neues Zentrum für Quantenwissenschaften und -technologie

Unter der Leitung von Professor Vincenzo Savona wird das Zentrum für Quantenwissenschaft und -technologie (QSE) an der EPFL multidisziplinäre Forschungs-, Ausbildungs- und Innovationsprogramme im Bereich der Quantenwissenschaft und -technologie aufbauen und unterstützen.
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«Die Entwicklung von Quantentechnologien ist ein gewaltiges Unterfangen, das uns vor noch nie dagewesene wissenschaftliche und technologische Herausforderungen stellt», sagte Vincenzo Savona, Direktor des Labors für theoretische Nanosystemphysik. «Diese Herausforderungen erfordern eine gemeinsame Anstrengung aller technischen Wissenschaften wie Physik, Mathematik, Chemie, Informatik und Ingenieurwesen. Diese Bemühungen müssen intensiver sein als bei jeder früheren technologischen Entwicklung», erklärte er. «Die EPFL kann auf eine lange Geschichte der Exzellenz und der Führungsrolle in diesen Bereichen zurückblicken und nimmt damit eine einzigartige strategische Position im schweizerischen und internationalen Umfeld der Quantenwissenschaften und -technologie ein.» 

Professor Vincenzo Savona, dessen Fachgebiet Quantenoptik, offene Quantensysteme und Quanteninformation umfasst, wird der erste Direktor des Zentrums QSE werden. Unterstützung wird er von einem Exekutivkomitee erhalten, das sich aus Professorinnen und Professoren der Fakultät für Grundlagenwissenschaften, der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und der Fakultät für Informatik und Kommunikation der EPFL zusammensetzt.

Wichtige technologische Neuerungen

«Die jüngsten Fortschritte in Wissenschaft und Technik haben uns dazu veranlasst, die von den Gesetzen der Quantenmechanik vorhergesagten Phänomene zu nutzen, um revolutionäre neue Technologien in den Bereichen Quantencomputer, -kommunikation und -messungen zu entwickeln», sagte Vincenzo Savona. «Sie werden zu bedeutenden Fortschritten in vielen Bereichen führen und der Gesellschaft von grossem Nutzen sein.» 

Mit der Gründung des Zentrums QSE will die EPFL eine globale Anstrengung zur Entwicklung und Nutzung der Quantentechnologie in einer Reihe von Anwendungen in allen Bereichen der Wissenschaft und des Ingenieurwesens unternehmen.

Die Einzigartigkeit des Zentrums liegt in seiner Multidisziplinarität. «Quantentechnologien sind sehr komplex und erfordern den Beitrag mehrerer Wissenschaftsbereiche», betonte Vincenzo Savona. «Die Einzigartigkeit und Stärke unseres Zentrums liegt darin, dass wir viele der auf dem Campus vorhandenen Expertisen im Dienste der Quantenwissenschaft und -technik kombinieren können.» 

Zwei Forschungsschwerpunkte

Die Forschungsaktivitäten des Zentrums QSE werden sich auf zwei Bereiche konzentrieren. Der erste wird dem Quantencomputing gewidmet sein. «Das Ziel ist die Entwicklung und Anwendung von Quantenalgorithmen (siehe Kasten) sowie der zu ihrer Anwendung erforderlichen Computertools», erklärte Vincenzo Savona. «Die Entwicklung, der Einsatz und die Integration dieser Lösungen werden zu einem Quantenvorteil (siehe Kasten) bei allen Anwendungen beitragen, die Hochleistungsrechnen erfordern, was von der Simulation biologischer Moleküle für die Vorhersage von Krankheiten und die Entwicklung neuer Medikamente bis hin zu Berechnungen für die Vorhersage von Wetter und Klimaveränderungen auf langen Zeitskalen reichen kann. Der Quantenvorteil wird auch den zahlreichen Forschungsaktivitäten der EPFL in den Bereichen Physik, Chemie, Materialwissenschaften, Ingenieurwesen, Biowissenschaften, Informatik und Data Science zugutekommen.

Der zweite Bereich wird sich auf die Untersuchung integrierter, hybrider und skalierbarer Systeme konzentrieren, wobei die auf dem Campus vorhandenen hochmodernen Nanofabrikationsanlagen genutzt werden, um technologische Fortschritte in den Bereichen Quantenhardware, -sensorik und -kommunikation zu ermöglichen.

