Die Sanierung von Seedeltas erleichtern
Das Reussdelta am Rande des Vierwaldstättersees ist wieder ein Naturparadies mit Kiesinseln und Flachwasserzonen, in denen Pflanzen, Tiere und Badegäste harmonisch zusammenleben. Dank einer Reihe von Renaturierungsprojekten ist es den Ingenieuren gelungen, das natürliche Ökosystem des Deltas wiederherzustellen, die Artenvielfalt zu fördern und zum Schutz des Ufers beizutragen. Es ist weit entfernt von den Schotterpisten, die früher die Landschaft beherrschten. Das Reussdelta ist ein Beispiel für die Renaturierung eines Seedeltas, mit dem sich Alexandre Fourrier als Student des Umweltingenieurwesens an der Fakultät für Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen (ENAC) der EPFL beschäftigt hat. Im Rahmen seiner firmeninternen Masterarbeit untersuchte er die morphologischen Prozesse in Seedeltas. Betreut wurde er dabei von Giovanni De Cesare, dem operativen Leiter der Plattform Wasserbau der EPFL, Marina Launay vom Ingenieurbüro Gruner und Stéphanie André vom Umweltdepartement des Kantons Waadt. Sie haben eine neue Methode entwickelt, die die Vorstudien der Ingenieure im Vorfeld von Sanierungsarbeiten drastisch vereinfachen kann. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Zeitschrift Ecological Engineering veröffentlicht.
2011 wurde in der Schweiz eine Änderung des Gewässerschutzgesetzes verabschiedet, die die Renaturierung von Gewässern wie Flüssen und Bächen vorschreibt. Dies führte zur Umsetzung von Sanierungsplänen für die großen Flüsse des Landes wie Rhone, Reuss und Aar. Im Kanton Waadt wurden seit 2014 über 40 Kilometer Fliessgewässer saniert. Das Gesetz gilt auch für Seeufer und Seedeltas - eine besondere Herausforderung für den Genfersee, bei dem nur noch 3 % des Ufers in seinem natürlichen Zustand sind.
Wiederanbindung von Flüssen und Seen
Seit dem späten 19. Jahrhundert nimmt die Anthropisierung – die Veränderung der natürlichen Umwelt durch menschliche Aktivitäten – immer mehr zu. Ein Beispiel ist der Bau von Dämmen zum Schutz vor Überschwemmungen. Heute bedeutet die Wiederherstellung dieser Deltas, die Deiche zu öffnen und Raum für die Entwicklung einer Reihe von Lebensräumen zu schaffen, die die biologische Vielfalt fördern können», sagt Fourrier. «Das bedeutet auch, dass Flüsse wieder in lakustrische Deltas fliessen können, die alle ihre eigene Dynamik haben. Dies würde es ermöglichen, die im Flusswasser mitgeführten Sedimente an der Flussmündung abzulagern und so die durch Wellen und Meeresströmungen verursachte Erosion zu verhindern», sagt Fourrier und nennt ein anschauliches Beispiel: «Die Anthropisierung des Reussdeltas hat dazu geführt, dass die Uferlinie um über 100 Meter zurückgegangen ist.»
Die Methode, die Fourrier und seine Kolleginnen und Kollegen entwickelt haben, hat den Vorteil, dass sie besonders einfach anzuwenden ist, da sie sich auf nur zwei Parameter stützt: «Ingenieurfachleute können damit das Renaturierungspotenzial eines Deltas bewerten, indem sie das Gefälle des flussaufwärts gelegenen Wasserlaufs und den Öffnungswinkel des Deltas eingeben», sagt er. Die Methode kann auch dazu beitragen, den Raum zu bestimmen, den der Wasserlauf benötigt, um seine natürlichen Funktionen zu erfüllen. Der Ansatz von Alexandre ist ein echter Durchbruch, weil diese Art der Klassifizierung für Flussdeltas bisher noch nie gemacht wurde», sagt De Cesare. Die Fachleute von Gruner hatten die Notwendigkeit eines solchen Ansatzes aufgrund von Restaurierungsprojekten erkannt, die sie in Zusammenarbeit mit dem Kanton Waadt durchgeführt hatten.
Die Entwicklung des Reussdeltas am Vierwaldstättersee zwischen 2022 und 1937. © Swisstopo
Eine Reise durch die Zeit
Die Ingenieurfachleute identifizierten vier verschiedene Morphologie-Typen, teils durch eine Literaturrecherche, teils durch die Anwendung ihrer Methode auf etwa 200 lakustrische Deltas in der ganzen Welt. Dazu nutzten sie Bilder, die auf Google Earth verfügbar waren, sowie topografische Luftbilder aus den 1920er Jahren, die von Schweizer Behörden zusammengestellt worden waren.
Diese Bilder ermöglichten es den Ingenieurfachleuten, in der Zeit zurückzureisen und die Veränderungen in Flussdeltas nach aufeinander folgenden Entwicklungsprojekten zu sehen. Im Jahr 1850 hatte das Reussdelta beispielsweise einen Öffnungswinkel von 85 Grad, doch mit dem Bau von Deichen und anderen Formen der Anthropisierung verwandelte sich das Delta in eine gerade Linie. Ein erstes Renaturierungsprojekt wurde in den 1990er Jahren abgeschlossen, wodurch der Fluss viel mehr Platz erhielt. Heute hat das Delta einen Öffnungswinkel von 60 Grad. «Diese Fallstudie zeigt den Fachleuten, wie sie Deltas so weit wie möglich in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen und dabei die heutigen Einschränkungen durch Bevölkerungswachstum, Stadtentwicklung und Landwirtschaft in der Nähe der Flussmündung berücksichtigen können», sagt De Cesare.