Frühzeitige Herbstfarben sind schlechtes Omen
Der Sommer 2022 mutete an wie ein Déjà-vu: Ähnlich wie 2018 verfärbte sich das Laub verschiedener Bäume schon ab Ende Juli, und im Mendrisiotto waren im August grossflächig ganze Wälder braun. Heute wie damals stellt sich die Frage, wie es den Bäumen mit frühem Laubfall in den darauffolgenden Jahren ergeht.
Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL lancierte 2018 ein ad-hoc-Forschungsprogramm zu den Folgen des trockenen Sommers. In dessen Rahmen wurden unter anderem 1000 Buchen mit frühzeitigem Laubfall wiederholt beobachtet, die in den Regionen Baselland, Schaffhausen und Knonauer Amt/Bremgarten in den Kantonen Zürich und Aargau standen.
Das Forschungsteam schätzte bis 2021 jährlich den Anteil toter Äste und den Blattverlust in den Baumkronen bei rund 830 Buchen mit frühem Laubfall im Sommer 2018 und 139 Buchen mit normalem Laubfall im Herbst. Zudem zählte es Schädlinge und Krankheitsanzeichen und bestimmte weitere Standortfaktoren wie Bodenbeschaffenheit und langjährige Wasserdefizite in den Sommermonaten. Die Resultate stellen die Forschenden nun in zwei Fachartikeln sowie in der Forstzeitschrift Wald und Holz vor.
Trockene Standorte schlecht für Buchen
«Es zeigte sich, dass Baumschäden und ein trockenes Klima zusammenhängen», erklärt Projektkoordinatorin Esther Frei. «Bäume an niederschlagsarmen Standorten und auf Böden, die wenig Wasser speichern können, waren stärker betroffen.» Von den Buchen mit vorzeitigem Laubfall starben in der Region Schaffhausen 10 Prozent innerhalb von drei Jahren vollständig ab, in der Region Baselland waren es 7 Prozent und in der Region Knonaueramt/Bremgarten 4 Prozent. Ein weiteres Fünftel der 1000 überwachten Buchen wurde aus Sicherheitsgründen vorzeitig gefällt. Von den 139 Bäumen mit normaler Herbstverfärbung sind nur zwei Bäume abgestorben, was etwa der natürlichen Abgangsrate entspricht.
Dass die Trockenheit schwache Bäume auf trockenen Standorten stärker schädigte, bestätigen auch Jahrringdaten, die Stefan Klesse von der Forschungsgruppe Dendrowissenschaften auswertete. Die Holzbohrkerne waren 2020 bei Buchen mit geschädigten Kronen in der Ajoie im Kanton Jura entnommen worden. Die Jahrringe zeigten, dass Bäume mit starken Kronenschäden schon in Vorjahren weniger gut gewachsen waren. Die Dürre setzte also vor allem schwächeren Individuen zu. Auch in der Ajoie fand sich der Zusammenhang mit der Bodenbeschaffenheit: Bei Bäumen auf flachgründigen oder steinigen Böden, die Wasser schlecht speichern können, waren die Schäden deutlich ausgeprägter als bei solchen, die auf tiefgründigen Böden wuchsen.
Ein Zeichen der Schwäche
Was für Forstleute bedeutsam ist: Die Bäume mit frühzeitigem Laubfall erholten sich besonders auf trockenen Standorten in den Folgejahren nicht, die ebenfalls recht regenarm waren. Im Gegenteil, der Anteil toter Äste stieg mit jedem Jahr. «Das Abwerfen des Laubes ist dort somit nicht als Schutzmechanismus des Baumes zu deuten, um die Trockenzeit besser zu überstehen, sondern als ein Schwächezeichen», erklärt Frei. Dagegen erholten sich auf feuchteren Böden wie im Knonauer Amt viele der Buchen mit frühzeitigem Laubfall.
Auch im Sommer 2022 waren die herbstlichen Farben wieder vielerorts zu sehen. Auf flachgründigen Böden an Südhängen im Norden der Schweiz und im Südtessin waren die Bäume dieses Jahr am stärksten betroffen. «Auf solchen trockenheitsanfälligen Standorten wird es die Buche in Zukunft schwer haben», sagt Esther Frei. Forstleute werden dort früher oder später auf die Buche verzichten müssen.