Ein starker Fokus auf Bildung und Partnerschaften

Das Zentrum QSE an der EPFL wird sich auf das in der Schweiz vorhandene breite Fachwissen in der Quantenwissenschaft und -technologie stützen. Zu diesem Zweck plant das Zentrum eine enge Zusammenarbeit mit der Universität Genf mittels gemeinsamer Forschungs- und Innovationsprojekte sowie gemeinsamer Kurse für Master- und Doktoratsstudierende.

Im Bildungsbereich wird das Zentrum QSE an der EPFL einen Masterstudiengang in Quantenwissenschaften und -technologie entwickeln. Dieses einzigartige multidisziplinäre Bildungsangebot wird Kurse in theoretischer Physik, Informatik und Ingenieurwissenschaften umfassen. «Das Zentrum wird auch Masterstipendien anbieten, um junge Talente aus der Schweiz und dem Ausland anzuziehen und so den Weg für die nächste Generation von Quantenforschenden und -ingenieurinnen zu ebnen», freute sich Vincenzo Savona.

Schliesslich wird das Zentrum QSE Forschung und Innovation fördern, indem es Veranstaltungen wie Workshops, Konferenzen und thematische Programme organisiert, die ausgewählte Expertinnen und Experten für Langzeitaufenthalte an die EPFL locken, um Interaktion und Zusammenarbeit zu fördern und das kreative Denken und den Fortschritt zu fördern.

«Die derzeitigen und künftigen Fortschritte in der Quantentechnologie stellen einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit dar», sagte Vincenzo Savona. «Diese Pionierzeit ist vergleichbar mit der Entwicklung von Computern in den 1950er Jahren oder dem Aufkommen des Internets in den 1990er Jahren», fügte er hinzu. «Dies ist eine einzigartige Gelegenheit, zum Fortschritt und zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beizutragen.»

Quantentechnologien

Jede Technologie, ob es sich nun um ein Rad oder einen Computerchip handelt, beruht auf den Gesetzen der Physik. Nutzt eine Technologie ungewöhnliche Phänomene (die in unserem Alltag normalerweise nicht vorkommen und durch Laborexperimente erzeugt werden müssen), die von den Gesetzen der Quantenphysik vorhergesagt werden – wie Quantenüberlagerung und -verschränkung –, wird sie als Quantentechnologie bezeichnet. Ende des 20. Jahrhunderts entdeckten die Physiker, dass es dank dieser Phänomene möglich ist, Anwendungen zu entwickeln, die unendlich viel effizienter sind als einige der heutigen Technologien. Das Ziel der Forschung in der Quantenwissenschaft und -technologie ist daher die Entwicklung solcher Anwendungen zum Nutzen der Gesellschaft. Die angewandte Forschung im Bereich der Quantentechnologie hat bereits zahlreiche Anwendungen hervorgebracht, z.B. kryptografische Protokolle mit gemeinsamer Nutzung von Quantenschlüsseln zur Erhöhung der Sicherheit des Datenaustauschs, Quantensensorik, die die Genauigkeit zahlreicher Messverfahren verbessern wird, z.B. für die Erkennung von Magnetfeldern im Gehirn, sowie verschiedene Anwendungen von niedrigdimensionalen Materialien in der modernen Elektronik.

Quantenalgorithmus

Beim Quantenalgorithmus handelt es sich um die Software, die auf einem Quantencomputer ausgeführt wird. Für jedes Problem, das man mit einem Quantencomputer lösen möchte, muss man einen speziell entwickelten Quantenalgorithmus schreiben. Die Beherrschung der Sprache, in der diese Software geschrieben ist, erfordert nicht nur fortgeschrittene Informatikkenntnisse, sondern auch solche in Physik und Mathematik.

Quantenvorteil

Man spricht von einem Quantenvorteil, wenn ein Quantencomputer Probleme lösen kann, die viel grösser und umfangreicher sind als die, die von den leistungsfähigsten gegenwärtigen und zukünftigen Supercomputern bewältigt werden können. Dieses Konzept soll wesentliche Verbesserungen bei anderen Aufgaben bringen, z.B. eine sicherere Kommunikation oder genauere Messmethoden.